top of page
  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Im Blickfeld: Ampel statt Jamaika

Von Stefan Kuhn

Ampel
(Foto: dpa)

Jetzt sieht man in Deutschland etwas klarer. Am Mittwoch gaben Grüne und FDP bekannt, dass es mit der SPD Gespräche über die Bildung einer Ampelkoalition geben wird. Zuvor hatten Grüne und Liberale Gemeinsamkeiten ausgelotet und dann getrennt mit den Sozialdemokraten und mit den Unionsparteien verhandelt. Dass man jetzt gemeinsam Sondierungsgespräche mit der SPD begonnen hat, war eigentlich erwartet worden.

Der Hauptgrund ist zunächst, dass die drei Parteien deutlich an Stimmen hinzugewonnen haben. Es wäre mehr als missverständlich gewesen, wenn sich Grüne und FDP dem Wahlverlierer Armin Laschet zugewandt hätten. Auch die Stimmung in Deutschland befürwortet mit überwältigender Mehrheit eine Regierung aus SPD, Grünen und der FDP. 53 Prozent bevorzugen demnach die Ampel, nur 22 Prozent ein Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, Grünen und FDP. Selbst wenn ein solches Bündnis vom CSU-Chef Markus Söder geführt werden sollte, gibt es mit 37 zu 31 Prozent noch eine deutliche Mehrheit für die Ampel.

Der zweite Grund ist der Zustand der Unionsparteien. Deren Kanzlerkandidat Laschet ist mehr als angeschlagen. Er hat das historisch schlechteste Ergebnis der Unionsparteien zu verantworten. Er hat auf seiner Kandidatur bestanden, obwohl die Stimmung in beiden Parteien deutlich in Richtung Söder ging. Söder hat als Ministerpräsident Bayerns während der Corona-Pandemie ein wesentlich besseres Bild abgegeben als sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Laschet. Man kann davon ausgehen, dass die Union mit Söder am 26. September deutlich besser abgeschnitten hätte.

Viele hatten zudem erwartet, dass Laschet Konsequenzen aus der Niederlage zieht und zurücktritt. Doch der Kandidat redete den Sieg der Sozialdemokraten klein und brachte sich als Kanzler einer Jamaika-Koalition ins Gespräch. Natürlich ist es bitter für die Union, den Gang in die Opposition anzutreten, nachdem man 16 Jahre lang Regierungen angeführt hat. Aber es gibt nicht wenige Stimmen, die eine Erneuerung in der Opposition fordern. Noch ist Laschet CDU-Vorsitzender, doch die potenziellen Nachfolger scharren bereits mit den Füßen. Mit dabei sind Friedrich Merz und Norbert Röttgen, Laschets Gegner bei der Wahl zum Parteichef, aber auch Gesundheitsminister Jens Spahn.

Dazu kommen noch die Querschüsse aus Bayern. Markus Söder lässt, wie schon während des Wahlkampfes, keine Gelegenheit aus, Laschet zu schaden. Mit einer Partei, die sich selbst nicht einig ist, lässt sich kein Staat machen.

Ein weiterer Grund für die Ampel sind natürlich die Grünen. Es ist schon erstaunlich, wie einig sich die Partei während des Wahlkampfes gab. Es war deutlich, man wollte an die Regierung. Diesem Ziel hat sich die Partei untergeordnet. Mit Annalena Baerbock und Robert Habeck wurden 2018 erstmals zwei Politiker des Realo-Flügels an die Parteispitze gewählt. Das heißt allerdings nicht, dass das linke Spektrum der Partei nicht mehr existiert und kritiklos eine Koalition mit Union und FDP annehmen würde. Für die Grünen sind die Sozialdemokraten nach wie vor der natürliche Koalitionspartner, so wie für die FDP die Unionsparteien.

Allerdings hat die FDP bessere Gründe, sich für eine Koalition mit der SPD zu entscheiden als es umgekehrt bei den Grünen der Fall wäre. Das letzte Bündnis der Freidemokraten mit der Union, von 2009 bis 2013 endete im Desaster. Die FDP flog nach einem Rekordergebnis von 14,5 Prozent vier Jahre später aus dem Bundestag. Man wird sich bei den Liberalen fragen, ob sie in einer Jamaika-Koalition ihr Profil deutlicher schärfen können. In solch einem Bündnis wären die Grünen der Kontrapunkt, in einer Ampel die FDP. Zudem gibt es immer noch das Argument des Wählerwillens, den man aus dem Wahlergebnis herauslesen kann. Und nicht zuletzt könnten die Liberalen bei einer Ampel auch beweisen, dass sie nicht nur ein Anhängsel der Union sind.

Die Grünen bräuchten schon starke Argumente, um eine Koalition mit Union und FDP vor ihrer Basis zu rechtfertigen. Das müssen sie, denn über das Bündnis wird ein Parteitag oder eine Mitgliederbefragung entscheiden. Das haben die Sozialdemokraten zwar ebenfalls vor, aber wenn die Partei nach 16 Jahren wieder den Kanzler stellen kann, dürfte das reine Formsache sein.

Ein Argument könnte das Scheitern der Ampelgespräche sein. Die müssten allerdings an den Sozialdemokraten scheitern, und das ist wenig wahrscheinlich. Dass die Jamaika-Option noch offen ist, liegt wohl mehr daran, dass sie ein Druckmittel bei den Verhandlungen mit der SPD ist. Viele in den Unionsparteien haben das erkannt und stellen sich auf die Opposition ein. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vor allem die von Armin Laschet, dessen politische Karriere beim Zustandekommen einer Ampel beendet wäre.

Abgesehen von der Nähe der Grünen zu den Sozialdemokraten hat die Partei weniger Berührungsängste gegenüber der Union. In Baden-Württemberg führen die Grünen eine Koalition mit der CDU an. In Hessen regiert seit 2014 ein CDU-geführtes konservativ-grünes Bündnis. Obwohl es auch Landesregierungen gibt, in denen die Grünen mit der FDP zusammenarbeiten, etwa Jamaika in Schleswig-Holstein und eine Ampel in Rheinland-Pfalz, die großen Trennlinien bestehen zwischen den Grünen und den Liberalen. Deshalb war es äußerst klug, dass sich beide Parteien zunächst zu Zweiergesprächen getroffen haben, um auszuloten, ob man überhaupt gemeinsame Ziele hat. Das scheint der Fall zu sein, denn nun haben Gespräche mit der SPD begonnen.


0 visualizaciones
bottom of page