Von Pastorin Karin Krug
In Kreuzworträtseln wird immer wieder mal ein Wort mit 8 Buchstaben gesucht für: „den Wert ermitteln“. Richtig! „Schätzen“ ist die Lösung.
In der Weihnachtsgeschichte kommt dieser Begriff gleich am Anfang vor: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ (Lukas 2)
Kaiser Augustus brauchte immer viel Geld. Sein Hofstaat war aufwendig, das ausgedehnte Straßennetz kreuz und quer durch das ganze römische Reich musste ausgebaut und erhalten werden und - last but not least - seine Legionen mussten ihren Sold bekommen, damit die Pax Romana aufrechterhalten werden konnte. Überhaupt ist das interessant. Die Zeit des Kaisers Augustus wurde als eine friedliche Zeit empfunden. Aber sein Frieden basierte auf der allgegenwärtigen und aufdringlichen Präsenz der hochtrainierten Soldaten. Kaiser Augustus brauchte Geld, viel Geld, und wie immer und überall musste das durch Steuern eingezogen werden. Er war aber auch ein genialer Staatsmann, der viele Neuerungen einführte. Zum Beispiel beim „Schätzen“. Er organisierte eine Volkszählung, nicht weil er wissen wollte, wie viele Millionen in seinem Reich lebten, sondern weil er wissen wollte, was und wie viel diese Bürger besitzen. So konnten er und seine Funktionäre „schätzen“, wie viel Steuern er wem auferlegen konnte. Das war im Altertum ein Novum. Nach Besitzstand sollten die Abgaben berechnet werden. Wer viel besaß, wurde anders belastet als der, der wenig besaß. Das ist mehr, als mancher moderner Staat schafft.
Erstaunlich, dass die Weihnachtsgeschichte so anfängt, mit unserer menschlichen Geschichte. Aber so ist das immer in den Heiligen Schriften. Die Geschichte Gottes mit den Menschen und die Geschichte der Menschen mit Gott fängt immer im Konkreten an, nicht irgendwo auf einer Insel der Seligen oder in den Höhen des Geistes. Im Hier und Jetzt, in unserer Realität, geschieht die Begegnung Gottes mit dem Menschen.
Diese Wirklichkeit ist davon geprägt, dass wir Menschen ständig „geschätzt“ werden. Eingeschätzt, beurteilt, geprüft, bewertet. Und das geschieht meistens aufgrund dessen, was man besitzt und kann, das heißt, was man sich materiell oder intellektuell angeeignet hat. Manch einer, der nicht „hat“ oder „weiß“, wird abschätzig beurteilt, es wird abschätzig von ihm oder ihr geredet, das heißt abfällig, abqualifizierend und abwertend. Und abschätzig wird er oder sie behandelt.
Nun hat das Verb „schätzen“ ja auch eine andere Bedeutung und diese hat ebenso ganz wesentlich mit Weihnachten zu tun. „Schätzen“ bedeutet auch, von jemandem eine hohe Meinung haben, von etwas oder jemandem viel halten, auf etwas besonderen Wert legen; sehr mögen.
Weihnachten ist das Fest, an dem wir daran erinnert werden, dass wir von Gott unendlich geschätzt werden. Bei Gott hat der Mensch (erstaunlicherweise, meine ich) einen enorm hohen Wert. Nicht aufgrund dessen, was jeder von uns sich mit großer Anstrengung materiell oder intellektuell angeeignet hat, sondern weil Gott selbst uns diesen Wert beimisst.
Im Weihnachtsevangelium und in den Weihnachtsliedern klingt noch dieses Staunen durch: wie ist das möglich, dass Gott bei seinen Menschen sein will und zwar so, dass Er einer von ihnen wird? Da wird nicht nur eine göttliche Erklärung abgegeben. Es wird konkret. Fleisch und Blut:
Im Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“ dichtet Paul Gerhard kurz nach dem dreißigjährigen Krieg 1653:
„Heute geht aus seiner Kammer
Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer.
Gott wird Mensch dir, Mensch, zugute,
Gottes Kind, das verbindt sich mit unserm Blute.
Nun er liegt in seiner Krippen,
ruft zu sich mich und dich, spricht mit süßen Lippen:
„Lasset fahr'n, o liebe Brüder,
was euch quält, was euch fehlt; ich bring alles wieder.“
Ei so kommt und lasst uns laufen,
stellt euch ein, groß und klein, eilt mit großen Haufen!
Liebt den, der vor Liebe brennet;
schaut den Stern, der euch gern Licht und Labsal gönnet.“
Lasst uns das Staunen darüber neu lernen in dieser Adventszeit.
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