Von Marcus Christoph
Schleswig-Holstein hat gewählt – und der Wahlsieger ist eindeutig: Daniel Günther. Der Christdemokrat ist in seinem Amt als Ministerpräsident des nördlichsten Bundeslandes eindrucksvoll bestätigt worden. War er bei den Landtagswahlen vor fünf Jahren noch eine Verlegenheitslösung, hat sich der heute 48-Jährige in der Spitze der bundesweit ersten „Jamaika-Koalition“ zu einem sehr populären Landesvater entwickelt.
Günther setzt den bundesweiten Trend der Vorjahre fort, dass erfolgreiche Ministerpräsidenten von ihrem Amtsbonus profitieren und wiedergewählt werden – unabhängig von der bundespolitischen Großwetterlage. Lediglich das Saarland mit dem im März dieses Jahres abgewählten Tobias Hans (CDU) stellt hier eine Ausnahme dar. Aber dieser hatte seinen Posten nicht aus eigener Kraft erreicht. Er rückte für Annegret Kramp-Karrenbauer nach und verstand es nicht, sich einen Amtsbonus zu erwerben.
Ganz anders nun Daniel Günther. Der Politikwissenschaftler erreichte für seine Partei, die im Vorjahr die Bundestagswahl krachend verloren hatte, geradezu ein Traumergebnis: 43,4 Prozent der Stimmen verbuchten die Konservativen - ein Zuwachs um 11,4 Prozent gegenüber 2017. Ein so starkes Ergebnis erzielten die Christdemokraten bei einer Landtagswahl zuletzt 2006 in Baden-Württemberg. In Schleswig-Holstein ist es ihr bestes Ergebnis seit 1983, als sie im Zuge von Helmut Kohls „geistig-moralischer Wende“ 49 Prozent gewannen.
Einen negativen Superlativ gab es für die SPD: Sie brachte es gerade auf 16 Prozent - so schlecht wie noch nie im Land zwischen den Meeren. Die Sozialdemokraten büßten zudem den zweiten Platz an die Grünen ein, die 5,4 Prozent zulegten und somit als zweiter Wahlsieger gelten können. Den Grünen nützte also - anders als den Liberalen - ihre Beteiligung in dem Dreibündnis mit den Konservativen. Die FDP büßte Stimmen ein und fuhr mit 6,4 Prozent nur ein mittelmäßiges Ergebnis ein. Die rechtsgerichtete AfD verfehlte mit 4,4 Prozent den Wiedereinzug in den Landtag in Kiel und fliegt somit zum ersten Mal überhaupt aus einem Länderparlament. Grund zur Freude hat indes der SSW. Die politische Vertretung der dänischen Minderheit feierte mit 5,7 Prozent ein historisch gutes Ergebnis.
Wahlsieger Günther kann sich jetzt praktisch seinen Bündnispartner aussuchen. Beim kleinen Parteitag der Landes-CDU am Mittwoch sprach er sich für eine Fortsetzung von „Jamaika“ aus. Aber ob dies zustande kommt, wenn ein Partner entbehrlich ist, wird man sehen. Dem Wählerwillen am meisten gerecht würde ansonsten ein Bündnis von CDU und Grünen, den Parteien mit den größten Zuwächsen. Allerdings könnten die Grünen beim Ausbau wichtiger Infrastrukturprobleme als Bremsklötze wirken. Die Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbeltquerung oder der Ausbau der A20 in Richtung Westen sind für das Land wichtige Vorhaben, die möglicherweise mit den Liberalen einfacher umzusetzen sind. Immerhin haben die Grünen ihr Nein zum Flüssiggas-Terminal in Brunsbüttel nun überdacht, um sich aus der energiepolitischen Abhängigkeit von Putin zu lösen.
Die Gründe für Günthers Erfolg sind sicher in seinem pragmatischen und moderaten Politikstil zu finden. So verstand er es, eine Regierung sehr unterschiedlicher Partner solide und geräuschlos zu lenken. Als jemand, der in Eckernförde aufgewachsen ist, findet er bei seinen Ankündigungen zudem meist den richtigen Ton, der bei den Menschen im Norden gut ankommt. Laut Umfragen waren 75 Prozent der Bevölkerung mit der Arbeit der Regierung insgesamt zufrieden - und dies wurde vor allem Günther zugerechnet.
Nicht so glücklich agierte der Ministerpräsident während der letztjährigen Weihnachtstage in der Corona-Pandemie. War Schleswig-Holstein bis dahin meist Musterknabe unter den Bundesländern in Sachen Ansteckungszahlen, führte Ende des vorigen Jahren eine laxe Politik zu einer rapiden Ausbreitung der Infektionen. Während in allen anderen Teilen der Bundesrepublik neue Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen wurden, waren in Schleswig-Holstein bis Silvester noch Großraumtanzveranstaltungen möglich. Die Corona-Zahlen explodierten. Die sozialdemokratische Opposition übte Kritik. Doch Günthers Beliebtheit konnte dies offenbar nichts anhaben.
Unter dem Strich ist das Ergebnis der Wahl vor allem landespolitisch zu erklären - auch wenn die allgemeine Angst vor einer Ausweitung des Ukraine-Krieges den Trend verstärkt haben mag, sich an Bewährtem zu orientieren und überhaupt die politische Mitte wieder zu stärken.
Die SPD-geführte Ampelregierung in Berlin hat den Sozialdemokraten im Norden nicht geholfen. Doch ist die Wahlschlappe nicht in erster Linie in Olaf Scholz’ mitunter zögerlichem Agieren angesichts der russischen Aggression begründet. Vielmehr blieb Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller, der bis vor anderthalb noch das Parteibuch der Grünen hatte, blass und konnte bei den Bürgerinnen und Bürgern mit seiner Kampagne nicht durchdringen.
Die Wahlzettel in Schleswig-Holstein sind ausgezählt. Nun ist die bundespolitische Aufmerksamkeit auf Nordrhein-Westfalen gerichtet. Im bevölkerungsreichsten Bundesland sind die Wählerinnen und Wähler an diesem Sonntag aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Wie in Kiel steht in Düsseldorf mit Hendrik Wüst ein Christdemokrat zur Wiederwahl. Dieser beerbte Armin Laschet nach dessen erfolgloser Kanzlerkandidatur als Verwaltungschef von NRW und ist somit erst seit einem halben Jahr im Amt.
Die Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD voraus. Eine Fortsetzung der christlich-liberalen Koalition erscheint schwierig. Wahrscheinlicher ist ein Dreibündnis - Jamaika oder Ampel - mit starken Grünen.
Für die Scholz-Regierung in Berlin wäre eine Rückeroberung der einstigen sozialdemokratischen Hochburg immens wichtig. Die CDU kämpft hingegen um eine weitere Konsolidierung nach der verheerenden Bundestagswahl. Für den neuen CDU-Chef Friedrich Merz ist ein Erfolg in seinem Heimatland auch von persönlicher Wichtigkeit. Da kommt der aktuelle Rückenwind aus Kiel gerade wie gerufen.
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