Sehr geehrte Leser:innen
Liebe österreichische Landsleute!
Die vergangenen beiden Jahre waren geprägt von der COVID-Pan-Epidemie und erlaubten keine Feierlichkeiten zu unserem Nationalfeiertag, zumindest keine großen. Wir fragten uns damals -versteckt hinter dem barbijo -, wann es denn wieder möglich sein wird, diesen Festtag gemeinsam, in großer Runde zu begehen. Damals konnten wir nicht ahnen, dass wir in diesem Jahr zwar wieder alle zusammenkommen können, uns aber zugleich in einer ganz anderen Welt wiederfinden würden. Dass wir vor einer weiteren Krise mit enormen globalen Folgen stehen würden, die sogar über jene der Pandemie hinausgehen.
Mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, mit den Versuchen des russischen Präsidenten mit Panzern und Raketen, mit illegalen Scheinreferenda, die Grenzen der Ukraine – ein unabhängiges und souveränes Land - neu zu ziehen, kehrte der Krieg nach Europa zurück. Damit wurde unsere Illusion zerstört, dass die Sicherheitsarchitektur, die wir nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geschaffen hatten, weiterhin Stabilität und Wohlstand garantieren und dass das europäische Friedensprojekt Kriege auf dem europäischen Kontinent verhindern würde. Am 24. Februar dieses Jahres wurden wir auf tragische Weise eines Besseren belehrt.
Doch wenngleich es sich dabei um einen Krieg in Europa handelt, und Ihnen hier möglicherweise als „weitentfernt“ erscheint, ist es dennoch kein europäischer, sondern ein Krieg globalen Ausmaßes. Russlands Führung hat, indem sie Nahrungsmittel und Energie als Waffe einsetzt, eine dreifache Krise in den Bereichen Energieversorgung, Ernährung und Finanzen (Inflation) heraufbeschworen von der laut der Global Crisis Response Group der Vereinten Nationen bereits 1,7 Milliarden Menschen weltweit betroffen sind. Das spüren auch viele Länder in Lateinamerika und das spüren auch Sie hier in Argentinien.
Dem russischen Narrativ, dass angeblich „der Westen“ Schuld am Krieg und an diesen negativen globalen Auswirkungen trage, müssen wir deshalb auch entschieden entgegentreten. Denn nein, es sind nicht die Sanktionen der Europäischen Union, sondern die Russische Föderation, die Millionen von bedürftigen Menschen auf der ganzen Welt in Armut und Hunger treiben und auch uns hier die Teuerung spüren lässt.
In Österreich erleben wir eine ungebrochene Solidarität für die Menschen in der Ukraine und unternehmen große Anstrengungen um das Leid der Zivilbevölkerung in der Ukraine zu lindern. Österreich hat humanitäre Hilfe im Ausmaß von mehr als 80 Millionen Euro geleistet und beteiligt sich laufend an internationalen Hilfsaktionen. Wir haben bislang über 980 Tonnen an Hilfsgütern in die Ukraine geliefert und waren der erste europäische Staat, der eine Luftbrücke aus Moldau für Vertriebene aus der Ukraine eingerichtet hat. Inzwischen haben mehr als 80.000 ukrainische Vertriebene in Österreich Zuflucht gefunden, mehr als 440.000 sind ins Land gekommen. Das zeigt deutlich, dass unsere uneingeschränkte Solidarität der Ukraine gilt.
Wenn wir am 26. Oktober den Österreichischen Nationalfeiertag begehen, dann gedenken wir der „immerwährenden Neutralität“, die 1955 vom Österreichischen Nationalrat beschlossen wurde und bis heute ein bestimmender Faktor in unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist. In den Jahrzehnten seitdem haben viele Entwicklungen diese Neutralität geprägt, geformt und weiterentwickelt, dazu zählen nicht nur der Kalte Krieg und dessen Ende 1989, sondern v.a. unser Beitritt zur Europäischen Union 1995 und nun auch der Krieg in der Ukraine. Österreich beteiligt sich seit dem EU-Beitritt solidarisch an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Das verpflichtet uns auch zu einer europäischen Solidarität und bedeutet heute, dass Österreich militärisch neutral ist und bleibt, aber nie politisch neutral sein wird, vor allem nicht, wenn es sich um einen massiven Bruch der Satzung der Vereinten Nationen und des Völkerrechts handelt. Wir stehen klar an der Seite der Ukraine und sprechen uns gegen den russischen Aggressor aus - und das steht völlig im Einklang mit der österreichischen Neutralität.
Ich stelle unsere Solidarität für die Ukraine heuer - an unserem Nationalfeiertag - bewusst und fast ausschließlich in den Mittelpunkt dieses Artikels. Das vor allem deshalb, weil uns dieser Krieg mit allen seinen schrecklichen Auswirkungen und immer neuen Bedrohungsszenarien in Österreich tagtäglich betrifft und die Menschen ungeheuer belastet. Ich hoffe sehr im kommenden Jahr „optimistische“ Themen kommentieren zu dürfen.
Auch in diesem Jahr beleuchtet die Stadt Buenos Aires am 26. Oktober wieder wichtige Monumente in Buenos Aires in rot-weiß-rot. Vielleicht kommen Sie ja an der Floralis Generica, dem Palacio Lezama oder der Usina del Arte vorbei und denken dabei an unseren Nationalfeiertag.
Abschließend möchte ich nicht verabsäumen Sie auf unsere Informationstätigkeit, Bekanntmachungen sowie Kulturveranstaltungen der Botschaft aufmerksam zu machen. Für nähere Informationen konsultieren Sie bitte unsere Social-Media-Seiten oder abonnieren unseren Newsletter:
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Die Aufgabenstellungen der Österreichischen Botschaft sind und bleiben vielfältig. Wir haben ein engagiertes Team, das stets bemüht ist Sie bei Ihren Anliegen zu unterstützen. Mein Dank gilt aber auch Ihnen, sehr geehrte Leser:innen, weil viele von Ihnen uns bei den zahlreichen Aufgaben, die bilateralen Beziehungen zu Argentinien, Uruguay und Paraguay zu stärken, auszubauen und zu festigen, so tatkräftig und unermüdlich zur Seite stehen.
Mit meinen besten Wünschen zum österreichischen Nationalfeiertag verbleibe ich mit einem herzlichen „Grüß Gott“.
Dr. Andreas Christian Melán
Österreichischer Botschafter in Argentinien, Uruguay und Paraguay
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