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Energiepolitik im Zeichen des Klimawandels

Von Juan E. Alemann

Die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten Erde ist in den letzten Jahrzehnten schon über 1 Grad gestiegen, und das hat schon katastrophale Folgen, die in großen Überschwemmungen und Waldbränden überall in Erscheinung treten. Der Meeresspiegel ist schon um 20 cm gestiegen. Nachdem eine weitere Temperaturerhöhung unvermeidlich ist, kann man noch schlimmere Phänomene erwarten. Die großen Staaten haben sich verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um die Temperaturzunahme bis 2030 stark zu verringern und zu erreichen, dass sie ab 2050 nicht weiter zunimmt. Doch das erfordert tiefgreifende Maßnahmen, an erster Stelle auf dem Gebiet der Energie.

Bei der Gipfelkonferenz vom 22. April 2021, an der 40 Staaten teilgenommen haben, die für 80% der Emissionen von Kohlendioxyd verantwortlich sind, wurden die Verpflichtungen über Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen bestätigt, die 2015 in Paris verpflichtet wurden. Dieses Mal waren auch die Vereinigten Staaten dabei, die sich in unverantwortlicher Weise unter Trump vom Abkommen von Paris zurückgezogen hatten. Am 18.Mai veröffentlichte die Internationale Energieagentur ein Dokument, das das Ziel aufstellt, bis 2050 eine Nullemission von Treibhausgasen zu erreichen. Der Energiekonsum soll bis dahin um 6% sinken, bei einer stark gewachsenen Weltwirtschaft. Das erscheint von vornherein unwirklich, wenn man bis dahin voll auf elektrische Automobile übergeht. Außerdem soll bis dahin der Einsatz von Kohle für Kraftwerke um 90% verringert werden, der von Rohöl um 75% und der von Gas um 55%. Alles sehr ehrgeizige Ziele, die vorerst jedoch irreal erscheinen.

Weltweit teilt sich der Stromkonsum folgendermaßen auf:

  • Wärmekraftwerke, die Kohle verheizen: 38,5%

  • Gaskraftwerke: 23,0%

  • Wasserkraftwerke: 15,9%

  • Kernkraftwerke: 10,3%

  • Erneuerbare Energien (Wind, Sonne u.a.): 9,0%

  • Erdölkraftwerke 3,3%

Der Anteil an den verschiedenen Energiequellen ist bei den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Norwegen deckt seinen Strombedarf zu 90% mit Wasserkraftwerken, Frankreich zu 75% mit Atomenergie und China zum allergrößten Teil mit Kohlenkraftwerken. In Deutschland wurde nach dem Unfall beim Kernkraftwerke von Tschernobyl, in der Ukraine (1986), entschieden, die Atomkraftwerke sukzessive stillzulegen. Doch dabei wurde die Schließung der Kohlenkraftwerke auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Inzwischen weiß man, dass der Unfall in Tschernobyl nur so katastrophale Folgen hatte, weil das Kraftwerk schlecht gebaut war, und nicht einmal die Runde Stahlkuppel hatte, die eventuelle Radiationen auffangen soll. Gut gebaute Kernkraftwerke stellen kaum eine Gefahr dar, sofern sie nicht in Erdbebengebieten errichtet werden. Hingegen müssen Kohlenkraftwerke so bald wie möglich geschlossen werden. In Deutschland wurde falsch entschieden.

In Argentinien wird kaum noch Kohle bei Wärmekraftwerken eingesetzt. Das ist schon ein guter Ausgangspunkt. Doch jetzt soll ein Kohlenkraftwerk in Río Turbio fertiggestellt werden, was den internationalen Zielen, denen sich auch Argentinien angeschlossen hat, widerspricht. Das Werk muss aufgegeben oder zunächst auf Gas umgestellt werden, bei Schließung des Kohlenbergwerkes. Nach der Kohle kommen die Kraftwerke an die Reihe, die Gas und Dieselöl verheizen. Man sollte sich somit schon jetzt überlegen, ob es sinnvoll ist, so viel Geld in Vaca Muerta zu investieren.

Der argentinische Stromkonsum teilte sich 2015 folgendermaßen auf:

  • Wärmekraftwerke auf Gasbasis: 47%

  • Wasserkraftwerke: 31%

  • Wärmekraftwerke auf Dieselölbasis: 16%

  • Kernkraftwerke: 5%

  • Wärmekraftwerke auf Kohlenbasis: 1,5%

  • Windstromanlagen, Solaranlagen u.a. saubere Energien: 0,7%

Inzwischen hat sich die Zusammensetzung geändert. Es wurden zahlreiche Windanlagen errichtet, was unter der Macri-Regierung besonders gefördert wurde, und es wurde ein großes Sonnenkraftwerk in der Hochebene von Jujuy errichtet, so dass der Anteil der sauberen Energien stark gestiegen ist. Gemäß offiziellen Angaben wurde die gesamte landesweite Stromnachfrage am Sonntag der Vorwoche zu 24,72% mit erneuerbaren Energien befriedigt, davon 71,46% mit Windkraftanlagen, 19,39% mit Sonnenanlagen, 5,6% mit Bioenergien und 3,5% mit kleinen Wasserkraftwerken. Im ganzen Jahr 2010 betrug der Anteil dieser Energien im Gesamtkonsum ca. 10%, und Präsident Fernández hat das Ziel von 30% für 2030 aufgestellt, tut aber kaum etwas, um es zu erreichen. Die offizielle Information ist ungenügend, mit veralteten Zahlen (wie die obigen von 2015) und zum Teil widerspruchsvoll.

Es bestehen schon 61 Windparks, mit insgesamt 3.178 MW, und 36 Solaranlagen mit 861,8 MW. In diesem Jahr sollen noch 11 neue Objekte mit insgesamt 386 MW hinzukommen. Doch der große Impuls, den die Macri-Regierung dieser Energie gegeben hat, besteht nicht mehr, wobei auch die bestehenden Stromfernleitungen keine Kapazität für mehr Strom haben.

Bei Wasserkraftwerken, Windanlagen und Sonnenenergie gibt es keine Luftverschmutzung. Da jedoch auf Jahre hinaus ein großer Teil des Energiebedarfs weiter mit Wärmekraftwerken gedeckt wird, müsste versucht werden, die Entladung von Abgasen in die Luft zu verringern. Angeblich gibt es für dieses Problem noch keine befriedigende Lösung. Es muss noch geforscht werden, und zwar sofort.

Argentinien hat, wie kaum ein anderes Land, effektive Möglichkeiten, um Strom ohne CO2-Ausstoss in großen Mengen zu erzeugen. Halten wir fest:

  1. Es bestehen noch mehrere Möglichkeiten für den Bau von großen Wasserkraftwerken. Die beiden von Santa Cruz, die sich in Bau befinden, sollten beschleunigt werden. Das beste Projekt ist das von Corpus, am oberen Paraná, aber die Einwohner der Provinz Misiones haben vor Jahren schon mehrheitlich dagegen gestimmt, weil der Staudamm sich auf eine Landfläche ausdehnt. Hier bedarf es einer politische Entscheidung auf höchster Ebene. Dann kommt noch Garabí, am oberen Uruguay-Fluss, hinzu, dass gemeinsam mit Brasilien gebaut wird, aber nicht voranschreitet. Und dann kommen noch mehrere mittlere und kleine Wasserkraftwerke an der Kordillere hinzu.

  2. Bei Windkraftwerken besteht ein immenses Potential in Patagonien, wobei in bestimmten Streifen, sogenannten Windkorridoren, ständig ein starker Wind bläst, was bei den Windanlagen zu einer höheren Stromerzeugung führt. Im Vergleich zu deutschen Windkraftwerken steigt die Leistung dabei sehr stark. Diese Anlagen sind sehr kapitalintensiv, so dass sie bisher nicht wirtschaftlich erschienen. Doch in den letzten Jahrzehnten hat die Technologie auf diesem Gebiet einen großen Fortschritt gemacht, und die Investition pro KW verringert. Es bestehen schon viele Windkraftanlagen, doch das sollte nur der Anfang sein. Es sollten hundert Mal so viele sein.

  3. Die Sonnenenergie wird auch für Stromerzeugung eingesetzt. In Jujuy wurde schon eine große Anlage zu diesem Zweck eingerichtet. Aber allgemein geht es darum, in Gegenden mit viel Sonne. Anlagen auf den Dächern zu errichten, die Strom für eine Wohnung erzeugen und den Überschuss eventuell an das allgemeine System übergeben. Dies wurde vor einigen Jahren schon gesetzlich geregelt. Das Problem besteht darin, dass Sonnenenergie tagsüber erzeugt und nachts konsumiert wird, so dass ein großer Bedarf an Batterien besteht. Lithiumbatterien erleichtern das Problem. Und Argentinien zählt jetzt auch zu den größten Lithiumproduzenten der Welt.

  4. Eventuell besteht auch die Möglichkeit, die Meeresenergie zu nutzen. Weltweit hat es auf diesem Gebiet einen sehr geringen Fortschritt gegeben, weil Meerwasser sehr korrosiv ist, und die Anlagen angreift. Es besteht eine konkrete Möglichkeit den Isthmus, der das Festland in der Provinz Chubut mit der Halbinsel Valdés verbindet, mit einer Röhre zu durchqueren, und dabei die entgegengesetzten Fluten und Ebben in den beiden Buchten, die eine Strömung in der einen und dann in der anderen Richtung herbeiführen, für Stromerzeugung zu nutzen. Auf alle Fälle sollte der Fall studiert werden.

  5. Ebenfalls besteht die Möglichkeit der Nutzung geothermischer Energie. In bestimmten Orten der Andekordillere, wie in Neuquén, bestehen nicht weit von der Oberfläche hohe Temperaturen, die durch Eingebung von Wasser genutzt werden können, das dann heiß an die Oberfläche kommt und wie bei einem Wärmekraftwerk für Stromerzeugung genutzt werden.

  6. An letzter Stelle erwähnen wir Kernkraftwerke, die ebenfalls kein CO2 ausstoßen. Es bestehen schon drei, und es gibt Projekte für weitere zwei, die von einer chinesischen Firma gebaut und teilweise finanziert werden sollen. Das Problem besteht hier nicht in der Gefahr, die diese Kraftwerke bei Unfällen darstellen, sondern in den hohen Kosten der Energie, die es vorläufig ratsam machen, diese Initiative hinauszuschieben. Die Sicherheit der Werke sollte nicht in Frage gestellt werden.

Es ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Formen gefunden werden, um elektrische Energie zu erzeugen. Der berühmte Physiker Nicola Tesla, Erfinder des Wechselstromes, hat seinerzeit einen vom ihm hergestellten Motor in ein Automobil eingebaut, das Energie aus der Luft mit einer hohen Antenne aufnahm. Das Auto erreichte dabei über 100 Stundenkilometer. Dies wurde von Fachleuten damals bestätigt. Doch Tesla starb kurz danach, und dann kam das Erdöl als billige Energiequelle auf, und der Fall wurde vergessen. Aber es sollte gewiss nicht unmöglich sein, den Tesla-Motor wieder zu bauen, oder mit völlig neuer Technologie Energie zu erzeugen. Denn schließlich gibt es überall Energie.

Das gegenwärtige Problem in Argentinien besteht darin, dass die Investition für die Erzeugung von elektrischem Strom bei allen Energieanlagen, die nicht auf Verbrennung fossiler Brennstoffe beruhen, viel höher als bei Wärmekraftwerken ist. Außerdem müssen dann viel mehr Stromfernleitungen errichtet werden. Ob der erzeugte Strom dann billiger als bei Wärmekraftwerken ist, hängt vom Zinssatz ab. Bei Zinsen unter 5% geht die Rechnung wohl in vielen Fällen auf, bei 10% gewiss nicht. In der fortgeschrittenen Welt sind die Zinsen immer noch sehr niedrig, so dass dieses Problem kaum besteht. Aber Argentinien hat gegenwärtig und auf Jahre hinaus kaum Zugang zum internationalen Kapitalmarkt, und der lokale ist auch kaum vorhanden. Öffentliche Gelder werden schon für Windkraftwerke u.a. eingesetzt, aber die finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt, besonders jetzt und in den nächsten Jahren, wenn das Staatsdefizit drastisch verringert und die bestehende Staatsschuld abgebaut werden muss.

Die Regierung, diese und die nächsten, steht vor einem besonders schwiegen Problem, das jedoch irgendwie gelöst werden muss. Es ist ratsam, die Experten auf dem Energiegebiet, von denen es mindestens ein Dutzend sehr gute gibt, zu beauftragen, die Energieproblematik gründlich zu durchdenken und Vorschläge zu machen. Das kann auf alle Fälle grobe Fehlentscheidungen vermeiden, die viel kosten und die Lösung noch schwieriger machen. Es wäre unverantwortlich, dem Problem auszuweichen, oder auch diesen Fall zu politisieren, wie es in Argentinien üblich ist. Schließlich noch eine Bemerkung: angesichts dieser komplizierten Energiezukunft sollte Strom nicht künstlich verbilligt werden, und es müsste mehr Anreize für einen sparsamen Verbrauch geben.


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