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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Eine wahlbedingte Wirtschaftspolitik

Von Juan E. Alemann

Die bevorstehenden Wahlen wirken sich direkt auf die Wirtschaft aus, aber sie bedingen auch die Wirtschaftspolitik der Macri-Regierung. Die Tatsache, dass Cristina Kirchner eine Chance hat, die Wahlen zu gewinnen, wirkt paralisierend. Denn man geht davon aus, dass sie Gefangene ihrer Vorurteile und des “antimacrismus” sein und Populismus betreiben wird, aber ohne Geld, was katastrophale Folgen haben würde, mit der Gefahr einer Hyperinflation und chaotischer Zustände. Aber auch bei einem Präsidenten, der aus den Reihen des nicht kirchneristischen Peronismus stammt, der sich für “Alternativa Federal” aufstellt und eventuell mit der Unterstützung von Sozialisten und linken Radikalen zählt, sei es Lavagna, Massa oder sonst wer, bestehen Zweifel über die Beibehaltung bestimmter Prinzipien der bestehenden Wirtschaftspolitik, vor allem bezüglich Energie und Landwirtschaft. Von ihnen wird eher eine Schließung der Wirtschaft erwartet, mit strenger Devisenbewirtschaftung und einem extremen Interventionismus. Die Regierung muss sich mit der Tatsche abfinden, dass die Gestaltung der Wirtschaftspolitik mit diesem Horizont schwierig geworden ist.

Dennoch ist sich Präsident Mauricio Macri bewusst, dass er jetzt die Wirtschaftspolitik in vielen Aspekten so gestalten muss, dass sich seine Wahlaussichten spürbar verbessern. Er hat somit beschlossen, eine Pause bei seinen langfristigen Konzepten einzuschalten. Es geht jetzt an erster Stelle um eine Senkung der Inflationsrate, die im März angeblich um die 4% (gemessen am Index der Konsumentenpreise) liegen wird. Ab April müsste sie unter 2% monatlich liegen.

Als erstes erfordert dies eine Beherrschung des Wechselkurses. Es darf keine Kurssprünge geben und auch keine größeren Kursschwankungen, die Unruhe herbeiführen und sich auf die Preise auswirken. Der Wechselkurs muss jetzt hinter der internen Inflation zurückbleiben. Das ist das klassische Stabilisierungsrezept. Solange der Kurs dabei real relativ hoch bleibt, was bedeutet, dass die Preise die Abwertung, die ab Mitte 2018 eingetreten ist, nicht voll aufholen, ist der Fall nicht so schlimm. Doch wenn zu weit gegangen wird, und der Wechselkurs wieder real “zu niedrig” ist, dann taucht sofort am Horizont die nächste Krise auf.

Die Regierung hat jetzt die Möglichkeit, den Kurs zu beherrschen. Einmal stehen $ 10,8 Mrd. bereit, dessen unmittelbarer Einsatz der IWF genehmigt hat. Die ZB kann ab 15. April u$s 60 Mio. pro Tag verkaufen. Wahrscheinlich wird das jedoch nicht notwendig sein. Was nicht klargestellt wurde, ist ob die Grenze für jeden Tag gilt, oder ob an einem Tag keine Dollarverkäufe stattfinden und eventuell am nächsten $ 120 Mio. verkauft werden können. Die Kumulierung der täglichen u$s 60 Mio. würde beruhigend wirken. Aber das muss vorher klargestellt werden.

Dann kommen die Dollar der Rekordernte herein. Kritiker weisen darauf hin, dass die Exporteure die Dollar eventuell im Ausland behalten, statt sie in Pesos umzuwandeln. Dabei wird vergessen, dass die Exporteure von Getreide und Ölsaat diese Ware von Landwirten und lokalen Händlern kaufen und bestenfalls ihren Nettogewinn im Ausland lassen können, der bezogen auf den Exportwert minimal ist. Und die Landwirte benötigen das Geld auch, zunächst um Schulden zu zahlen und dann um Ausgaben für die Periode 2019/20 zu zahlen, in der sie voraussichtlich auch viel säen und düngen werden. Dann kommt noch der Erlös anderer Exporte hinzu, an erster Stelle Rindfleisch, das dieses Jahr in wesentlich höheren Mengen produziert und exportiert wird. Hinzu kommen noch Exporte von Informatiksoftware, die schon einen bedeutenden (und stark steigenden) Betrag ausmachen. Gleichzeitig wird wenig importiert, so dass die Dollarnachfrage sinkt. Dann kommen noch Auszahlungen von Krediten hinzu, die die Weltbank, die BID, chinesische Banken u.a Banken gewährt haben, die zusammen einen bedeutenden Betrag ausmachen, der viel höher als der der Amortisation bestehender Kredite ist.

Die Dollarkäufe für Hortungskäufe dürften jetzt gering sein, weil Pesoknappheit besteht und viele Menschen Dollar aus ihrem Bestand verkaufen müssen, um Ausgaben zu decken. Bei der restriktiven Geldpolitik, die jetzt betrieben wird, tritt dieses Verhalten stärker ein. Man darf nicht vergessen, dass der normale Liquiditätsbedarf, der in jeder Wirtschaft besteht, in Argentinien weitgehend in Dollar gehalten wird, die dann je nach dem Pesobedarf verkauft werden. Man kann somit davon ausgehen, dass es der Regierung gelingt, den Devisenmarkt zu beherrschen und den Wechselkurs auf einem einigermaßen stabilen Niveau zu halten. Wobei jedoch Überraschungen nie ausgeschlossen sind.

Doch gleichzeitig mit der kursbedingten Politik der Senkung der Inflationsrate, will die Regierung auch direkte Maßnahmen ergreifen: an erster Stelle soll das Programm der “gepflegten Preise” ausgeweitet werden. Lilita Carrió schlug vor, auch zu bestimmen, dass die Supermärkte die verbilligten Waren an sichtbaren Stellen zeigen müssen, bei Knappheit derselben bestraft werden, und dergleichen mehr. Darauf ist Macri jedoch nicht eingegangen. Ebenfalls war die Rede davon, bei einer Liste von 40 Produkten des täglichen Konsums, die Preise einzufrieren. Ebenfalls sollen weitere Tariferhöhungen hinausgeschoben werden.

Außerdem soll die Konjunktur durch subventionierte Kredite für den Kauf von dauerhaften Konsumgütern (Haushaltsgeräten, Möbeln, Bekleidung u.a.) angetrieben werden: Es sollen angeblich wieder Zahlungen in 12 und eventuell 18 monatlichen Raten erfolgen. Doch wenn man von gegenwärtigen Zinsen von 60% bis 100% ausgeht, die bei Konsumkrediten über Kreditkarten von den Banken gefördert werden, verbleiben die Zinsen auch bei einer Senkung auf die Hälfte sehr hoch. Und wenn der Zinssatz viel niedriger angesetzt wird, dann entstehen bei den Banken Probleme.

Bei einem Kredit von über 60% Zinsen und mehr ist es für den Konsumenten ein schlechtes Geschäft, mit Ratenzahlung zu kaufen. Angenommen die Inflation erreicht 40%, was schon viel mehr wäre, als die privaten Konsumenten allgemein annehmen, dann verbleibt ein realer Zinssatz von über 20%. Und in Dollar wären es bei einem Kurs, der hinter der Inflation zurückbleibt, noch mehr, eventuell über 30%. Einfach absurd!

Es wäre also auf alle Fälle günstiger, sich in Dollar zu verschulden. Auch ein Zinssatz von10%, der anormal hoch wäre, wäre günstiger als diese absurden Pesozinsen. Als erstes sollte die Bestimmung außer Kraft gesetzt werden, dass die Banken nur Dollarkredite für Finanzierung von Außenhandelsgeschäften gewähren können. Die Banken müssen beurteilen, wer einen Dollarkredit verkraften kann und wer nicht. Das Argument, dass die Schuldner über Pesos und nicht über Dollar verfügen, ist abwegig, denn es geht nur um die Berechnung des Pesobetrages, der für die Zahlung der Schuld notwendig ist. Ob der Schuldbetrag in Pesos mit dem Dollarkurs oder dem UVA-Index oder einem anderen berichtigt wird, ändert nicht viel. Das Argument, dass Argentinien keine Dollar druckt, das in diesem Zusammenhang erwähnt wird, hat keinen Sinn. Ein Schuldner in den Vereinigten Staaten druckt auch keine Dollar.

Die Banken verfügen über Dollardepositen von leicht über u$s 35 Mrd., und bei der Mindestreserven von 20% (sie sind hier viel niedriger als bei Pesodepositen) verbleiben $ 28 Mrd. Doch die Dollarkredite betragen nur u$s 16 Mrd., so dass u$s 12 Mrd. zur Verfügung stehen, um sofort weitere Kredite zu vergeben. Da die Banken sehr niedrige Zinsen auf diese Depositen zahlen, können sie auch Dollarkredite zu Zinsen unter 10% vergeben.

Leider wird das bimonetäre System, das in Argentinien besteht, nicht begriffen. Auch von den meisten Fachökonomen nicht, vor allem denen, die in den USA studiert haben, wo so etwas undenkbar ist. Ein bimonetäres System wie in Argentinien, das die Gesellschaft seit Jahrzehnten in ihren Gewohnheiten fest verankert hat, gibt es sonst nirgends. Venezuela geht in den letzten Jahren in die gleiche Richtung, ist aber noch lange nicht so weit wie Argentinien. Die Verwendung des Dollars hat es dort erlaubt trotz Hyperinflation weiter zu wirtschaften. Ohne den Dollar als faktische interne Zweitwährung, wäre die Krise in Venezuela noch viel schlimmer.

Die Regierungssprecher weisen ständig darauf hin, dass immer mehr Daten der realen Wirtschaft (Industrieproduktion, Bauwirtschaft u.a.) auf eine Besserung gegenüber Ende 2018 hinweisen, auch wenn sie unter dem gleichen Monat des Vorjahres liegen. Es dürfte gewiss zunehmende Besserungen geben, die zunächst besonders in der Getreide- und Ölsaatgegend aufkommen, wo die Landwirte mehr Geld erhalten und dann auch mehr ausgeben, was zunächst in den Dörfern der Gegend zum Ausdruck kommt. Doch diese Entwicklung geht offensichtlich zu langsam, um im Oktober schon so stark aufzutreten, dass die Wähler dann für die Regierung stimmen. Deshalb will die Regierung den Aufschwung beschleunigen, auch mit Maßnahmen, die nicht sehr orthodox sind und im Grunde mehr zur Wirtschaftspolitik von Cristina Kirchner als der von Mauricio Macri passen.

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