Ist Deutschland für den Klimawandel gewappnet?
Berlin (dpa/wvg) - Es ist ein Alptraum, der Tausende Menschen innerhalb weniger Stunden aus ihrem Alltag gerissen hat. Die Starkregen-Ereignisse in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind ungewöhnlich heftig, die Zahl der Toten hat die der Jahrhundertflut aus dem Jahr 2002 überschritten. Wissenschaftler sind überzeugt: Die Extremwetterphänomene hängen auch mit dem Klimawandel zusammen. „Bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius oder gar mehr müssen wir mit noch viel heftigeren Extremwetterereignissen rechnen“, sagt der Chef des Umweltbundesamts (UBA), Dirk Messner. Schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzt.
Nach den Daten des UBA würde ein ungebremster Klimawandel erhebliche Schäden für Natur, Infrastruktur und das Wirtschaftssystem in Deutschland mit sich bringen. Und auch die Starkregen-Ereignisse in Westdeutschland haben laut Messner klar gezeigt: Ohne ambitionierten Klimaschutz wird sich die Lage verschlimmern. Ohne Anpassung an die neuen Herausforderungen allerdings auch.
Der Vorsitzende des Vereins Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit, Martin Herrmann, geht etwa davon aus, dass auch die Gesundheitsversorgung derzeit nicht optimal auf Extremwetter eingestellt ist.
„Die meisten Krankenhäuser haben zwar vorbereitete Pläne, wie sie mit dem Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten umgehen. Aber ob sie bei extremen Wetterereignissen strukturell und personell die eigene Leistungsfähigkeit aufrechterhalten können, ist völlig unklar“, sagt Herrmann. Er kritisiert, dass es flächendeckend auch keine Hitzeschutzpläne für Kliniken oder Praxen gebe.
Auch die Menschen selbst wüssten oftmals nicht, wie sie sich in der unerwarteten Not zu verhalten hätten, sagt Professor Boris Lehmann, der an der Technischen Universität Darmstadt zu Wasserbau und Hydraulik lehrt. „Menschen unterschätzen die Kraft und Geschwindigkeit des Wassers nur allzu oft.“ Mehr Aufklärung, bereits in der Grundschule, wäre aus seiner Sicht dringend geboten.
Auch beim Katastrophenschutz könnte der Ruf nach neuen Strukturen lauter werden. In Friedenszeiten sind auch hier nämlich die Länder alleine zuständig. Während Helfer Menschen von Balkonen retten, will die Bundesregierung erst einmal nicht darüber sprechen, wie gut oder schlecht Deutschland beim Katastrophenschutz aufgestellt ist.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz sagt lediglich, dass die „bewährten Strukturen der Katastrophenhilfe in Kommunen und Ländern auch weiter erfolgreich greifen“ würden. „Wenn erforderlich, werden sie weiter verstärkt werden.“
Umweltverbände fordern jenseits der Frage nach einer Neuverteilung von Kompetenzen Sofortmaßnahmen, um die Klima-Anpassung in Deutschland voranzubringen. Der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Olaf Bandt, regt an, „den bisher vernachlässigten Hochwasserschutz in den Mittelpunkt der Politik zu stellen“. So müssten etwa neben größeren Flüssen auch kleinere Fließgewässer künftig eine wichtige Rolle spielen, sagt Bandt.
Ob auf diese Weise schwere Unglücke abzuwenden sind, ist unklar. Statistisch gesicherte Aussagen über die Starkniederschläge der Zukunft lassen sich laut Umweltbundesamt (UBA) bislang nicht treffen. Klar ist nur: Der Klimawandel ist längst in Deutschland angekommen - und wird nicht wie ein vorübergehendes Wettertief einfach wieder abziehen.
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