Auch 2023 Ampel im Stresstest
Berlin (dpa) - Die Ampel-Koalition hat ein turbulentes erstes Jahr hinter sich. Krisen bestimmten den Alltag, im rot-grün-gelben Bündnis hakte es immer wieder. Hoffnungen, dass es 2023 ruhiger werden könnte, dürfte Kanzler Scholz (SPD) nicht allzu viele haben. Voraussagen, wie sich der Ukraine-Krieg und damit die Lage in Deutschland entwickeln werden, sind schwer zu treffen. Und auch vier Landtagswahlen könnten die Berliner Regierungspolitik beeinflussen. Sollten sich die wirtschaftliche Lage verschlechtern, weitere Entlastungen nötig sein und der Streit über die Schuldenbremse neu aufflammen, dann könnte es ungemütlich werden in der Koalition.
Drei Pakete hat die Regierung 2022 geschnürt, mit Einmalzahlungen, Steuererleichterungen und günstigen Bahntickets. Ab März werden zudem die Preise für Strom und Gas für private Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen gedeckelt, für Januar und Februar ist eine rückwirkende Entlastung geplant. Für große Industrieverbraucher soll die Gaspreisbremse ab Januar greifen. Auch Verbraucher mit Öl- und Pelletheizungen sollen entlastet werden. Ob das ausreicht, um den Bürgern durch die hohe Inflation zu helfen, ist offen. Ein Schrumpfen der Wirtschaft ist nicht auszuschließen. Die vollen Gasspeicher könnten sich wieder leeren, die Preise somit weiter anziehen und die Lage noch kritischer werden.
Finanzminister Christian Lindner hat schon betont, dass er weitere Steuererleichterungen für nötig hält. Dabei hat der FDP-Chef aber eher Firmen im Blick. SPD und Grüne dagegen lassen durchblicken, dass sie notfalls auch für die Bürgerinnen und Bürger neue Hilfspakete schnüren wollen. Dennoch will Lindner die Schuldenbremse 2023 unbedingt einhalten.
Die für die Wärmeversorgung wichtigen deutschen Gasspeicher waren Ende November fast komplett gefüllt, die kalten Dezember-Tage haben den Füllstand zunächst deutlich sinken lassen. Zuletzt stieg er wieder leicht mit den milden Weihnachtstagen, lag aber noch erheblich unter der 90-Prozent-Marke. Die Betreiber der Gasspeicher setzen darauf, dass Deutschland „gut durch den Winter kommen“ wird. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, mahnt dennoch, nicht leichtfertig zu werden.
Und wie geht es beim Klimaschutz weiter? Die Ampel-Koalition war mit großem Klima-Ehrgeiz gestartet. Stand jetzt verfehlt Deutschland aber seine Klimaziele für das Jahr 2030 deutlich, urteilte der Expertenrat der Bundesregierung zuletzt. Die Bundesrepublik will ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 eigentlich um mindestens 65 Prozent senken im Vergleich zu 1990. Insbesondere im Verkehrsbereich klafft eine große Lücke. Diese wird sich mit dem geplanten Klimaschutz-Sofortprogramm nicht schließen. Die Regierung will daher beim Verkehr im ersten Quartal 2023 nachbessern. Das Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien will Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) mit weniger Bürokratie und schnelleren Verfahren beschleunigen. Bei Solaranlagen und Windparks auf See geht es laut Expertenrat noch zu langsam voran, bei Windparks an Land sehe es besser aus.
Wie 2022 haben auch im kommenden Jahr vier Landtagswahlen Potenzial, Unruhe in die Koalition zu bringen. Wegen zahlreicher Wahlpannen 2021 müssen in Berlin die Wahlberechtigten am 12. Februar erneut ihre Stimmen für Abgeordnetenhaus und Bezirksparlamente abgeben. Die Koalition aus SPD, Grünen und Linken kommt aktuell in Umfragen weiter auf eine Mehrheit. Nur könnten am Ende die Grünen die Nase vorn haben und Franziska Giffey von der SPD den Bürgermeisterposten streitig machen. Gut drei Monate später - am 14. Mai - folgt Bremen, wo Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gern wieder ins Rathaus einziehen würde. Derzeit führt er analog zur Hauptstadt ein rot-grün-rotes Bündnis.
Spannend wird es im Herbst in Hessen und Bayern. Für die Ampel-Koalition im Bund stellen diese Landtagswahlen eine Art Zwischenzeugnis zur Halbzeit der Legislaturperiode da. In Bayern ist der CSU-Traum, nach fünf Jahren Koalition mit den Freien Wählern wieder allein regieren zu können, derzeit noch in weiter Ferne. In Hessen regieren seit 2014 CDU und Grüne überwiegend konfliktfrei miteinander. Sollte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser zur SPD-Spitzenkandidatur in Hessen entscheiden, müsste Kanzler Scholz sein Kabinett umbilden.
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