Neue Richtlinie ab Juli / Forscher mahnen weiter
Bremerhaven/Berlin (dpa/wvg) – In Deutschland und der EU ist der Wandel eingeleitet: Plastikgeschirr und andere Einwegprodukte sollen seit dem 3. Juli aus sämtlichen Regalen in Deutschland verschwinden. Teller, Messer, Gabeln, Wattestäbchen, Strohhalme, Luftballonstäbe - das EU-weite Verbot betrifft viele Produkte, die Läden aller Art bislang noch Tag für Tag anboten.
Auch To-Go-Becher, Fast-Food-Verpackungen und Wegwerf-Behälter aus Styropor will die EU aus dem Markt verbannen. Insgesamt umfasst die Kunststoff-Richtlinie aus dem Jahr 2019, die jedes Mitgliedsland seit dem 3. Juli umsetzen muss, zehn Produkte, die Länder entweder nicht mehr in Umlauf bringen dürfen oder für deren Reduktion sie besondere Maßnahmen ergreifen müssen.
Der Grund: Die zehn Produkte machen zusammen mit Fischfanggeräten 70 Prozent des gesamten Meeresmülls in der EU aus. Eine menschengemachte Katastrophe für die Umwelt - die auch auf Artikel zurückgeht, für die es noch keine angemessenen Alternativen aus anderen Stoffen gibt. Das sind etwa Damenbinden, Zigaretten mit Filtern aus Kunststoff oder To-Go-Becher aus oder mit Plastik. Das ist die Gruppe von Produkten, für die mangels Alternativen noch kein Verbot vorgesehen ist. Sie erhalten in Deutschland ab Samstag aber ein neues Label, das Verbraucher vor dem Umweltschaden warnen und Tipps zur Entsorgung geben soll. „Einen wichtigen Schritt aus der Wegwerfgesellschaft“ nennt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Neuerungen.
Die jährliche Plastikverschmutzung von Gewässern und an Land könnte sich Wissenschaftlern zufolge von 2016 bis 2025 fast verdoppeln, falls der Mensch so weiter mache wie bisher. Der weltweite Eintrag von Plastik in Seen, Flüsse und Ozeane im Jahr 2016 habe Schätzungen zufolge 9 bis 23 Millionen Tonnen betragen, so das Forscherteam aus Deutschland, Schweden und Norwegen in einem Übersichtsartikel. Eine ähnlich große Menge - 13 bis 25 Millionen Tonnen - sei in dem Jahr in die Umwelt an Land gelangt, heißt es dem Beitrag, der innerhalb eines Themenschwerpunkts zu Plastik im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlicht wurde.
„Plastik ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, und es sickert überall in die Umwelt, selbst in Ländern mit einer guten Infrastruktur für die Abfallbehandlung“, sagte Matthew MacLeod von der Universität Stockholm. Dabei nähmen die Emissionen tendenziell zu, obwohl das Bewusstsein für Plastikverschmutzung in den letzten Jahren deutlich gestiegen sei. Mine Tekman vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven warnte vor dem Eindruck, dass alles auf „magische Weise“ recycelt werden könne, wenn Plastikmüll richtig getrennt werde.
„Technologisch gesehen hat das Recycling von Plastik viele Einschränkungen, und Länder, die über eine gute Infrastruktur verfügen, exportieren ihren Plastikmüll in Länder mit schlechteren Einrichtungen“, erläuterte sie. Zudem gebe es ein grundsätzliches Problem mit biologisch nicht abbaubaren Materialien. Sie forderte daher drastische Maßnahmen, wie etwa ein Verbot des Exports von Kunststoffabfällen, es sei denn, er erfolge in ein Land mit besserem Recycling.
Zusätzlich zu den lokalen Folgen der Plastikverschmutzung warnte das Forscherteam auch davor, dass sie in Verbindung mit anderen Umweltstressoren in abgelegenen Gebieten weitreichende oder sogar globale Auswirkungen auslösen könnten. Denkbar sei ein Einfluss auf die Artenvielfalt im Meer und auf dessen für das Klima wichtigen Kohlenstoffpumpe. Plastik wirke dort als zusätzlicher Stressor.
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