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Hitlers Zauberer

Die deutsche Karriere des großen Kalanag

Von Oliver Pietschman

Schreiber
Er bespaßte Hitler und zauberte auch nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich weiter: Helmut Schreiber. (Foto: dpa)

Darmstadt - Er war ohne Skrupel, verschlagen und erfolgreich. Der Mann mit den „wieselflinken Händen“ zauberte vor der Elite des NS-Regimes und wurde nach dessen Untergang ein Weltstar. In seinem neuen, romanhaften Sachbuch „Der große Kalanag: Wie Hitlers Zauberer die Vergangenheit verschwinden ließ und die Welt eroberte“ beschreibt Malte Herwig den Aufstieg des Zauberkünstlers und Filmproduzenten Helmut Schreiber. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich mit seinen Tricks die Sympathie der Nazi-Elite erzaubert und nach dem Untergang des NS-Regimes seine eigene Nazivergangenheit fast ohne Hindernisse wie einen Mantel auszieht und eine fulminante neue Karriere startet. Es ist ein kurzweiliges Buch über Ehrgeiz, Machtwillen, Lüge, Intrige und Zauberei.

„Sein Talent als Zauberkünstler wurde nur noch von dem als Selbstdarsteller übertroffen“, schreibt Herwig. Schreiber wusste schon als Kind, dass er Zauberkünstler werden wollte. Mit 13 Jahren trat er bereits das erste Mal öffentlich auf. Der Name „Kala Nag“ stammt aus dem Dschungelbuch, ist von einem Elefanten und bedeutet so viel wie schwarze Schlange.

„Die Zauberkunst brachte er sich selbst bei, übte Stunde um Stunde vor dem Spiegel und war dabei strenger zu sich selbst als jeder andere es hätte sein können.“ 1919 sei er als jüngstes Mitglied in den Magischen Zirkel aufgenommen worden, einer Vereinigung von Zauberkünstlern. Schon Mitte der 20er Jahre sei er einer der eifrigsten Botschafter der Zauberkunst in Deutschland gewesen. Der Aufstieg Schreibers zum „Entertainer der NS-Gesellschaft“ sei steinig aber unaufhaltsam gewesen. Er zauberte vor Hitler, Rüstungsminister Albert Speer, Hermann Göring, Joseph Goebbels. Er war zu Gast auf dem Obersalzberg und Duzfreund von Hitlers Chefadjutanten Julius Schaub. 1939 trat er in die NSDAP ein, sei aber viel zu geschickt gewesen es auf eine Parteikarriere anzulegen.

„Solange die Sonne des Dritten Reiches schien, bräunte sich Schreiber im Glanz der NS-Kulturbürokratie. Ab 1945 war er weiß wie die Unschuld. Eine typisch deutsche Biografie, nur raffinierter als der Durchschnitt.“ Mit dem Untergang Nazi-Deutschlands sollte auch Schreibers NS-Vergangenheit möglichst schnell vergessen werden. Und gegen alle Widerstände, Vorwürfe und Anschuldigungen gelang es ihm, eine neue Karriere zu starten.

Kalanags Simsalabim-Revue habe in Bildern und Worten die Illusion der Stunde Null verkörpert. Mitte der 50er Jahre sei er auf dem Gipfel seines Erfolgs gewesen. Seine Show sah Prominenz aus aller Welt. Schreiber, der Herwig zufolge privat einen ausschweifenden Lebensstil pflegte, erlitt an Heiligabend 1963 seinen dritten Herzinfarkt und starb im Alter von 60 Jahren. (dpa)

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