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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Erstes Quartal mit erstaunlich guten Zahlen

Von Juan E. Alemann

Die jetzt veröffentlichen Zahlen über die Entwicklung der Wirtschaftsleistung, der Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit in den ersten drei Monaten 2022 entsprechen gewiss nicht der gedrückten Stimmung und dem Pessimismus, den die Meinungsumfragen zum Ausdruck bringen. Obwohl die Regierung kaum etwas tut, um die Wirtschaft anzuspornen, und im Gegenteil, ständig Hemmungen schafft, und die anormal hohe und zunehmende Inflation ein Hindernis erster Ordnung darstellt, nehmen die wirtschaftliche Tätigkeit und die Beschäftigung zu.

Dies ist allerdings zum großen Teil der Schwarzwirtschaft zu verdanken, die eine starke Dynamik aufweist und nicht bekämpft wird, wie es in einem geordneten Staat sein sollte. Denn die Regierung ist sich bewusst, dass die Expansion der Schwarzwirtschaft gegenwärtig dazu beiträgt, dass die soziale Lage nicht noch viel schlimmer ist. In der dynamischen Schwarzwirtschaft (die auch Kleinunternehmen umfasst, die zum Teil legal und zum Teil schwarz arbeiten) kommt im Grunde die Kraft der Marktwirtschaft zum Ausdruck, und dies stellt dem staatlichen Interventionismus ein schlechtes Zeugnis aus. Man müsste somit davon ausgehen, dass die formelle Wirtschaft stärker liberalisiert wird, um mit der Schwarzwirtschaft zu konkurrieren und den Übergang von schwarz auf weiß zu erleichtern. Diejenigen, die bei den letzten Wahlen in unerwartetem Umfang für die liberalen Milei und Espert gewählt haben, brachten dies mit ihrer Stimme auch zum Ausdruck. Der extreme Liberalismus der beiden ist zwar wirklichkeitsfremd, aber die Tendenz ist richtig.


Das BIP im 2. Quartal 2022

Gehen wir jetzt auf die nackten Zahlen über. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verzeichnet im 1 Quartal gemäß Berechnung des INDEC eine Zunahme von 0,9% gegenüber dem 4. Quartal 2021 und von 6% gegenüber dem 1. Quartal. Die INDEC-Fachleute, die die Berechnung des BIP durchführen, tippen jetzt auf eine BIP-Zunahme von ca. 4% für ganz 2022. Das ist zwar weniger als die 10% von 2021, liegt aber über dem historischen Durchschnitt ab 1900, der leicht über 3% pro Jahr liegt. Private Ökonomen sind weniger optimistisch und rechnen mit etwa +2%. Der Verlust von 2020 wurde jetzt voll aufgeholt, so dass die Wirtschaftsleistung wieder etwa wie vor der Pandemie liegt, aber mit starken strukturellen Änderungen, von denen viele zum wirtschaftlichen Wachstum beitragen. Der Pandemieschock hat per Saldo positiv gewirkt.

Gewiss kann es jetzt auch eine neue Rezessionswelle geben, vor allem wenn die Regierung die Inflation nicht in den Griff bekommt. Wenn die jährliche Inflationsrate auf über 100% steigt, wie es jetzt bis zum Jahresende in Aussicht steht, und dabei die Angst vor einer Hyperinfaltionswelle aufkommt, dann wird die Wirtschaft gebremst und das BIP nimmt ab. Und wenn man dieser Tendenz nur mit Begrenzung der Geldschöpfung begegnet, dann wirkt auch dies rezessiv. Die Inflation muss eben gleichzeitig von der Kostenseite bekämpft werden, und das erfordert, dass die Regierung die Lohnerhöhungen, die sich bei den Verhandlungen über die Arbeitsverträge ergeben, stark bremst. Verhandlungsfreiheit ist eine Sache, und Anarchie und übertriebene Nutzung faktischer Machtpositionen der Gewerkschaften, etwas anderes.

Wenn man das BIP im Einzelnen untersucht, sieht das Ergebnis noch besser aus. Denn die Landwirtschaft (Ackerbau, Rinderwirtschaft und Forstwirtschaft) weist einen interannuellen Rückgang von 0,1% aus (der vornehmlich auf ungünstige Wetterbedingungen zurückzuführen ist), und Fischfang einen von 3,5%, der nicht hätte sein sollen. Hingegen weisen Hotels und Restaurants eine Zunahme von 33,6% aus, was die gute Sommersaison zum Ausdruck bringt. Der Bergbau weist eine Zunahme von 13,4% auf, und Transport und Fernverbindungen eine von 12,2%. Die Industrie stieg um 4,9%, die Erzeugung von Strom, Gas und Wasser um 5,1%, die Bauwirtschaft um 3% und der Handel um 5,7%. Bei der Landwirtschaft kann man jetzt noch einen Schub erwarten, als Reaktion auf die hohen Preise von Getreide und Ölsaaten. Das sollte dann auch eine Breitenwirkung haben.

Die Investitionen lagen im 1. Quartal um 3,3% über dem Vorjahr. Dass nicht investiert wird, wie es allgemein heißt, stimmt nicht. Es wird einmal viel in private Wohnungen investiert, was schon zu Überangebot geführt hat. Dann investiert die Landwirtschaft auch viel, wie es der Verkauf von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten zeigt. Und schließlich wird viel in Technologie investiert, besonders in Computer und Automatisierung. Letzteres verleiht der bestehenden Produktionsstruktur eine höhere Produktivität, was stark zum Wachstum beiträgt.

Der private Konsum ist um 3,2% gestiegen, der öffentliche um 0,7%. Der staatliche Bereich, einschließlich Provinzen und Gemeinden, hat seine Ausgaben somit in einem Jahr nur wenig erhöht, allerdings von einem zu hohen Niveau aus.


Höhere Beschäftigung, weniger Arbeitslose

Im 1. Quartal 2022 hat sich auch der Arbeitsmarkt gesamthaft positiv entwickelt. Die Beschäftigung stieg interannuell um 950.000 Personen, von 41,6% auf 43,3% der Bevölkerung. Die Beschäftigten zählen jetzt 20,5 Mio. Doch 80% der zusätzlich Beschäftigten, was 760.000 Personen ausmacht, arbeiten schwarz. Das sollte uns etwas sagen. Besonders der Regierung.

Die Rate der Arbeitslosigkeit lag im 1.Quartal 2022 bei 7%, 3,2 Prozentpunkte unter der gleichen Vorjahresperiode. Das macht 1,4 Mio. Menschen aus, 700.00 weniger als ein Jahr zuvor. Allein in den Bezirken der Umgebung der Bundeshauptstadt sank die Zahl der Arbeitslosen um ca. 220.000 Personen, von 680.000 auf 460.000. Diese Zahlen werden auf Grund von Erhebung bei Familien aufgestellt, wobei die Angaben nicht weiter geprüft werden. In vielen Fällen geben die Befragten eine schwarze Voll- oder Teilbeschäftigung nicht an, weil sie befürchten, dann belästigt zu werden oder die Subvention für arme Familien zu verlieren. Deshalb kann man davon ausgehen, dass die Vollarbeitslosigkeit in Wirklichkeit noch niedriger ist, als sie das INDEC angibt. Bei denjenigen, die im legalen System arbeiten, kann man die Zahl an Hand der bei der ANSES eingetragenen prüfen, weil legal bedeutet, dass die Beiträge für das Pensionierungssystem u.a. Zwecke registriert werden, auch die geschuldeten Beträge. Aber bei den Schwarzarbeitern ist alles ungenau, eben weil sie nirgends eingetragen sind.

Doch auf der anderen Seite sollte man gut eine Million der Staatsangestellten auch zu den Arbeitslosen zählen, die eine Arbeitslosensubvention erhalten. Denn sie sind völlig unnötig. Dann würde die Arbeitslosigkeit auf über 10% steigen. Subventionen für Arbeitslose sind in Ordnung, aber diese ist viel zu teuer. Doch wenn man an eine Verringerung der Staatsangestellten herangeht, dann müssen noch mehr private Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Unterbeschäftigung, die diejenigen umfasst, die unter 35 Wochenstunden arbeiten, aber länger arbeiten wollen, lag im 1. Quartal 2022 bei 10%, gegen 11,9% im Vorjahr. Wenn die Beschäftigung zunimmt, dann nimmt auch die Unterbeschäftigung ab.

Die Frage, die man sich über die Arbeitsproblematik stellt, besteht darin, wie man die legale Beschäftigung fördern kann, so dass einmal die Arbeitslosigkeit abnimmt, und Schwarzarbeiter auf legale Arbeit übergehen. Das Arbeitsministerium nimmt traditionell, und ganz besonders unter dieser Regierung, eine passive Haltung ein, und schlägt keine Reformen vor. Arbeitsminister Claudio Moroni scheint mit der gegenwärtigen Gesetzgebung zufrieden zu sein, und denkt nicht an Reformen. Die Gewerkschaftler kümmern sich nur darum, dass die Arbeiter, die sie vertreten, ihre Stelle nicht verlieren, oder eben hohe Entschädigungen erhalten. Über Vollbeschäftigung als Ziel kümmert sich niemand.

Von den notwendigen Reformen steht die Verlängerung der Periode, während der es keine Entlassungsentschädigung gibt, von jetzt 3 Monaten auf 2 Jahre, an erster Stelle. Ebenfalls müsste es für das erste Jahr keine Beiträge zum Pensionierungssystem geben, und im 2. Jahr nur die Hälfte. Das allein würde viele Arbeitsplätze schaffen, die saisonal oder sonst wie zeitlich bedingt sind, und nicht von Dauer sind, oder es nur eventuell nicht sind. Vor allem bei mittleren und kleinen Unternehmen (sogenannten Pymes) ist dies wichtig, weil eine Entlassungsentschädigung bei der Lohnmasse stark ins Gewicht fällt. Und gerade diese Unternehmen sind die, die unmittelbar die meisten Arbeitsplätze schaffen können.

Wichtig wäre auch eine grundsätzliche Reform des Entlassungssystems, wie sie in einem Gesetzesprojekt enthalten ist, das in Unternehmerkreisen herumgereicht wird. Statt dass jedes Unternehmen für die Entschädigung aufkommt, soll dabei ein Beitrag zu einem Fonds geleistet werden, wobei dann dieser die Entschädigung zahlt, und der Arbeitnehmer dabei nicht die Wirkung der gearbeiteten Arbeitsjahre (auf Spanisch “antigüedad”) verliert. Gegenwärtig ist es so, dass in vielen Fällen der soziale Aufstieg verhindert wird, der sich bei Übergang von einem Arbeitsplatz auf einen besseren ergibt, weil dann die Arbeitsjahre von Null an gezählt werden. Dieses System erleichtert auch die Anstellung von zusätzlichen Arbeitnehmern, vor allem bei Kleinbetrieben, weil die Gefahr, eine hohe Entschädigung zahlen zu müssen, ausfällt. Die ganze Arbeitsgesetzgebung ist für Großunternehmen gedacht, aber die mittleren und kleinen beschäftigen gesamthaft unverhältnismäßig mehr Menschen. Ein Unternehmen mit tausend Arbeitnehmern berechnet einen Prozentsatz für eventuelle Entlassungen, und diese sind dann kein Problem. Aber bei Unternehmen mit einer Belegschaft von 10 und weniger Personen stellt eine Entlassung ein finanzielles Problem, das man eben vermeiden will, indem man mit einer geringeren Belegschaft als möglich auskommt, und eventuell zu Extrastunden greift, auch wenn diese höher entlöhnt werden. Das bedeutet im Grunde, dass einige zu viel arbeiten und andere gar nicht.

Von dieser Regierung kann man diese Reformen gewiss nicht erwarten, obwohl sie Präsident Fernández eine glänzende Gelegenheit bieten, um zu zeigen, dass er effektiv regiert und Mut hat. Ob die nächste Regierung den Fall versteht, und auch den für Reformen notwendigen Mut hat, sei dahingestellt. Zunächst sollten die Wirtschaftler, die sich mit einem Programm für die nächste Regierung befassen, dabei besonders die Problematik der Arbeitsgesetzgebung untersuchen. Bei der Reform von Präsident Fernando de la Rúa, die sehr gut war, haben an erster Stelle Ökonomen gearbeitet, und erst danach die Arbeitsrechtler, die sich mehr um die formellen Aspekte und die Redaktion der Texte gekümmert haben. Die Reform wurde unter der Regierung von Néstor Kirchner im Kongress wieder rückgängig gemacht, weil angeblich Schmiergelder gezahlt worden waren. Die gleichen peronistischen Deputierten, die dabei die Schmiergelder empfangen haben, haben dann ihr eigenes Verhalten beanstandet! Aber das Schmiergeld haben sie nicht zurückgegeben. Eine korrupte Bande. Die Reform hatte verfügt, dass Unternehmensverträge über den Branchenverträgen stehen, was logisch ist. Vorher war es umgekehrt und nachher auch. Doch in der Praxis bestehen weiter Verträge, die nur für ein Unternehmen, meistens ein Großunternehmen, gelten.



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