Von Marcus Christoph
Die 58. Saison der Fußball-Bundesliga ist (fast) zu Ende. Es fehlt nur noch der Abschluss der Relegation. Ansonsten sind die Entscheidungen gefallen. Die wichtigste ist zugleich die langweiligste: Meister wurde erneut der FC Bayern München, der nun bereits zum neunten Mal in Folge die begehrte „Salatschüssel“ in Empfang nehmen konnte. Das ist für die Bundesliga einsamer Rekord. In der gesamtdeutschen Fußball-Historie hat nur der BFC Dynamo Ost-Berlin, der von 1979 bis 1988 zehnmal hintereinander DDR-Meister wurde, eine noch längere Titelserie hingelegt.
In der zurückliegenden Saison konnte RB Leipzig noch recht lange einigermaßen mithalten. Aber wirklich das Gefühl, dass die Sachsen dem Star-Ensemble von der Isar wirklich hätten gefährlich werden können, hatte man nicht wirklich. So aber feierten die Münchener ihren insgesamt 30. Meistertitel in der Bundesliga. Sie gewannen also mehr als die Hälfte aller Meisterschaften seit Einführung der deutschen Elite-Liga in der Saison 1963 / 64. In diesem Jahr gelang Starstürmer Robert Lewandowski sogar das Kunststück, mit 41 Saisontoren den Uralt-Rekord von Gerd Müller zu überbieten.
Als Fußballfan sehnt man sich mal wieder nach einem Meisterschaftskampf, der bis zum letzten Spieltag spannend ist. Dafür sorgte in der Vergangenheit gelegentlich auch der SV Werder Bremen. Man denke nur an das Foto-Finish 1983 gegen den Hamburger SV oder das Drama im Titelkampf gegen die Bayern 1986. Doch der norddeutsche Traditionsverein befindet sich derzeit in ganz anderen Gefilden und muss nach einem 2:4 am letzten Spieltag gegen Gladbach nach 40 Jahren Erstklassigkeit in die 2. Liga absteigen.
Die Bremer begleiten Schalke 04 in das Unterhaus. Sollte der 1. FC Köln in der Relegation gegen Holstein Kiel straucheln, stiegen gar drei große Traditionsvereine und Gründungsmitglieder der Bundesliga ab. Alle drei haben eine riesige Anhängerschaft. Ein immenser Aderlass, der durch die Aufsteiger VfL Bochum, SpVgg Greuther Fürth und eventuell Holstein Kiel natürlich nicht kompensiert werden kann.
Überhaupt scheint die Zweite Liga immer interessanter zu werden. Auf die erwähnten Absteiger warten bereits Traditionsvereine wie der ehemalige Bundesliga-Dino und Europapokalsieger Hamburger SV und der neunmalige Meister 1. FC Nürnberg, Mit Hannover 96 und Fortuna Düsseldorf sind weitere ehemalige deutsche Meister vertreten. Mit Dynamo Dresden und Hansa Rostock kommen zwei weitere attraktive Traditionsclubs aus dem Osten Deutschlands hinzu. Vor allem wird es tolle Nord-Derbys geben, denn auch der populäre FC St. Pauli mischt mit.
Der jüngste Aufstiegskampf der 2. Liga war spannend und packend bis zur letzten Minute. Ganz anders als die Meisterentscheidung in der Bundesliga, wo lediglich der Abstiegskampf Hochspannung und Dramatik bot.
Doch die Bundesliga wird nicht nur durch erdrückende Dominanz der Bayern zusehends unattraktiver. Auch der Umstand, dass mehrere „Kunstprodukte“ wie RB Leipzig, Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim oder Clubs wie Mainz 05, FC Augsburg oder Arminia Bielefeld, die in früheren Jahren eher Oberligisten waren, in der Eliteklasse spielen, trägt nicht gerade zur Faszination bei.
In der zurückliegenden Saison sind Geisterspiele zur Normalität geworden. Doch wenn Zuschauer mit der Zeit wieder Zutritt zum Stadion erhalten sollten, wird deutlich werden, dass es nicht das Gleiche ist, wenn ein Spiel auf Schalke oder in Fürth stattfindet.
Woran der Trend liegt, dass immer mehr Traditionsvereine in Nöte geraten, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Dass es durchaus möglich ist, Tradition und Erfolg miteinander zu verbinden, zeigen an erster Stelle die Münchener Bayern, aber auch Borussia Dortmund, das sich nach einer durchwachsenen Saison immerhin noch den DFB-Pokal sicherte.
Häufig dürften Ketten falscher Entscheidungen und personeller Querelen zum Niedergang einstiger Titelanwärter geführt haben. Besonders beim Hamburger SV klafft die Lücke zwischen Anspruch und glorioser Vergangenheit auf der einen Seite und frustrierender Gegenwart auf der anderen weit auseinander. Dabei hatte kein Geringerer als Bayern-Clubgrande Uli Hoeneß einst gesagt, dass im Grunde der HSV wegen seiner Standort-Möglichkeiten der wahre Gegenspieler des FC Bayern in der Bundesliga sein müsste, was er vor rund 40 Jahren ja auch mal war. Doch gegenwärtig reichte es für die Hamburger zum dritten Mal in Folge nur zum vierten Platz in der 2. Liga. Dieses Los konnte noch nicht einmal der legendäre Horst Hrubesch abwenden, der für die letzten drei Spiele engagiert wurde. Der Aufstieg dürfte in der kommenden Saison gegen Konkurrenten wie Schalke oder Werder noch schwieriger werden.
Interessant wird allerdings die Frage, welche der beiden Ligen in der kommenden Saison mehr Zuschauer locken wird - vorausgesetzt die Fans dürfen sukzessive wieder in die Stadien. Spannender als die 1. Liga sollte die 2. Liga sicher werden. Aber wer weiß, vielleicht reißt dann ja doch irgendwann einmal der Erfolgsfaden der Münchener, die mit Julian Nagelsmann einen jungen Trainer engagiert haben, der bislang noch keine Titel vorweisen kann. Der 33-Jährige folgt auf Titelsammler Hansi Flick, der nach der EM Jogi Löw als DFB-Trainer beerben wird.
Zwar würde man Nagelsmann, der bislang in Hoffenheim und Leipzig gute Arbeit leistete, für seine Trainerlaufbahn Erfolg wünschen. Für den deutschen Fußball und die Bundesliga im Besonderen wäre es aber besser, wenn es mal wieder eine andere Mannschaft schaffen würde, am Ende ganz oben zu stehen. Dies gelang zuletzt 2012 Borussia Dortmund unter Kulttrainer Jürgen Klopp. Schon lange her...
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