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Gemischte Gefühle in Wien

Ein Jahr grün-konservative Koalition


Kanzler Kurz - Werner Kogler
Manchmal harmonisch, manchmal nicht: Österreichs ÖVP-Kanzler Kurz (r.) und Grünen-Chef Werner Kogler (l.). (Foto: dpa)

Wien (dpa) - „Unser Zugang ist: Koste es, was es wolle. Um österreichische Arbeitsplätze zu retten.“ Mit seinem frühen Bekenntnis zum öffentlichen Geldregen in der Corona-Pandemie hat Österreichs Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz schon im März ein zentrales Ziel seiner neuen Koalition aufgegeben. Sein international beachtetes Bündnis mit den Grünen sollte eine Fortsetzung von - nach deutschem Vorbild - Etatdisziplin und Schwarzer Null bringen. Stattdessen kletterte die Staatsschuldenquote 2020 laut Wirtschaftskammer von 70,5 auf 84,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Im ersten Jahr der Zusammenarbeit von konservativer ÖVP und Grünen - die Regierung war am 7. Januar vereidigt worden - zwang das Virus beide Partner zur Flexibilität. Für die Grünen war die neue Regierungserfahrung auf Bundesebene schon ohne Corona ein teils schmerzhafter, lehrreicher Prozess.

Das größte Dilemma entstand für die Grünen, die sich gern als Menschenrechts-Partei positionieren, im September mit der Diskussion über die Aufnahme von Flüchtlingskindern aus dem abgebrannten Lager Moria in Griechenland. Sie stimmten zur Enttäuschung mancher Anhänger im Parlament gegen die - eigentlich der eigenen Parteilinie entsprechenden - Anträge der Opposition zur Aufnahme von 100 Kindern. „Wenn wir dafür stimmen, begehen wir Koalitionsbruch“, sagte Fraktionschefin Sigrid Maurer damals.

Auch beim Themenkatalog für den Ibiza-Untersuchungsausschuss und den geplanten Anti-Terror-Maßnahmen nach dem islamistischen Anschlag in Wien, die die Möglichkeit einer lebenslangen Verwahrung für radikale Islamisten vorsehen, haben die Grünen wohl zur Überraschung vieler Anhänger die ÖVP-Linie mitgetragen. „Die grüne DNA wurde mehrfach verletzt“, bilanziert der Politikberater Thomas Hofer.

Doch geprägt hat das erste Jahr der neuen Regierung naturgemäß die Corona-Krise. „Das Jahr war fremdgesteuert“, so Hofer. Der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober wurde zeitweise der neue Star der Regierung, aber dann erfüllten weder die Corona-App noch die Corona-Ampel als differenziertes regionales Warnsystem die Erwartungen. Die anfangs im Vergleich mit anderen Ländern so günstigen Corona-Infektionszahlen stiegen vor wenigen Wochen dramatisch an. Nun soll es ein dritter Lockdown richten.

Für die Grünen hat sich die erste Regierungsbeteiligung auf Bundesebene bislang als zweischneidiges Schwert erwiesen. Bei der Vorstellung der Koalition hatten Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler „das Beste aus beiden Welten“ versprochen: „Es ist möglich, das Klima und die Grenzen zu schützen“, betonte Kurz damals. Ein Jahr danach steht die Koalition - trotz aller Probleme - in Umfragen immer noch sehr gut da. Die ÖVP übertrifft mit 40 Prozent sogar ihr Ergebnis bei der Wahl (37,5 Prozent). Das liege auch an der anhaltenden Schwäche der Opposition, meint Hofer.

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