Die thüringische Heimat der Christbaumkugel
Von Alexandra Frank
In Lauscha wurde die Christbaumkugel erfunden: Hier im Thüringer Wald entsteht seit mehr als 170 Jahren gläserner Weihnachtsschmuck. Bis heute wird die Tradition in den Familien weitergegeben.
Lauscha - In Lauscha wird Weihnachten gefeiert. Die Lichter am Tannenbaum brennen, glänzende Kugeln hängen über hübsch drapierten Geschenken. Für die Adventszeit ein vertrauter Anblick. Aber hier, im Thüringer Wald, wird nicht nur im Dezember an Weihnachten gedacht, sondern auch an Ostern, zum Sommeranfang und beim Erntedankfest.
So auch bei Helmut Bartholmes, Inhaber der Glasbläserei Thüringer Weihnacht. "Schon im Januar beginnen wir mit der Planung für das nächste Weihnachtsfest", sagt er und wirft einen Brenner an. Sachte führt der 61-Jährige einen Glaskolben in den fauchenden Feuerstrahl und dreht ihn am anderen Ende, bis das Glas flüssig wird.
Dann ist Erik an der Reihe, sein siebenjähriger Enkel, der auf seinem Schoß sitzt. Vorsichtig beginnt das Kind zu pusten, bis sich - wie bei einer Seifenblase - eine Kugel aus Glas bildet. Eine Weihnachtskugel. So wird in der Region rund um Lauscha im Thüringer Wald schon seit dem 19. Jahrhundert die Glasblastradition von einer Generation an die nächste weitergegeben.
Christbaumkugel aus der Not erfunden
Schon um 1755 wurden am Rennsteig im südlichen Thüringer Wald hohle Glasperlen produziert, die als Schmuck oder Spielzeug dienten. Ab 1820, nach der Einführung des Blasebalgs, gelang es Handwerkern, größere Teile zu blasen.
Einer Legende nach war es einige Zeit später ein armer Glasbläser, der die Christbaumkugel erfand: Weil er kein Geld für teure Nüsse und Äpfel hatte, dekorierte er seinen Weihnachtsbaum aus der Not heraus mit selbstgeblasenen Kugeln und anderem Glasschmuck.
"Hier wurde die Weihnachtskugel erfunden", sagt Gerhard Greiner-Bär. Er forscht zur Geschichte dieser Tradition und trug dazu bei, dass die Handwerkskunst aus Lauscha seit März 2021 zum Immateriellen Kulturerbe gehört. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden hier Kugeln geblasen, anderer Christbaumschmuck wie Vögel, Baumspitzen, Glocken, gläsernes Obst oder Tropfen kamen dazu.
1880 war ein entscheidendes Jahr: Der amerikanische Handelskonzern Woolworth stieg in das Weihnachtsschmuckgeschäft ein und lieferte riesige Mengen filigraner Werke von Thüringen nach Übersee. Später, zu DDR-Zeiten, produzierten 1300 Mitarbeiter für den VEB Thüringer Glasschmuck, Baumschmuck fürs In- und Ausland.
Spezialitäten aus dem Familienbetrieb
Bis heute wird der Lauschaer Christbaumschmuck von familiengeführten Handwerksbetrieben in der Region zwischen Masserberg und Sonneberg weiter produziert, auch wenn der Konkurrenzkampf gegen Billigmassenware aus China und anderen Teilen der Welt dem Handwerk zugesetzt hat. "Heute gibt es noch rund 15 bis 20 Familienbetriebe, die Baumschmuck blasen", schätzt Greiner-Bär. "Und jeder braucht seine eigene Nische, um mithalten zu können."
So ist die Spezialität von Veit Hartleb nicht die klassische Christbaumkugel, sondern nostalgischer Schmuck und ungewöhnliche Unikate. Bei seinen Entwürfen setzt er auf eine Mischung aus Jung und Alt. "Oft schaue ich in Kinderbüchern oder auch im Internet bei Pinterest nach Inspiration", sagt er. Doch genauso häufig benutzt er alte Keramikformen seines Großvaters, die neben anderen handtellergroßen Vorlagen im Regal seiner Werkstatt stehen.
Auch Helmut Bartholmes hat neben den klassischen Kugeln Besonderheiten in seinem mehr als 3000 verschiedene Artikel umfassenden Sortiment. Und auch Kugel ist nicht gleich Kugel. Manche werden mit einer Vertiefung versehen, die Bartholmes mit einem Keramikstempel ins heiße Glas drückt. Andere bekommen im weiteren Verarbeitungsprozess das gewisse Extra.
"Bei uns vor der Tür steht das ganze Jahr über ein riesiger, bunt geschmückter Weihnachtsbaum", sagt Bartholmes. Doch die meisten kommen in der Adventszeit, wenn nicht nur die Region um Lauscha, sondern ganz Deutschland dem Weihnachtsfest entgegenfiebert. (dpa/tmn)
Info:
Commenti