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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Ethik als Bestandteil der Wirtschaftsordnung

Von Juan E. Alemann

Bei den gerichtlichen Verfahren, die die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und ihre Bande betreffen, geht es um mehr als die Achtung der Rechtsordnung, die für alle gleichermaßen gelten muss, ohne Ausnahmen. Es handelt sich bei der Korruption auch um eine Störung des wirtschaftlichen Ablaufs, und letztlich um eine Behinderung des Wachstums und eines besseren Wohlstandes. Es geht dabei nicht nur um den Betrag, der dabei gestohlen wird, sondern um das falsche Signal, dass die Korruption der Gesellschaft, und besonders den Unternehmern stellt, sodass man Geld nicht durch Leistung, Ausbildung, Effizienz, Innovation und Investitionen verdient, eventuell auch dank glücklicher Umstände, sondern durch Regierungsentscheidungen und Betrug am Staat. Und das behindert das Wachstum.

Bei den Kirchners sind beim Straßenbau in Santa Cruz, der ihrem Strohmann (oder Partner) Lázaro Báez zugeteilt wurde, nicht nur die Bevorzugung gegenüber anderen Unternehmern und die Überpreise wichtig, sondern besonders die Tatsache, dass die Straßen in den meisten Fällen unnötig waren, weil es in der dünn besiedelten Provinz Santa Cruz einen minimalen Fahrzeugverkehr gibt, und Erdstraßen gut sind, weil es kaum regnet und keinen weichen Humus gibt. Mit dem gleichen Geld hätten Autobahnen in den dicht befahrenen zentralen Gegenden des Landes gebaut werden sollen, die zum wirtschaftlichen Wachstum beitragen und die Zahl der Unfälle stark verringern, so dass auch Menschenleben gerettet werden. Dass die echten Prioritäten bei Staatsinvestitionen nicht beachtet werden hat hohe Kosten für die Wirtschaft. Der Straßenbau in Santa Cruz ist nur ein Beispiel für die korruptionsbedingte Unordnung der Investitionen unter den Kirchners.

Der Ultrakirchnerist Fernando “Chino” Navarro sagte, als er von einem Journalisten auf das Thema der Kirchner-Korruption angesprochen wurde, die Korruption sei ein Bestandteil des Kapitalismus. Womit er zum Ausdruck bringen wollte, dass sie durch das System geschaffen werde, aber nicht durch eine Entscheidung von Cristina Kirchner und ihrer Bande. Also: wenn alle stehlen, dann tanzt Cristina eben nicht aus der Reihe, und ihr Verbrechen wäre dann eigentlich nicht der Diebstahl am Staat, sondern die Tatsache, dass man sie erwischt hat.

Die Kirchneristen knüpfen hier an das marxistische Konzept an, dass der Gewinn als solcher eine Aneignung von Einkommen darstellt, das im Wesen den Arbeitern gehört. Marx präge für den Gewinn den Begriff “Mehrwert”, der in einem Aufschlag auf die Kosten bestand, die wiederum nur aus der Entlohnung menschlicher Arbeit bestanden. Dieses Konzept war in früheren Zeiten weit verbreitet, wobei naive Menschen sogar den Schluss zogen, dass der Kommunismus dabei billiger produzieren könne als der Kapitalismus, weil der Gewinn entfalle. Das ist eine kolossale Dummheit, die jedoch mehr durch den Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetionen und ihren Satellitenstaaten widerlegt wurde, als durch das Verständnis des wirtschaftlichen Geschehens, bei dem der Gewinn als Anreiz für die Unternehmer, effizient zu produzieren, und auch als Mittel zur Kapitalbildung und der Investitionen aufgefasst wird.

Der Wirtschaftler Josef Schumpeter ging soweit, die These aufzustellen, dass der Gewinn nur auf Innovation beruhe und ohne diese verschwinde. In der Tat pflegen Unternehmen, die sich nicht erneuern und auch keine neue Technologie einführen, schließlich keinen Gewinn haben. Es ist nicht einfach, Geld zu verdienen, und es ist im Grunde viel einfacher, es zu verlieren, was Marx nie erwähnt hat.

Zurück zur Ethik. Max Weber stellte in seinem berühmten Buch “Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus” die These auf, dass der Protestantismus den wirtschaftlichen Erfolg, also auch den Gewinn rechtfertige, wenn dieser auf Leistung, Innovation und Investitionen beruhe. Diese These ist beim Calvinismus sehr ausgeprägt. Der Katholizismus hingegen, verachte materiellen Wohlstand und sehe persönlichen Reichtum nicht positiv. Das betrachtet Weber als ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung, wobei er darauf hinweist, dass die protestantischen Staaten wirtschaftlich weiter vorangekommen seien als die katholischen. Das stimmte weitgehend bis zum 19. Jahrhundert, heute wohl nicht mehr.

Wesentlich beim Konzept von Max Weber ist, dass in einer modernen Gesellschaft hohes Einkommen, das sich aus unternehmerischem Erfolg, Leistung, Ausbildung, Kreativität, Innovation und auch Glück ergibt, ethisch anerkannt wird, aber Einkommens aus Korruption nicht. Es ist nicht so, wie es der oben zitierte Navarro sagt, dass die Korruption zum Kapitalismus gehört, sondern genau umgekehrt: der Kapitalismus, also die freie Marktwirtschaft, beruht auf ethischen Vorstellungen und wird durch Korruption gestört.

Hier kann man hinzufügen, dass der Staatsinterventionismus oft Korruptionsmöglichkeiten schafft, besonders wenn er in Einzelheiten geht. Wenn der Markt anonym entscheidet, kann niemand dies ändern, so dass auch niemand Geld dafür fordern kann. Wenn jedoch der Staat, also die Menschen, die die Regierung und die Staatsstruktur bilden, entscheiden, was die Unternehmer zu tun haben, dann besteht die Möglichkeit, die Entscheidungen durch ein Schmiergeld zu beeinflussen. Deshalb müsse die Staatsintervention an strenge Normen gebunden werden, die den Spielraum für die Entscheidung der Beamten einengen.

Die kulturelle Revolution, die die Macri-Regierung anstrebt, bezieht sich auch auf die Ethik. Deshalb sind die gerichtlichen Verfahren gegen Cristina und ihre Mitarbeiter, die in einer nachgewiesenen gigantischen Korruption verwickelt sind, so wichtig. Und es ist auch wichtig, dass Unternehmer, die Schmiergelder gezahlt haben und sich an der von der Regierung organisierten Kartellierung öffentlicher Bauten beteiligt haben, auch prozessiert werden. Gewiss: sie gerieten in gerichtliche Schwierigkeiten, weil die Spielregeln geändert wurden, und tragen nicht die gleiche Schuld wie die Beamten, die die Schmiergelder als „conditio sine que non“ für die Zuteilung eines Bauvorhabens oder eines Kaufes durch den Statt gefordert haben. Aber die Unternehmer wissen jetzt, dass dies nicht mehr geht, und ohne die Centeno-Hefte und die Vorladung vor Gericht wegen Zahlung von Schmiergeldern hätten sie es wohl nicht so deutlich wahrgenommen.

Es verbleibt immer eine kleine Korruption, die zum menschlichen Verhalten gehört. Gefälligkeiten, kleinere Geschenke, Gegenleistungen und auch beschränkte Schmiergelder gibt es immer, auch in fortgeschrittenen Staaten. Man muss sehr darauf achten, dass nicht alles in den gleichen Topf geworfen wird. Die Kirchneristen pflegen sich zu verteidigen, indem sie sagen, alle Regierungen seien korrupt gewesen. Das stimmt nicht, wobei auch in den Kirchner-Regierungen nicht alle hohen Beamten korrupt waren. Die Kirchner-Korruption war etwas Neuartiges in Argentinien und eventuell auch auf der ganzen Welt. Der Gesamtbetrag wird auf bis zu u$s 30 Mrd. geschätzt, und der Buchhalter der Kirchners, Victor Manzanares, sagte jetzt, allein Cristina habe ein Vermögen von u$s 10 Mrd. Er sollte wissen, wovon er redet. Diese Megakorruption ist etwas qualitativ anderes, als die Korruption vorangehender Regierungen, die immer (auch unter Menem) sehr beschränkt war.

Hinzu kommt bei der Kirchner-Korruption noch die Tatsache, dass die Beamten wussten, dass der Präsident selber, also Néstor Kirchner zuerst und Cristina danach, an diesem Megaraub am Staat direkt beteiligt waren, was ein klares Signal für diejenigen war, die die Möglichkeit hatten, auch Geld auf diese Weise zu verdienen. Auf spanisch bringt die Redensart “No soy el hijo de la pavota” (Ich bin nicht der Sohn der Dummen) dies zum Ausdruck. Die Kirchners haben die ganze Staatsstruktur korrumpiert, und das hat die Wirkung ihrer Korruption stark ausgeweitet und bei vielen Beamten zu einem Verhalten geführt, das nicht nur ein Verbrechen darstellt, sondern störend gewirkt hat. Besonders schlimm war der Fall bei Richtern, die sich auf diese Weise bereichert haben, wie der abgesetzte Freiler. Aber auch viele andere können die Bildung ihres Vermögens nicht erklären.

Eine gute Justiz, die unabhängig von der Politik ist, bei der der Richterrat eine effektive Kontrolle über die Richter ausübt (was er bisher nicht getan hat), ist ein wesentlicher Bestandteil der Korruptionsbekämpfung. Das Verhalten des Obersten Gerichtshofes ist hier besonders wichtig. Dass der Oberste Gerichtshof mit vier Stimmen und ohne Zustimmung des Präsidenten Carlos Rosenkrantz (der einzige wirkliche Jurist in dieser Zunft) einen groben Versuch unternommen hat, um zu verhindern, dass Cristina in einem Korruptionsprozess vor einem mündlichen Gericht erscheint, zeugt davon, dass dieser Gerichtshof nicht der Vorstellung einer ethischen Gesellschaft entspricht. Der Oberste Gerichtshof ist nicht befugt, in Prozesse einzugreifen, die sich in Gang befinden. Er kann nur Fälle behandeln, bei denen schon ein Urteil besteht. Der Rückzieher der obersten Richter nach dem öffentlichen Protest (indem er die Akten des Cristina-Prozesses, die er gefordert hatte, sofort zurückgegeben hat) hat unmissverständlich gezeigt, dass die Richter einer korrupten ehemaligen Präsidentin helfen wollten, und somit auch vom Korruptionsverdacht betroffen werden. Schlimm!

Bei den Oktoberwahlen geht es auch um Ethik. Wenn Macri nicht wiedergewählt wird, besteht die Gefahr, dass die Gerichtsverfahren, die gegen die K-Bande, und besonders die, die gegen Cristina in Gang sind, entweder abgebrochen werden oder versanden. Alberto Fernández, der von Cristina aufgestellte Präsidentschaftskandidat, hat schon die Richter bedroht, die sich mit der Kirchner-Korruption befassen. Wenn er oder ein anderer Peronist die Wahl gewinnen würde, kann man davon ausgehen, dass die Prozesse nicht fortgesetzt würden, was ein klares Signal wäre, dass die Megakorruption als normaler Bestandteil der Gesellschaft angesehen wird. Darüber sollten sich die Wähler bewusst sein.

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