„Pegaso“: Ein Projekt von Freunden wird zum Erfolg
Von Catharina Luisa Deege
Buenos Aires (AT) - Er ist ein richtiger Dreckskerl. Kneift seiner Assistentin in den Po, zündet sich eine Kippe nach der anderen an und ist arrogant wie eh und je. Er wirkt gestresst - schließlich ist seine Fernsehshow kurz davor, abgesetzt zu werden. „Pegaso TV“ scheint seinen größten Sponsor zu verlieren. Die Stimmung im Studio ist angespannt: Produzenten, Moderatoren und Moderatorinnen, Regieassistenten, sie alle müssen eine bestimmte Einschaltquote knacken, damit es weitergeht mit der Arbeit, die für einige alles bedeutet.
„Pegaso“ (deutsch: Pegasus), geschrieben von Federico Pezet und Eliane Rymberg, die ebenfalls auf der Bühne als Darstellende zu sehen sind, gibt einen Blick hinter die Kulissen der argentinischen Fernsehwelt Ende der Neunzigerjahre. Einerseits wird mit geschicktem Lichtspiel, Musik und Soundeffekten in dem etwa zweistündigen Werk eine Fernsehshow imitiert, und andererseits sieht der Zuschauende was passiert, wenn die Kameras aus sind.
Und das ist eine ganze Menge, denn am Ende des Tages sind die Personen, die im Fernsehen für wirbelnd-gute Laune sorgen auch nur Menschen mit Problemen und Sorgen. So ist etwa der „Pegaso“-Produzent Darío (Agustín Framento) in eine Affäre mit seiner Assistentin Mecha (Abril Suliansky) verstrickt, während Moderator Cristian (Federico Pezet) mitten in der Scheidung von seiner langjährigen Ehefrau steckt und prompt im TV-Studio nächtigt. Seit 15 Jahren soll er das Gesicht der TV-Show sein, die eine Mischung aus Reality-TV, Reklame und Berichterstattung ist. Der Untergang von „Pegaso TV“ würde ihm das letzte bisschen Boden unter den Füßen wegreißen.
Eine italienische Schauspielerin (Micaela Brillo), von den anderen nur „La Tana“ genannt, die als nostalgisches Schmuckstück während der Show jeweils hinten Platz nimmt, hält sich auch während der Diskussionen nach und vor den Live-Übertragungen stets zurück. Doch sorgt gerade sie am Ende für die größte Überraschung.
Berühmt wie einst „La Tana“ möchten auch Román, Mädchen für alles, und Chofi, die gemeinsam mit Cristian moderiert, sein. Sie flüchten zusammen in eine Traumwelt, bis sie unsensibel dabei unterbrochen werden. Nicht zu vergessen ist Vinchu (Eliane Rymberg): Die impulsive und leicht neurotische Art der Technikerin gibt dem Ensemble die perfekte Prise Wahnsinn.
Jedem einzelnen der Charaktere gewähren die Autoren Pezet und Rymberg in dem Skript genug Platz, um einen Einblick in ihre Gefühlswelt zu bekommen. Durch die ausgefeilten und oft sarkastischen Dialoge und das großartige Schauspiel ist schnell klar, welche Rolle welchen Platz einnimmt. Trotzdem ist „Pegaso“ keinesfalls vorhersehbar: Überraschungen gibt es jede Menge und während einer der Fernsehaufzeichnungen stockt einem regelrecht der Atem.
Die Art und Weise, den Saal des Theaters „El método Kairos“ in Palermo (El Salvador 4530) zu nutzen, überwältigt (Bühnenbild: Hugo Sciaini, Nadina Fushimi, Licht: Samir Carrillo). In Windeseile verwandelt sich die kleine Bühne in ein glaubwürdiges Fernsehstudio der Neunzigerjahre.
Doch den mit Abstand meisten Applaus verdienen sich neben Regisseur Pablo Cusenza die sieben Darsteller und Darstellerinnen. Sie sind ein eingespieltes Team, technisch blitzschnell, leisten sich keine Momente der Verwirrung oder Unkonzentriertheit, tanzen, singen, spielen Gitarre, toben auf der Bühne herum und sind wahrhaftig stimmgewaltig.
Niemand ist schwächer als der oder die Andere und versucht zwanghaft herauszustechen, alle geben einhundert Prozent. Man merkt, dass sie sich auch im Privaten gut verstehen. Denn das ist „Pegaso“ eigentlich: Eine Produktion von befreundeten, jungen, kreativen Menschen, die etwas Eigenes auf die Beine stellen wollten; und sich nun in das beste Theaterstück, was derzeit in Buenos Aires zu sehen ist, verwandelt hat.
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