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Historischer Spionage-Skandal

Adenauer ließ SPD-Spitze ausspähen

Konrad Adenauer
Konrad Adenauer (CDU) instrumentalisierte die Geheimdienste, um den politischen Gegner überwachen zu lassen. (Foto: dpa)

Berlin (dpa) - Der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer (CDU), hat nach Erkenntnissen des Historikers Klaus-Dietmar Henke fast zehn Jahre lang die SPD-Spitze ausspionieren lassen. „Es gab bei der SPD nichts, was ihn nicht interessierte. Der Parteivorstand wurde umfassend ausgeforscht“, sagte Henke „Zeit Online“. Er sprach von einem „Super-Watergate“. Die SPD reagierte entsetzt - Generalsekretär Kevin Kühnert forderte die CDU auf, die Vorgänge aufzuarbeiten.

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Wochenende unter Berufung auf Historiker Henke und historische Dokumente berichtete, ließ Adenauer die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten weitaus stärker ausspionieren als bislang angenommen. Einer von ihnen soll direkt in der SPD-Spitze gearbeitet haben. Fast 500 vertrauliche Berichte aus dem SPD-Vorstand seien so in das CDU-geführte Kanzleramt gelangt. Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte, sei über den Spitzel des Bundesnachrichtendienstes (BND) oft noch am selben Tag über Vorgänge in der Oppositionspartei informiert worden.

Nach Angaben der Zeitung geht dies aus Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung hervor, die Henke ausgewertet hat. Henke ist Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND. Die Konrad-Adenauer-Stiftung und eine Sprecherin der CDU wollten die Sachverhalte am Wochenende nicht kommentieren.

Befragt nach Parallelen zur Watergate-Affäre 1972 in den USA sagte Henke „Zeit online“: „Die Watergate-Affäre wurde 1972 durch den Einbruch in die Parteizentrale der US-Demokraten ausgelöst: US-Präsident Richard Nixon wollte dort Wanzen installieren lassen.“ Bekanntlich sei das alles hochgradig dilettantisch gelaufen. „Wollte man es daran messen, dann wäre das, was in Bonn passiert ist, ein Super-Watergate.“ Denn das, was in Washington keinen einzigen Tag lang funktioniert habe, habe in Bonn fast zehn Jahre lang geklappt.

SPD-Generalsekretär Kühnert sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Es ist ein ungeheuerlicher und in der bundesrepublikanischen Geschichte wohl beispielloser Vorgang, dass der erste demokratische Bundeskanzler seine Macht systematisch unter Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien ausbaute und festigte.“ Es sei heute zwar sinnlos, darüber zu spekulieren, inwiefern der Verlauf der Geschichte ohne diese massive politische Wettbewerbsverzerrung ein anderer gewesen wäre. Das mindere jedoch nicht die Sprengkraft der Erkenntnisse. Es müssten Geschichtsbücher und Biografien neu geschrieben und insbesondere „das Werk Adenauers in Anbetracht seines Missbrauchs des Auslandsgeheimdienstes neu eingeordnet werden“.

Dass Adenauer über seinen Staatssekretär Hans Globke und Reinhard Gehlen, den Leiter der nach ihm benannten Organisation Gehlen, innenpolitische Gegner überwachen ließ, war bereits bekannt. Das wohl prominenteste Beispiel ist der spätere SPD-Bundeskanzler Willy Brandt. Die nun ausgewerteten Dokumente offenbaren laut „SZ“ aber eine „neue Dimension“ der Spionage bei der politischen Konkurrenz.

So habe Adenauer etwa erfahren, was im SPD-Vorstand über den damals erwogenen Wechsel zum Mehrheitswahlrecht besprochen wurde - oder wer als SPD-Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl antreten würde. Auch die vertrauliche Mitteilung, dass der damalige Parteivorsitzende Erich Ollenhauer bei der Bundestagswahl 1961 nicht erneut als Kanzlerkandidat kandidieren wolle, erhielt Adenauer demnach zeitnah.

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