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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Geht die Erholung von 2021 auch 2022 weiter?

Von Juan E. Alemann

Das Bruttoinlandsprodukt ist 2020 um ca. 10% zurückgegangen und hat dies 2021 aufgeholt, so dass der Ausgangspunkt für 2022 etwa dem BIP von 2019 entspricht. Zwei verlorene Jahre, wegen Pandemie und wirtschaftspolitischen Fehlern, in denen es jedoch zahlreiche strukturelle Änderungen gegeben hat, auch Investitionen stattgefunden haben, und beides stellt Impulse für 2022 dar. Dennoch wird für das kommende Jahr zunächst mit einer BIP-Zunahme von bestenfalls 3% gerechnet. Die Ökonomen gehen davon aus, dass der sogenannte Springfedereffekt dieses Jahr aufhört. In der Tat sind schon Zeichen in diesem Sinn aufgetaucht: der Index der Industrieproduktion des INDEC lag im Oktober um 5,7% unter September. Eine Sache ist es, einen Rückgang aufzuholen, der durch besondere Umstände bedingt war, und etwas anderes ist es, darüber hinaus zu wachsen.

Die Entwicklung des Jahres 2022 hängt zunächst vom Abschluss des Abkommens mit dem IWF ab. Solange es nicht unter Dach und Fach ist, steht alles still. Die Unternehmen schieben Entscheidungen über Investitionen und neue Initiativen hinaus, und zahlreiche öffentliche und private Investitionsprojekte, die zum Teil mit Auslandsfinanzierung zählen, zum Teil auch mit Krediten der Weltbank, der BID u.a. Banken, stehen vorerst auf der Warteliste. Das Abkommen hätte schon vor über einem Jahr abgeschlossen werden können. Die Verzögerungen, die zum großen Teil auf die interne Auseinandersetzung der Regierung und zum anderen Teil auf Unfähigkeit von Wirtschaftsminister Guzmán zurückzuführen sind, wirkten als Bremse der Konjunktur. Gemäß letzter Information, wird es bestenfalls erst Ende Januar zu einem Absichtsabkommen kommen, und erst im März oder April zu einem effektiven Abkommen.

Am Freitag vergangener Woche ist noch die Brandrede von Cristina hinzugekommen, die ein großes Fragezeichen stellt. Ihre Äußerungen wurden zunächst von politischen Kommentatoren als ein Bruch mit dem Fonds interpretiert, was bedeutet, dass es kein Abkommen gibt. Doch bei einer kühleren Analyse wurde dies danach so interpretiert, dass Cristina zeigen will, dass die Regierung in den wesentlichen Punkten ihren Standpunkt durchsetzt, sich also nicht so passiv verhält, wie es gemäß ihrer eigenartigen Darstellung bei vorangehenden Abkommen mit dem IWF der Fall war. Sie will damit dem Fondsabkommen angeblich eine politische Rückendeckung geben. Als Cristina sprach, war schon bekannt geworden, dass es der Mission von Fachbeamten, die in Washington mit den Fondsfachleuten gesprochen hat, nicht gut gegangen ist. Der Fonds fordert mehr als gute Absichten: er will konkrete Entscheidungen haben, die die Staatsausgaben real stark verringern, und gerade das fällt politisch schwer. Die Regierung muss somit mehr nachgeben, doch das soll angeblich durch die harten Worte von Cristina vertuscht werden. Hoffen wir, dass dies die korrekte Interpretation ihrer Brandrede ist.

Cristina bestand darauf, dass die Regierung kein Abkommen unterzeichnen werde, das eine rezessive Wirkung habe. Das Abkommen müsse auf alle Fälle mit Wachstum vereinbar sein. Nun ist es jedoch so, dass die argentinische Wirtschaft ohne Abkommen nicht wachsen kann, während mit einem Abkommen, das eine starke Senkung des primären Defizites vorsieht, Staatsausgaben real verringert und allgemein eine vernünftigere Wirtschaftspolitik einleitet, ein unmittelbares Wachstum zu erwarten ist. Die verpönte “Anpassung” (ajuste) kommt so oder so: wenn sie geordnet und rationell erfolgt, ist die Wirkung auf die Wirtschaft gering, und kann sogar durch das Wachstum, dass danach eintreten sollte, mehr als ausgeglichen werden, während eine ungeordnete Anpassung (wie die von 2002) hohe wirtschaftliche und soziale Kosten hat. Leider erklärt die Regierung dies nicht.

Gehen wir jetzt auf die Faktoren über, auf denen sich die Hypothese des Wachstum der Wirtschaft im Jahr 2022 stützt. Positiv ist zunächst die Entwicklung der Landwirtschaft. Das Wetter, das einen entscheidenden Einfluss hat, war in letzter Zeit günstig, mit Regenfällen, die den Weizen in seiner letzte Phase begünstigten, und bei Mais und Sojabohne in der wichtigsten Entwicklungsperiode eintraten. Die Börse von Rosario rechnet jetzt mit einer Weizenernte von 22,1 Mio. Tonnen, was einen absoluten Rekord darstellt. Einmal wurden 6,9 Mio. Hektar mit Weizen gesät, 100.000 mehr als im Vorjahr, die höchste Fläche in 19 Jahren. Und dann waren die Erträge anormal hoch, was besonders auf den Einsatz von Düngemitteln bei kleineren Landwirten zurückzuführen ist, die in dieser Beziehung zurückgeblieben waren. Auch wirkt sich hier der technologische Fortschritt der Landwirtschaft aus, der in besserem Saatgut (zum Teil genetisch verändertem) und besseren Anbaumethoden zum Ausdruck kommt. Jetzt wird beim Weizen ein Exporterlös von u$s 4 Mrd. erwartet, der sich mit u$s 2,4 Mrd. im Vorjahr vergleicht.

Wenn keine unerwartet strenge Dürre eintritt, kann man somit gesamthaft mit einer Rekordernte von etwa 150 Mio. Tonnen rechnen, Da die internationalen Preise weiter gut sind, und eine hohe Nachfrage von China u.a. asiatischen Staaten besteht, kann erwartet werden, dass Getreide, Ölsaaten und deren verarbeitete Produkte (Speiseöl und Sojamehl) mindestens u$s 10 Mrd. mehr als im Vorjahr zum Export beitragen. Und wenn die Regierung davon Abstand nimmt, den Rindfleischexport weiter zu hemmen, käme noch ein höherer Export von Rindfleisch hinzu. All dies bedeutet, dass die Landwirte mehr Sachgüter und Dienstleistungen beziehen, was der Konjunktur einen bedeutenden Schub gibt. Die Industrie der Maschinen für die Landwirtschaft spürt diesen Aufschwung der Landwirtschaft schon seit Monaten, und beklagt sich über Mangel an Zubehörteilen, was ihre Lieferungen beschränkt.

Somit wären die Bedingungen gegeben, um die Zahlungsbilanz verwalten zu können, ohne dass es zu einer Megaabwertung kommt. Die restriktive Importpolitik dürfte dennoch verbleiben, umso mehr als auch der IWF für die Schaffung eines Devisenpolsters eintritt und die entsprechende Geldschöpfung nicht beanstandet. In der Tat würden effektiv verfügbare Devisenreserven von u$s 20 Mrd. den Druck auf den Devisenmarkt verringern, was auch den freien Kurs nach unten drückt. Doch um dies zu erreichen, fehlt noch viel. An erster Stelle müsste die Regierung verstehen, dass die Exporterhöhung absolute Priorität vor anderen wirtschaftspolitischen Zielen hat. Und dann müsste zunächst ein doppelter Devisenmarkt eingeführt werden, mit einem Markt mit verwaltetem Kurs für den Außenhandel und einem freien Markt für Kapitaltransaktionen, Tourismus u.a. Transaktionen. Wenn dies mit gezielten Weißwaschungen begleitet wird, entsteht dabei auch ein bedeutender Wachstumsimpuls. Wenn dies nicht verstanden wird, wird die Erholung erheblich schwieriger sein.

Die Industrie hat schon in vielen Einzelfällen von der Hemmung der Importe Kenntnis genommen. Es wurden geschlossene Fabriken von Sportschuhen wieder in Gang gesetzt, und es wurde die Produktion von Zubehörteilen für Industrieprozesse eingeleitet, die bisher importiert wurden. Bei der Kfz-Industrie gab es mehrere Fälle. Doch auf der anderen Seite hemmt der Mangel an importierten Zubehörteilen die lokale Produktion.

Produktionsminister Matías Kulfas setzt auf eine Politik vereinzelter Wachstumsimpulse für einzelne Bereiche, denen Steuervergünstigungen und Kredite mit subventionierten Zinsen versprochen werden. Das mag, wenn es erfolgreich ist, der Konjunktur einen Ansporn geben, reicht aber nicht entfernt aus, damit die Wirtschaft gesamthaft wächst. Bei dieser Politik muss die Regierung engen Kontakt mit der Unternehmerschaft haben, um bei der Überwindung von Engpässen und Lösung konkreter Problemen zusammenzuarbeiten. Kulfas ist ein guter Minister, der dies verstanden hat. Die Zusammenarbeit von Staat und Privatwirtschaft ist ein Grundkonzept der Wirtschaftspolitik, das Präsident Alberto Fernández auch zu verstehen scheint, aber Cristina nicht ganz (eigentlich nur bei K-Unternehmern) und die radikalisierten Gruppen des Patria-Institutes und der Cámpora noch weniger. Denn für diese, die in marxistischen Kategorien denken, sind die Unternehmer die Feinde, die sich auf Kosten der Arbeiter bereichern.

Präsident Alberto Fernández und Cristina Fernández sollten sich klar bewusst sei, dass das Fondsabkommen keine Rezession herbeiführt, sondern, im Gegenteil, erlaubt, die bestehende zu überwinden und einen langfristigen Wachstumskurs einzuleiten. Ob und wie weit dieser effektiv eintritt, hängt nicht vom IWF ab, sondern von der Regierung und verschiedenen Umständen, wie die Beherrschung der Inflation und die Reaktion der Unternehmer. All das sollte die Regierung jetzt erklären, um zu vermeiden, dass politische Hindernisse beim Abschluss des Abkommens auftreten.


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