Zum 100. Geburtstag von Johannes Paul II.
Rom/Warschau (dpa) - Eine Gruppe hartnäckiger Gegner, die gegen den Pontifex Opposition macht? Gerade haben sich wieder die Gegenspieler von Papst Franziskus in Stellung gebracht und mit einem offenen Brief die Corona-Maßnahmen kritisiert und somit auch wieder gegen ihren „Chef“ gekeilt. So etwas hätte es unter Johannes Paul II. nicht gegeben. Unter dem Polen Karol Wojtyla war die katholische Kirche sich mehr einig - zumindest nach außen. Vergangenen Montag wäre er 100 Jahre alt geworden. Wie würde er auf die Kämpfe im Vatikan schauen, auf die Debatten zwischen „Konservativen“ und „Reformern“, die die katholische Kirche förmlich zerreißen?
Johannes Paul II. war nur 58 Jahre, als er 1978 den Stuhl Petri erklomm. Er war der erste Nicht-Italiener seit 455 Jahren. Er hatte eine magische Anziehungskraft, Anhänger bewunderten ihn für sein Charisma. Er feierte Messen mit so vielen Gläubigen wie vor ihm kein anderer. So lange wie er saß kaum einer auf dem Papst-Thron. Er reiste unermüdlich um die Welt, 104 Auslandsreisen waren es während seines 26 Jahre langen Pontifikats. Und er trug zur Überwindung des Kommunismus in den Ostblock-Staaten bei.
In seiner Heimat Polen wird er verehrt. „Wir lieben dich!“, skandierte die Menschenmenge stundenlang bei Wojtylas letztem Besuch in Krakau im Sommer 2002. Der 100. Geburtstag wird in Polen mit vielen Veranstaltungen gewürdigt - wegen der Corona-Epidemie findet vieles nur online statt. „Ein Großteil der Polen sieht in ihm vor allem den Polen. Dieser Aspekt ist eigentlich gar nicht so wichtig, aber es war für uns eben eine große historische Befriedigung“ sagt der Regisseur Krzysztof Zanussi, der 1981 den Film „Aus einem fernen Land“ über Wojtyla drehte.
Sein Tod war ein öffentlicher. Unvergesslich, wie der sterbenskranke Papst am Ostersonntag 2005 noch einmal vor die Menschen auf dem Petersplatz trat. Vor den Kameras der Welt nahm er einen verzweifelten Anlauf zu sprechen - und brachte doch nicht mehr hervor als ein hilfloses Röcheln. Sechs Tage später war er tot. In Krakau gingen die Menschen spontan auf die Straße - in Schwarz, als sei ein Verwandter gestorben. Fünf Millionen Pilger strömten zwischen Tod und Papstwahl nach Rom. Ein Rücktritt wie für seinen Nachfolger Benedikt XVI. wäre für ihn nicht in Frage gekommen.
Im Blickfeld: Gegen Corona kicken
Von Stefan Kuhn
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2011 wurde Johannes Paul II. selig, 2014 heilig gesprochen. Doch seine Anziehungskraft täuschte über das hinweg, was unter ihm keine Beachtung fand. Abertausende Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche blieben unbeachtet. Sie sollten die Kirche später in ihre schwerste Krise stürzen. „Er nahm, so sehr er persönlich sexuelle Gewalt durch Priester verurteilte, das Thema einfach nicht ernst genug und sah weg, wo er hätte hinsehen müssen“, sagte Autor Matthias Drobinski, der zum 100. Geburtstag die Biografie „Johannes Paul II. Der Papst, der aus dem Osten kam“ mit dem Osteuropa-Experten Thomas Urban veröffentlicht hat. „Der Schutz der Institution war ihm wichtiger als die Not der Opfer. Skandale, die dem Ansehen der Kirche schaden, sollte es nicht geben.“ So habe er seinen Nachfolgern ein schweres Erbe hinterlassen.
Nicht nur was den Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche angeht. Die Vatikan-Finanzen blieben ein undurchsichtiger Sumpf. Geldwäsche, Korruption, Fehlinvestitionen und Verstrickungen mit der Unterwelt gehörten dazu.
Hart widersetzte er sich jeder Debatte über eine Modernisierung der Kirche. Er hat zwar an der Überwindung des Kommunismus mitgewirkt, sich kompromisslos gegen den Irakkrieg eingesetzt und den Turbo-Kapitalismus verurteilt. Doch innerkirchlich sorgte er mit seinem konservativen Kurs für Stillstand. In Deutschland brachte er viele Katholiken gegen sich auf nach einem Streit mit der Deutschen Bischofskonferenz, die er zum Ausstieg aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung zwang.
Abtreibung verglich er mit dem Holocaust, Homosexualität verurteilte er, gegen Pille und Kondome wetterte er. Weihe für Frauen? Diskussion verboten. Diese Denkart setzte sein Nachfolger Joseph Ratzinger fort. Erst als Franziskus 2013 an die Kirchenspitze aufrückte, keimte Hoffnung auf Erneuerung auf. Doch Franziskus hat viele Katholiken enttäuscht. „Weil er sich scheut und auch nicht in der Lage ist, angekündigte Reformen auch mutig um- und durchzusetzen“, sagte Drobinski.
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