Fischen zwischen den Weinbergen
Von Mona Contzen
Vom Fang bis zum fertigen Gericht kann man bei Thomas Weber an der Mosel miterleben, was den Fischer-Beruf ausmacht. Es ist Teil eines erhofften Imagewandels der Region - und der Fischerei.
Trittenheim - Thomas Weber schrieb an seiner Abschlussarbeit, als er merkte, dass dieses Leben, das stundenlange Sitzen vor dem Computer, nichts für ihn ist. Er entschied sich für Gummistiefel und einen Knochenjob. Jetzt ist der 35-Jährige Rheinland-Pfalz‘ jüngster Moselfischer und einer, der den Beruf in die Zukunft führen will.
Schon um sieben Uhr früh fährt Thomas Weber mit seinem kleinen Motorboot raus auf die Mosel, um seine Netze zu stellen. Die Luft riecht frisch, der Fahrtwind pustet den Kopf frei, die Wellen klatschen rhythmisch gegen den Rumpf.
Hier draußen, zwischen Weinbergen und Wasser, ist viel Platz für Ideen. Hier fiel ihm auch der "Erlebnistag mit dem Moselfischer" ein, an dem Touristen mit auf den Fluss fahren, tatkräftig mit anpacken und am Ende den Fang natürlich auch essen dürfen.
Sehen, wo der Fisch herkommt
Am Ufer in Minheim wartet der gelernte Fischwirtschaftsmeister in einer orangefarbenen Anglerhose auf seine ersten Gäste. Ölzeug in Leuchtfarben, brandneue Schwimmwesten, sogar Empfänger samt Kopfhörern werden herumgereicht, damit Webers Erklärungen auch bei voller Fahrt durch die Fanggründe der Mittelmosel noch gut zu hören sind.
Auch Kinder sind auf dem Fischerboot willkommen: "Damit die mal sehen, wo Fische überhaupt herkommen", sagt Weber. "Urlaub auf dem Bauernhof gibt es für solche Zwecke ja auch."
Heute wanken nur Erwachsene unbeholfen über das schwankende Boot, auf dessen bedrohlich niedrigem Rand statt eines richtigen Namens lediglich eine nüchterne Buchstaben- und Zahlenfolge steht. Es gibt keinen Wetterschutz, nicht einmal Sitzbänke. Während eine Besucherin aus Berlin am Steuer begeistert Gas gibt, ducken sich die anderen Gäste wegen des Fahrtwinds weg.
Zweckmäßigkeit statt Moselromantik
Bei der Fischerei geht es um Zweckmäßigkeit, nicht um Moselromantik.
Natürlich kann man trotzdem nicht übersehen, wie die eleganten Rebenreihen, die den Fluss einrahmen, kerzengerade in den Himmel wachsen. Und es lässt sich auch nicht abstellen, dass die Sonne genau in dem Moment durch die Wolken bricht, in dem Thomas Weber zeigt, wie er seine Netze stellt.
An normalen Tagen verteilt er morgens bis zu 60 Stück, trotzdem bleibt der Fang bis zum Nachmittag oft mager. "Früher sind wir schon mal mit 100 oder 200 Kilo Fisch heimgekommen, heute bin ich froh, wenn ich 20 Kilo Rotaugen habe", berichtet er. "Dabei ist die Biomasse im Fluss gleichgeblieben. Das Problem sind die Fischarten, die nicht hier reingehören."
Weber zieht den Anker ein Stück über den Grund, um eine seiner 130 Reusen zu finden. Zwei Wochen bleiben die schlauchartigen Netzgeflechte im Wasser. Der Berufsfischer will mit ihnen hauptsächlich Aale für die Aalschutzinitiative Rheinland-Pfalz fangen, um die Tiere bei ihrer Laichwanderung vor den Wasserkraftanlagen der Mosel zu schützen und damit die Arterhaltung zu unterstützen.
Schwimmende Mini-Drachen
Doch schon aus der ersten Reuse, die Weber an Bord hebt, lassen seine Gäste ganz behutsam mehr Grundeln als Aale in den Eimer flutschen.
Die Schwarzmund-Grundel, eine ursprünglich im Schwarzen Meer heimische Art, gilt als extrem invasiv, vermehrt sich schnell und ist seit Jahren massenhaft in Deutschlands großen Flüssen unterwegs. Zwar ist die Grundel, die ein bisschen an einen schwimmenden Mini-Drachen mit Schnappmaul erinnert, grundsätzlich essbar, aber so klein und voller Gräten, dass sich kaum ein Angler und erst recht kein Restaurant die Mühe macht, sie tatsächlich zuzubereiten.
Thomas Weber schiebt energisch die Ärmel seines Kapuzenpullis hoch. Ihn ärgert das schon lange. Mangels Nachfrage muss er sie kiloweise in den Müll befördern.
Kreative Rezepte für die unbeliebte Grundel
Die Grundel ist damit zum Ideengeber für die zweite Säule in seinem Konzept geworden: Webers eigenes Restaurant.
Im Gasthaus "Zum Moselfischer", das voraussichtlich Mitte August direkt an Webers gepachteter Moselstrecke in der Weinbaugemeinde Trittenheim eröffnen soll, will der 35-Jährige den Tag künftig gemeinsam mit seinen Gästen bei Wein, frischem Fisch und anderen regionalen Produkten ausklingen lassen. Das Restaurant folgt einem einfachen, nachhaltigen Motto: Alle gefangenen Fische werden verwertet.
Für unbeliebte Arten wie die Grundel hat sich der Hobbykoch allerlei kreative Rezepte überlegt – vom Kibbeling über die Räucherfischmousse bis zum Flammkuchen.
Thomas Weber liebt seinen Job, arbeitet mit und für die Natur, wollte den Familienbetrieb, den die Großeltern in den siebziger Jahren begründet haben, nicht sterben lassen – und wurde kreativ.
Weg vom Kegelclub-Image
Damit ist er der perfekte Protagonist für die Genussinitiative "Faszination Mosel", mit der die Region seit einigen Jahren um Touristen wirbt. Das Ziel der PR: Das angestaubte Image eines Kegelclub-Reiseziels soll ersetzt werden durch ein von innovativen Köpfen und regionaltypischen Produkten geprägtes Kulinarikprofil: Riesling oder Mosel-Weinbergpfirsich, lokaler Käse oder Gin.
Nicht nur die Mosel als Touristenregion, auch der Berufsfischer hat ein Imageproblem: Immer wieder würden Reusen zerschnitten oder Menschen alarmierten zu Unrecht die Wasserschutzpolizei, wenn er elektrisch fische, um Räuber zu dezimieren oder Aale für das Tierschutzprojekt zu fangen, erzählt der Fischmeister.
Bei seinen Touren will er die Touristen deshalb auch über das Ökosystem Mosel aufklären. "Ich will zeigen, dass wir Berufsfischer dabei helfen, dieses Ökosystem zu bewahren und wir echte Probleme bekommen, wenn sich niemand mehr darum kümmert." (dpa/tmn)
INFO:
Touristeninformation Trittenheim
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