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Im Blickfeld: Die perfekte Inszenierung

Von Wim van Geenen

CDU
Yvonne Magwas, der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet, Generalsekretär Paul Ziemiak und Silvia Breher sitzen beim digitalen Bundesparteitag der CDU auf dem Podium. (Foto: dpa)

Für Journalist*innen ist der Applaus auf Parteitagen ein kaum fehlbares Stimmungsbarometer: Der Beifall der Delegierten verrät meist schon vor der eigentlichen Abstimmung, wer es geschafft hat, eine Mehrheit hinter sich zu bringen. Minutenlanger Applaus und „standing ovations“ sind ein gutes Zeichen, müder Applaus spricht nur selten für eine Mehrheit. Anders war es beim diesjährigen digitalen CDU-Parteitag, der coronabedingt ohne Publikum auskommen musste. Für die Redner eröffnete das digitale Format neue Möglichkeiten der Selbstinszenierung; der Beifall kam jedoch vom Band. Medien und Beobachter*innen fiel es daher ungleich schwerer, die Stimmungslage einzuschätzen und eine Bewertung des Geschehens abzugeben. Hinzu kam, dass die CDU den Livestream des Parteitags selbst übertrug und dies im Sinne einer positiven Selbstdarstellung zu nutzen wusste - kein seriöser Nachrichtensender hätte während der Verkündung der Ergebnisse dramatische Musik eingespielt.

Nachdem die glücklose CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer im Nachgang der Thüringen-Wahl bereits vor Monaten ihren Rückzug angekündigt hatte, heißt der neue CDU-Vorsitzende nun Armin Laschet. Trotz widersprüchlicher Umfragewerte und einem eher knappen Wahlergebnis hat er sich durchgesetzt: Gegen zwei weitere männliche Kandidaten, die ebenso wie er aus Nordrhein-Westfalen stammen.

Gemessen an seiner Parteitagsrede war es ein verdienter Sieg. Während seine Konkurrenten weitestgehend abgegriffene Phrasen aus der Mottenkiste des Polit-Marketings bemühten, spannte Laschet den großen Bogen: Vom Sturm auf das Kapitol in Washington ging es über den weniger erfolgreichen Sturm der Corona-Leugner auf das Reichstagsgebäudes bis in den Stollen, in dem sein Vater als Bergmann arbeitete. Das zentrale Thema von Laschets Rede war „Vertrauen“ - inhaltlich wenig konkret, aber angesichts der innerparteilichen Fliehkräfte wohl das richtige Thema zur richtigen Zeit. Polarisieren könne jeder, man müsse stattdessen Klartext sprechen und verschiedene Positionen integrieren, so Laschet an einer prägnanten Stelle seiner Rede. Damit gelang ihm zweierlei: Eine klare Absage an Friedrich Merz und gleichzeitig ein Appell an all jene, die sich dem traditionellen Gedanken der „Volkspartei“ verpflichtet fühlen.

In der Tradition von Merkels „Sie kennen mich“ sagte Laschet schließlich mit einem Seitenhieb in Richtung Markus Söder: „Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung, aber ich bin Armin Laschet - und darauf können Sie sich verlassen.“ Die Aussage ist zum Teil falsch: Für den letzten Teil seiner Rede lehnte Laschet sich lässig ans Rednerpult und präsentierte die Bergmannsmarke seines Vaters, die dieser ihm laut eigener Aussage vor der Abfahrt als Glücksbringer mitgegeben habe. Das ist eine perfekte Inszenierung.

Die Konkurrenz gab dagegen ein mageres Bild ab: Während Friedrich Merz in seiner Rede ein weiteres Mal seinen inhaltlich wenig klaren Führungsanspruch betonte, versuchte Norbert Röttgen den Delegierten die wenig aussagekräftige Worthülse „Zukunftskompetenz“ als konkretes Programm zu verkaufen. Beiden Kandidaten war der Versuch gemein, sich mit thematischen Gemeinplätzen wie „Klimaschutz“, „Digitalisierung“ oder „Arbeitsplätze“ zu profilieren - als gäbe es von Linkspartei bis CSU noch irgendwen, der diese Themen nicht bespielen würde. Neben allen Erneuerungsversprechen war es nicht zuletzt das äußerst ungeschickte „feministische“ Statement von Friedrich Merz, das insbesondere in den sozialen Medien für Unmut sorgte: Die Vorwürfe eines antiquierten Frauenbilds wies Merz mit dem Hinweis zurück, er sei seit 40 Jahren verheiratet und hätte zudem zwei Töchter. Ein wahrer Vorkämpfer des Feminismus!

Als Partei kann die CDU mit dem Wahlergebnis zufrieden sein. Mit seinen Positionen hat Laschet gezeigt, dass er, anders als Friedrich Merz, den Zeitgeist verstanden und aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt hat: Er hat verstanden, dass es sich für konservative Parteien nicht lohnt, das rechtspopulistische Milieu durch Polarisierung integrieren zu wollen. Menschen mit Rechts-Außen-Gesinnung wählen „Originale“ wie die AfD und nicht eine CDU, die krampfhaft versucht nach rechts zu integrieren, aber dafür am „linken Rand“ Stimmen einbüßt und Wähler*innen zu den mittlerweile bürgerlichen Grünen vertreibt.

Um das Profil der CDU gegenüber anderen Parteien zu „schärfen“ wäre Friedrich Merz die falsche Wahl gewesen. Er hätte sich aller Voraussicht nach lediglich gegen ohnehin kommende Entwicklungen gewehrt. Ob Laschet die CDU wieder zu einer traditionellen „Volkspartei“ vereinen kann bleibt fraglich; vielleicht ist das aber auch gar nicht notwendig. Seitdem die „bürgerliche Mitte“ als Mythos enttarnt ist, hat die Nachfrage nach den Volksparteien des letzten Jahrhunderts ohnehin spürbar nachgelassen. Stattdessen könnte Laschet Angela Merkels Modernisierungskurs weiterführen und so vermeiden, dass die CDU irgendwann gänzlich der Überalterung zum Opfer fällt. Sollte es etwas wie einen „modernen Konservatismus“ geben, muss auch dieser erst inhaltlich bestimmt werden. Dabei muss Laschet liefern. „Ich bin Armin Laschet“ reicht nicht.

Auch im Hinblick auf die Bundestagswahl ist Laschet vermutlich die bessere Wahl, wobei die CDU dieses Mal weniger vor der AfD, als vor den Grünen zittern muss. Für eine Koalition mit den Grünen wäre ein (Vize-)Kanzler Laschet deutlich kompatibler - wenn nicht vorher Markus Söder aus der Deckung kommt. Wie sich Laschet bis zur Bundestagswahl schlägt, wird sich zeigen. Als Parteivorsitzender lediglich in der Peripherie des Machtzentrums Merkel zu agieren, war schon für seine Vorgängerin kein einfaches Spiel.


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