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EU-Mercosur: ein fragwürdiges Freihandelsabkommen

Von Juan E. Alemann

Seit zwei Jahrzehnten wird über ein Freihandelsabkommen der Europäischen Union und dem Mercosur verhandelt, allerdings mit langen Pausen und einem geringen Fortschritt. Anlässlich des Besuches von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro in Argentinien, haben er und Präsident Mauricio Macri beteuert, dass die Unterzeichnung des Abkommens kurz bevorstehe. Ein Sprecher der EU sagte daraufhin, dass noch technische Probleme gelöst werden müssen. Was auf gut Deutsch bedeutet, dass es noch lange kein Abkommen geben wird. Dennoch ist von einem unmittelbaren Abschluss die Rede. In der Vorwoche haben Mercosur-Vertreter in Brüssel Verhandlungen mit EU-Fachbeamten aufgenommen.

Der Fall ist wirklich merkwürdig. Ein Text über das Abkommen, oder auch nur eine Liste der Themen, die es enthält, ist nicht bekannt. Die Öffentlichkeit wird mit allgemeinen Floskeln zum Narren gehalten und kann sich unter diesem Abkommen nichts konkretes vorstellen. Wenn es um Liberalisierung des bilateralen Außenhandels geht, also Senkung der Importzölle u.a. Hindernisse auf beiden Seiten, kommt sofort der Widerstand der europäischen Landwirte auf, besonders der französischen, die eine starke politische Stellung haben. Sie wollen keinen freien Import von Getreide, Ölsaaten, Rindfleisch u.a. landwirtschaftlichen Produkten und auch nicht eine Importerleichterung, mit Anpassung an die WTO-Regeln.

Auf der anderen Seite sträubt sich in Argentinien und Brasilien die lokale Industrie auch gegen eine Zollsenkung, wobei allgemein gefordert wird, dass die Importe von Produkten, die mit lokal erzeugten konkurrieren, beschränkt werden. Ebenfalls würde in den USA eine Bevorzugung europäischer Lieferanten schlecht ankommen, wobei Argentinien gerade jetzt stark auf die Unterstützung der USA angewiesen ist. Außerdem hat die Zahlungsbilanzkrise von 2018 gezeigt, dass sich Argentinien hohe Importe nicht leisten kann, solange die Exporte nicht stark zunehmen, was bisher nicht eingetreten ist. Argentinien braucht einen Leistungsbilanzüberschuss, um Zinsen auf die Auslandsschuld zu zahlen, und um zu vermeiden, dass diese weiter zunimmt.

Unlängst haben sich auch die lokalen Weinfabrikanten zu Wort gemeldet und vor zollfreien Weinimporten gewarnt. Indessen ist es in diesem Fall so, dass bei zollfreiem Import in beiden Richtungen, Argentinien gewinnt, weil Europa nur teure Qualitätsweine liefern würde, die einen sehr geringen Marktanteil hätten, Argentinien hingegen billigere Weine, die nicht schlechter als die billigen europäischen sind, deren Preis aber weit unter dem entsprechender europäischer Weine liegt. Der Markt ist hier sehr groß. Werden das die französischen Winzer zulassen?

Die Initiative eines Abkommens zwischen dem Mercosur und der EU ist von vornherein falsch aufgestellt worden. Eine allgemeine Liberalisierung stößt auf beiden Seiten auf großen Widerstand und kommt politisch nicht durch. Es ist Zeit, dass dies offen gesagt wird, und die Verhandlungen auf einer neuen Basis aufgenommen werden.

Bei den EU-Importen landwirtschaftlicher Produkte muss es Kontingente geben, und der Zollsatz dabei niedrig sein. Beim Rindfleisch bestehen schon zwei Quoten, eine mit 20% Zollsatz (Hilton Quote) und eine andere für Qualitätsfleisch, die zollfrei ist. Doch darüber hinaus besteht immer noch das System der beweglichen Zölle, das der WTO-Ordnung widerspricht, und in einem Zollsatz besteht, der als Differenz zwischen einem Richtpreis der EU und dem Importpreis besteht. Faktisch beträgt der Zollsatz dabei sogar über 100%. Dieses absurde System muss durch ein zollfreies Kontingent ersetzt werden, das zwischen den Parteien ausgehandelt wird. Auf diese Weise erhalten Mercosur-Exporteure den vollen Preis, während jetzt der EU-Fiskus hohe Einnahmen auf Kosten dieser erhält. Das Rindfleischproblem ist für Argentinien jetzt anders geworden, nachdem China als großer und zunehmender Importeur aufgetreten ist. Bei den Lieferungen an die EU geht es nicht um höhere Mengen, sondern um die Erhaltung des vollen Preises.

Ein weiteres Problem besteht in den differenzierten Zollsätzen zwischen dem Rohstoff und dem aus diesem erzeugten Industrieprodukt. Sojabohne wird in der EU mit einem niedrigen Zollsatz importiert, Sojaöl und -mehl mit einem viel höheren. Rinderhäute zahlen einen geringen Zoll, Leder hingegen einen hohen, usw. Argentinien und auch Brasilien werden dabei behindert, ihre Exportprodukte mit zusätzlichem Wert zu verkaufen. Die Mercosur-Staaten müssten fordern, dass es keine Zolldifferenzierung gibt. Das ist jedoch nicht einfach, da die EU unter dem Druck der Industrie steht, die diese Rohstoffe verarbeitet, der nicht minder intensiv ist, als der der Landwirte.

Es bestehen noch weitere Einzelprobleme, die in einem Abkommen behandelt werden sollten, wie der Handel über Internet, der Zugang zu Staatskäufen usw. Es wäre dann ein beschränktes Freihandelsabkommen. Die Alternative ist, dass es überhaupt kein Abkommen gibt.

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