Vor 200 Jahren wurde Dostojewski geboren
Moskau (dpa) - Russland und die Welt feiern in diesen Tagen den 200. Geburtstag des literarischen Superstars Fjodor Dostojewski - Schöpfer bekannter Werke wie „Schuld und Sühne“, „Der Idiot“ und „Die Brüder Karamasow“. Lesungen, Theateraufführungen, Ausstellungen, wissenschaftliche Konferenzen und neue Literatur-
übersetzungen - allein in Dostojewskis Heimat Russland gibt es eine kaum überschaubare Zahl an Veranstaltungen. „Dostojewski wird noch heute gebraucht, damit der moderne Mensch wieder zu einem wahren Ich finden kann“, meint etwa der Literaturwissenschaftler Pawel Fokin.
In seinen Werken spürte Dostojewski menschlichen Abgründen nach. Der am 11. November 1821 in Moskau als Sohn eines Arztes aus dem verarmten Adel Geborene erlebte selbst Krankheit, Spielsucht, Todesangst und finanzielle Nöte. In jungen Jahren wurde er wegen seiner Nähe zu linksgerichteten Zaren-Gegnern zum Tode verurteilt. Der Schock ließ eine Epilepsie ausbrechen; die Todesstrafe wurde umgewandelt in jahrelange Verbannung unter Schwerverbrechern in Sibirien.
Wie kaum jemand sonst fand Dostojewski Worte für Seelenzustände in Extremlagen. Psychologen schätzen seine Charakterstudien als meisterhaft. Berühmt sind Romanfiguren wie der nach einem Mord von Gewissensbissen zerfressene Student Raskolnikow aus „Schuld und Sühne“ oder der hilflos naive „Idiot“ Fürst Myschkin. Als „wahren Geniestreich der Psychologie“ lobte Friedrich Nietzsche das Porträt eines Wutbürgers in den „Aufzeichnungen aus dem Untergrund“.
Erinnert wird auch daran, dass der Literat nach der Abschaffung der Leibeigenschaft in Russland Vertreter eines neuen Zeitgeistes war. Er bereiste den Westen, erlebte die Umbrüche in Europa, machte auch in Deutschland Station. Immer wieder und am längsten hielt es ihn in Dresden. Zwei Jahre lebte Dostojewski im „Florenz an der Elbe“, wo seine Tochter Ljuba zur Welt kam. Trotz der westlichen Einflüsse blieb Dostojewski ein vom russisch-orthodoxen Glauben geprägter Konservativer.
Dostojewski stand nach Alexander Puschkins (1799-1837) Tod für eine neue Klasse an Intellektuellen, die sich von einem aristokratisch geprägten Stil lösten, die Nöte und Ängste in der Gesellschaft aufgriffen. Sie „bringen sozialkritische Themen mit demokratischer Tendenz in die Diskussion ein“, schreibt Alexander Nitzberg, der zum 200. Geburtstag den Roman „Der Doppelgänger“ erstmals auf deutsch übersetzt hat. Da gebe es auch viel zu lachen, meint Nitzberg mit Blick darauf, dass der Autor in der atheistischen Sowjetunion lange Zeit verpönt war. In der kommunistischen Literaturkritik habe niemand einen Sinn für seinen „rabenschwarzen Humor“ gehabt.
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