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Im Blickfeld: Die Welt ist nicht genug

Von Nicole Klostermann*

China
(Foto: dpa/picture alliance)

Lange wurde er erwartet, der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas in Peking. Und umso schneller war er auch vergangenes Wochenende schon wieder vorbei. Nur alle fünf Jahre findet die akkurat durchgeplante Versammlung der einzigen Partei der Volksrepublik statt, und doch war dieses Mal vieles anders als die Jahre zuvor. Mit mehr Aufmerksamkeit wurde der Parteitag diesmal erwartet, und das lag hauptsächlich an zwei Gründen:

Während das Corona-Virus in der restlichen Welt mittlerweile mehr oder weniger zum Alltag gehört, hat die Pandemie die Volksrepublik noch fest in der Hand. „Null-COVID-Strategie“ heißt die immer noch währende Marschrichtung Chinas. Tritt irgendwo auch nur ein positiver Fall auf, drückt der Staat noch immer mit eiserner Hand rigorose Maßnahmen zur sofortigen Eindämmung durch.

Und des Weiteren kündigte Staatschef Xi Jinping an, die Verfassung so zu ändern, dass er von nun nicht wie seine Vorgänger nur zwei Amtsperioden regieren kann, sondern unbegrenzt und auf Lebenszeit als Präsident an der Spitze des Landes stehen kann. Neben Xi Jinping wurde ebenfalls die oberste Führungsriege der kommunistischen Partei bestätigt. Allesamt Vertraute und treue Gefolgsleute des Staatschefs.

Wohl kein Land der Welt entwickelt sich mit solch rasender Geschwindigkeit wie das Reich der Mitte. Was gestern noch galt, ist morgen Schnee von gestern. China ist auf dem rasanten Weg zur absoluten Weltmacht, modernste Technologie definiert jeden noch so kleinen Schritt im Alltag. Zusätzlich ist man in China gewohnt, sich zu fügen. Schon von klein auf lernen Kinder in der Schule uneingeschränkt zu gehorchen, das Wohl des Volkes steht über dem Wohl des Einzelnen. Die Frage nach dem „Warum?“ wird nicht gestellt. Unabdingbarer Gehorsam ist in China eine Tugend.

Xi Jinping hat mit dem jüngste Parteitag klar signalisiert, in welche Zukunft er das Land führt. Nichts als die Führung der Welt hat er im Visier. Und genau diese Kombination aus rasantem technologischen Aufstieg, gepaart mit der Hörigkeit des Volkes ist dafür eine perfekte Grundvoraussetzung.

Aber was ist mit der Pandemie, mag man sich fragen? Hätte das Land COVID nicht anders handhaben können und mittlerweile, wie fast alle Länder, die Grenzen längst wieder öffnen können? Vielleicht. Aber die erwähnte totale Kontrolle der Bevölkerung spielt dem diktatorisch geführten Regime perfekt in die Karten. Jeder Chinese verpflichtet sich, sich regelmäßig an öffentlichen Stellen auf COVID testen zu lassen. Das Ergebnis wird automatisch in einen digitalen Code übertragen, mit dem jeder Bürger sich zum Eintritt in sämtliche Einrichtungen wie Restaurants, Parks oder Gebäude einloggen muss. So kann der Aufenthaltsort eines jeden Chinesen nicht nur innerhalb kürzester Zeit exakt bestimmt werden, sondern der Bürger in Zweifelsfällen auch sofort in eine Zwangsquarantäne gesetzt werden.

Xi Jinping hat mit seiner nun auf unbegrenzt geltenden Amtszeit und der Auswahl seines Kernkabinetts ein deutliches Zeichen gesetzt. Er will China nach seiner Vision und seinem Plan zum wichtigsten Land der Welt machen. In der chinesischen Kultur sind Hierarchie und Gehorsam gegenüber den Führenden tief verankert. Erfahrung und Position werden nicht in Frage gestellt.

Xi Jinping macht die aktuelle Situation somit zu seinem Werkzeug. Er hat dem Land und seinen Bürgern die absolute Kontrolle übergestülpt, befeuert dabei immer wieder das Narrativ wie perfekt das Land durch die Pandemie geht und generiert somit einen unglaublichen Nationalstolz im Volk. Gleichzeitig ist durch strenge Zensur sämtlicher Zugang zu ausländischen Medien unterbunden, so dass anderslautende Informationen für die Bevölkerung schlichtweg nicht zugänglich sind. Mit der Gewissheit des absoluten Gehorsam von 1,4 Milliarden Menschen und einer sich im Galopp entwickelten Nation im Rücken, kann er es sich erlauben fordernd auf der Weltbühne aufzutreten. Niemand soll mehr an der Volksrepublik vorbeikommen, die wirtschaftliche und politische Vormachtstellung in der Welt ist das ultimative Ziel. Schon längst sind wir an einem Punkt angekommen, in dem das Reich der Mitte den Ton in der Welt angibt. China braucht die Welt, aber noch viel mehr braucht die Welt China.

„China wird seine Türen zur Welt weiter öffnen“, war eine der Kernaussagen des 20. Parteitages in Peking. Nur in welche Richtung diese Türen durchschritten werden, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass es sich nicht um ein gleichberechtigtes Ein- und Ausschreiten handeln wird. China wird und kann mittlerweile seine Regeln der Welt vorschreiben. Und längst muss sich der Rest der Welt diesen Regeln fügen. Allerdings wird auch eines immer deutlicher: Der Rest der Welt hat genau das noch nicht wirklich begriffen.

*Die ehemalige Tageblatt-Redakteurin Nicole Klostermann lebt heute in Guangzhou/ China.

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