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Gefährlicher Paartanz

Corona-Streit in Tango-Szene

Von Florencia Martín

Tango
In Castelar wird mit Maske Tango getanzt. (Foto: dpa)

Buenos Aires - Da ist ein Leuchten in ihren Augen. Beseelt schwingen sie über die Tanzfläche, umarmen sich innig. Nach fast einem Jahr Corona-Pause wird in Buenos Aires wieder Tango getanzt - mit und ohne Maske. Angst vor dem Virus? „Gar nicht“, sagt Flavio. „Tango gibt mir alles, was meine Gesundheit braucht“.

So locker sehen das nicht alle in der argentinischen Hauptstadt. Ein tiefer Riss geht durch die Tango-Szene: Auf der einen Seite stehen jene, die trotz der Gefahr nicht mehr länger auf ihr Hobby verzichten und wieder tanzen wollen. Auf der anderen Seite sind die, die lieber auf Nummer sicher gehen und die Tanzschuhe noch im Schrank lassen.

„Das ist doch eine Frage von Leben und Tod“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Verbands der Veranstalter von Tango-Tanz-Abenden (AOM), Omar Viola. „Beim Tango geht es um eine Begegnung, eine Umarmung, ein Spiel mit dem Anderen und Intimität.“ Bis zur Beginn der Ausgangsbeschränkungen im März 2020 organisierte er die Milonga Parakultural, seit dem bleibt der Salon geschlossen. „Wir als Veranstalter müssen jetzt sozial verantwortlich agieren.“

Nicht alle sind Violas Meinung. „Die neue Normalität können sie sich sonst wohin stecken“, schimpft Pablo Etcheverry. Der Veranstalter der bekannten Freiluft-Milonga in der Glorieta de Belgrano versteht sich jetzt als Anführer eines „Tangos des Widerstandes“. „Jeder soll selbst entscheiden, welchem Risiko er sich aussetzt. Vielleicht will eine ältere Frau lieber aufgrund einer Unterhaltung sterben als alleine in ihrer Wohnung.“

Etcheverry befürchtet, dass Tänzer durch das Tango-Verbot in eine Depression stürzen. Viele sehen den Tango als Gesellschaftstanz, als Mittel der Kommunikation, als Weg aus der Einsamkeit. „Wir sind Dissidenten der neuen Normalität. Wir sind absolut gegen die Aktionen des Gesundheitswesen als neue Inquisition“, sagt Etcheverry. Zuletzt marschierte tatsächlich die Polizei in einem Park im Stadtteil Belgrano auf und löste seine Freiluft-Milonga auf. Nun sammelt die Gruppe Unterschriften für eine Petition auf Change.org.

„Gegen was lehnt sich diese Widerstands-Milonga auf? Gegen das Virus?“, fragt Viola. „Der Aufruf zum Tango-Tanz ist egoistisch. Jeder darf die eigene Gesundheit aufs Spiel setzen, aber er kann ja auch das Virus übertragen, ohne es zu wissen.“ An einem normalen Tangoabend werden vier Tangos mit einer Person getanzt, und zwar Wange an Wange. Dazwischen wird kurz geplaudert und danach wird der Partner für die nächsten vier Tangos gewechselt.

Für Tango-Lehrer, Veranstalter und DJs war 2020 ein katastrophales Jahr. Während der langen Monate der Quarantäne suchten sie nach Alternativen: Wer nicht von seinem Erspartem oder einem Zweitjob leben konnte, organisierte Zoom-Tanzabende, Tango-Jams, Unterricht per Streaming und Online-Festivals. Trotz alldem konnten sich manche nicht über Wasser halten. So musste der Ballsaal Obelisco Tango zuletzt schließen. Auch die international bekannte Tanzschule DNI Tango hat die Corona-Krise nicht überlebt.

Eugenia Martinez gibt wieder Tanzstunden, allerdings unter besonderen Regeln. „Maximal sind es 15 Teilnehmer, und sie üben allein, nicht zu zweit“, sagt die Tango-Lehrerin, die im vergangenen Oktober selbst an Covid-19 erkrankt war. Sollte die Zahl der Infektionen wieder zunehmen, könnte es mit dem Unterricht aber auch ganz schnell wieder vorbei sein.

In Castelar kommen jeden Sonntag über 100 Menschen zu einer Milonga in der Fußgängerzone zusammen. Inspekteure des Stadtbezirks kontrollieren die Einhaltung des Protokolls und entscheiden wöchentlich, ob dort weiter getanzt werden darf oder nicht. „Am Abend der Wiedereröffnung haben Menschen beim Tanzen vor Freude geweint“, erzählt Ruben Malaver, der diese Abende organisiert.

Die Musik schallt durch die Straßen, Menschen schauen von ihren Balkonen auf die Tanzrunde, die umliegenden Bars stellen ihre Tische raus. Der Tango lässt das Elend der vergangenen Monate für ein paar Stunden vergessen. „Wir achten ganz genau auf die Anti-Corona-Maßnahmen, listen alle Teilnehmer und ihre Kontaktdaten auf und ermahnen diejenigen, die ihre Maske vergessen oder nicht ganz richtig tragen“, sagt Malaver.

Aida besuchte vor der Pandemie mit ihrem Mann zwei- bis dreimal pro Woche eine Milonga. „Wir können es nicht länger ertragen. Wir haben das ganze Jahr lang sehr daran gelitten“, sagt die 65-Jährige. Trotzdem verzichtet das Paar nun auf seine geliebten Tanzabende - zu groß ist das Risiko, dass ein Tango in der Corona-Pandemie ihr letzter Tanz sein könnte. (dpa)

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