top of page
  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

"Einheit ist Pflicht"

Italien: Neuer Premier Draghi stellt Programm vor

Draghi
Mario Draghi spricht vor dem Senat. (Foto: dpa)

Rom (dpa/mc) - Italiens neuer Ministerpräsident Mario Draghi hat die Politik zum Zusammenhalt im Kampf gegen die Corona-Pandemie aufgerufen. "Heute ist Einheit keine Option, sondern eine Pflicht", sagte Draghi am Mittwoch in seiner Antrittsrede vor dem Senat in Rom. Nach einem deutlichen Vertrauensvotum im Senat mit 262 zu 40 Stimmen kann der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) auf eine gesicherte Startphase für seine Regierung bauen. Für die zweite gestern Abend angesetzte Abstimmung über sein Einheitskabinett in der Abgeordnetenkammer wurde ebenfalls eine solide Mehrheit für den 73-Jährigen erwartet.

Rund ein Jahr nach dem ersten großen Corona-Ausbruch in Italien nannte Draghi eine schnellere Impfkampagne sowie Reformen in Wirtschaft und Verwaltung als wichtige Ziele. Die Krise der Vorgänger-Koalition von Giuseppe Conte hatte das 60-Millionen-Einwohner-Land über Wochen blockiert.

Draghi zeigte sich in seiner gut 50-minütigen Rede überzeugt, dass eine neue politische Einheit von etwas gesteuert werde, was alle zusammenhalte - "der Liebe zu Italien". Die Bürger hätten unter der Pandemie stark gelitten, sie müssten sich auf die Institutionen verlassen können. Zugleich mahnte Draghi, der eine Schutzmaske trug, dass gute Reformpläne Zeit bräuchten.

Der Ökonom sagte, die Schulen müssten zu einem normalen Stundenplan zurückfinden. Distanzunterricht mache besonders im armen Süden Italiens große Schwierigkeiten. Die Ausbildung der jungen Generation sei für das ganze Land wichtig und müsse internationale Standards erfüllen.

Draghi strich die hohe Bedeutung des europäischen Gedankens heraus. Italien könne stolz sein auf seine Rolle als wichtiges Mitglied der Europäischen Union. Zugleich wolle seine Regierung die Beziehungen zu Deutschland und Frankreich "besser strukturieren und verstärken".

In Richtung EU unterstrich er, dass die Pläne zum Einsatz von rund 210 Milliarden Euro an Corona-Hilfen unter Beachtung der EU-Vorgaben eingesetzt würden. Sein Land wolle digitale Innovationen und den ökologischen Umbau, aber auch soziale Gleichheit und die Jugend stärken. Rom muss die Pläne dafür im April in Brüssel vorlegen.

Italienische Medien hoben hervor, dass der Katholik Draghi Papst Franziskus in der Rede namentlich erwähnte. Die Zeitung "Corriere della Sera" stellte auch heraus, dass der Applaus während der Rede sehr unterschiedlich in den Parteiblöcken verteilt war. Das sei ein Zeichen, dass alte Rivalitäten im Einheitskabinett Draghis längst nicht überwunden seien.

Draghi war am Samstag von Staatschef Sergio Mattarella vereidigt worden. Die meisten der 23 Ministerposten in seiner Koalition gehen an die populistische Fünf-Sterne-Bewegung (4) - die stärkste Kraft im Parlament. Die rechte Lega und die Sozialdemokraten besetzen je drei Posten mit ihren Politikern. Acht Minister sind parteilose Experten. Italiens Verfassung schreibt vor, dass eine Regierung innerhalb von zehn Tagen nach ihrer Bildung die Vertrauensfrage in den beiden Kammern stellen muss.

Nur die ultrarechten Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) haben eine klare Opposition angekündigt. "Kein anderer europäischer Staat wird von einem Ministerpräsidenten regiert, der weder direkt noch indirekt ein Mandat im Zuge von politischen Wahlen besitzt", schrieb Parteichefin Giorgia Meloni in einem Brief, den die Zeitung "La Repubblica" gestern veröffentlichte. Draghis Regierung sei zwar verfassungsrechtlich legitim, politisch jedoch beispiellos in Europa.

Die alte Mitte-Links-Koalition von Giuseppe Conte war im Januar mit dem Auszug der Splitterpartei Italia Viva von Matteo Renzi zerbrochen. Italia Viva sitzt auch im neuen Kabinett. Grund des Bruchs war der Streit um rund 200 Milliarden Euro an EU-Hilfsgeldern in der Corona-Krise gewesen. Am 26. Januar war Conte zurückgetreten.

 

Draghis Kabinett

Rom (dpa/mc) - Der neue italienische Regierungschef Mario Draghi hat ein Team mit bekannten und eher unbekannten Gesichtern zusammengestellt. Hier eine kleine Auswahl:

Außenminister bleibt Luigi Di Maio. Der 34-Jährige spielt in der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung eine zentrale Rolle, zeitweise war der Süditaliener Sterne-Chef. Er steht für eine stabile Außenpolitik - da seine Partei die stärkste Kraft im Parlament ist, soll er Draghi auch intern stützen.

Arbeitsminister Andrea Orlando (Sozialdemokraten/PD) besitzt Kabinettserfahrung aus früheren Zeiten, unter anderem unter dem damaligen Premier Matteo Renzi (damals PD, heute Viva Italia). Der 52-Jährige ist stark in der PD engagiert. Sein Bereich gehört zu den schwierigen Brocken wegen der Jobverluste durch die Corona-Krise.

Der Experte Roberto Cingolani wird Minister für ökologischen Umbau. Der Physiker (59) aus Mailand verbindet Wissen zu Klima und Ökothemen mit Technik. In den 90er Jahren war er in Stuttgart am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung. Sein Ressort ist neu - die EU fordert den „grünen“ Wandel.

 

Halbe Million Corona-Tote

Stockholm (dpa) - Mehr als eine halbe Million Menschen in der Europäischen Union sind mittlerweile in Verbindung mit einer Corona-Infektion gestorben. Wie aus den gestern aktualisierten Vergleichszahlen der EU-Gesundheitsbehörde ECDC hervorging, sind bislang rund 515.500 Menschen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Zusammenhang mit einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 verstorben. Zieht man die drei EWR-Länder Norwegen, Island und Liechtenstein davon ab, kommt man für die EU auf knapp 514.850 Todesfälle. Eine Woche zuvor hatte die EU-Zahl bei rund 495.000 gelegen.

Aus den 27 EU-Staaten sind den Angaben zufolge insgesamt bislang rund 21 Millionen Infektionen mit Sars-CoV-2 gemeldet worden. Das ist ein Anstieg im Vergleich zur Vorwoche um etwa 635.000 Neuinfektionen. Deutschland als bevölkerungsreichster EU-Staat hat bislang weiterhin die viertmeisten Corona-Fälle nach Frankreich, Spanien und Italien verzeichnet. Bei den gemeldeten Todesfällen liegt die Bundesrepublik knapp hinter Spanien ebenfalls auf Rang vier.

Die Zahlen des in Stockholm ansässigen ECDC reichen immer bis zum Ende der jeweiligen Vorwoche, diesmal also bis zur am 14. Februar beendeten Kalenderwoche 6. Sie werden zwischen Montag und Mittwoch von Experten zusammengetragen und am Donnerstag aktualisiert. Die tatsächlichen Infektions- und Todesfallzahlen bis gestern werden also mittlerweile höher sein. Darüber hinaus werden bei weitem nicht alle Infektionen nachgewiesen und registriert.


1 visualización
bottom of page