Von Juan E. Alemann
Minister Martín Guzmán hat schon vor zwei Wochen auf die Besteuerung von “unerwarteten” Gewinnen hingewiesen, die nicht auf Investitionen oder dem Erfolg unternehmerischer Initiativen beruhen. Sogenannte Zufallsgewinne (die von Ökonomen auf Englisch als “windfall Profits” benannt werden) gibt es immer. Doch Guzmán bezog sich konkret auf die Hausse bei Weizen, Mais und Sonnenblume, die durch den Ausfall ukrainischer (und eventuell auch russischer) Lieferungen entstanden ist, und auch auf Soja u.a. Arten von Getreide und Ölsaaten übergegangen ist. Die Hausse überträgt sich auch auf die internen Preise in Argentinien und führt zu höheren Gewinnen der Landwirte, die diese Produkte erzeugen.
Handelssekretär Roberto Feletti u.a. in der Regierung wollten diese Gewinne durch eine Erhöhung der Exportzölle abschöpfen und somit die internen Preise der betreffenden Exportprodukte niedrig halten. Wirtschaftsminister Martín Guzmán hatte sich dieser Meinung angeschlossen. Aber Landwirtschaftsminister Julián Dominguez, der auch politisch großes Gewicht hat, opponierte, und Präsident Fernández stimmte ihm schließlich zu.
Die Landwirte sind sofort gegen eine Erhöhung der Exportzölle aufgetreten. Seit sie 2008 einen Beschluss zu Fall brachten, der eine bewegliche Exportsteuer auf Sojabohne schuf, die an den internationalen Preis gebunden war, fühlen sie sich politisch stark. Man muss sich der Tatsache bewusst sein, dass der Landbesitz sehr aufgeteilt ist, es über 300.000 landwirtschaftliche Betrieb in ganzen Land gibt, die mehr als doppelt so vielen Personen gehören. Von diesen Betrieben hängen auch viele andere Personen ab: die Landarbeiter (die bei guter Konjunktur der Landwirtschaft in der Regel bessere Löhne erhalten), die zahlreichen Fachleute (die sich mit Bodenanalysen, Düngung und technologischen Aspekten der Landwirtschaft befassen), die Unternehmer, die Saat- und Erntedienste mit eigenen Maschinen bieten, sowie ihr Personal, und schließlich der Handel und die Dienstleistungen, die in den Landwirten in den Dörfern geboten werden. Die Zahl derjenigen, deren Einkommen direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängt, ist so groß geworden, dass sie politisch ins Gewicht fällt. Der Konflikt von 2008 hat die Regierung viele Stimmen gekostet, und jetzt wären es wohl noch mehr. Das wissen auch die Gouverneure und die Politiker, die aus landwirtschaftlichen Provinzen kommen. Die Ausnahme ist die Provinz Buenos Aires, in der sich Gouverneur Axel Kicillof nur um die Bewohner der armen Vororte der Bundeshauptstadt kümmert (die politisch weitgehend zu Cristina stehen), aber die Landwirte ignoriert.
Guzmán musste somit seine ursprüngliche Initiative aufgeben, nur die Landwirtschaft der sogenannten “feuchten Pampa” zusätzlich zu besteuern. Es hieß jetzt, das Prinzip der “unerwarteten” Gewinne gelte für alle. Doch offensichtlich fand weder Guzmán noch sonst jemand in der Regierung eine Form, um diese Zufallsgewinne zu definieren und steuerlich zu erfassen, die schließlich überall auftreten und sehr verschiedene Ursachen haben, ebenso wie die Zufallsverluste, die jetzt nicht erwähnt werden.
Somit schrumpfte die ursprüngliche Initiative, und endete in einer Steuer auf zusätzliche Gewinne von Unternehmen mit einem Umsatz von über einer Milliarde Pesos, was zum offiziellen Kurs an die u$s 9 Mio., und zum freien Kurs um die u$s 5 Mio. ergibt. Bei den Unternehmen, die an der Börse kotieren, fallen angeblich 28 unter diese Kategorie. Es kommen dann noch andere hinzu, vor allem ausländische, die nicht an der Börse kotieren. Das betrifft eventuell Unternehmen, die im Bereich der Erdölwirtschaft, des Bergbaus, der Kfz-Industrie und eventuell auch der Landwirtschaft tätig sind. Aber mehr als 40 sind es auf keinen Fall. Wie bei der Steuer auf hohe Vermögen kommt auch hier das marxistische Vorurteil zum Ausdruck, das Großunternehmen irgendwie schädlich für die Gesellschaft sind.
Wenn der zusätzliche Gewinn investiert wird, soll er laut Guzmán nicht besteuert werden. Das würde jedoch eine Bevorzugung gegenüber Unternehmen bedeuten, die nicht von der Sondersteuer erfasst werden, bei denen Investitionen nicht vom Gewinn (ganz oder zum Teil) abgezogen werden können. Somit kann man davon ausgehen, dass auch diese Bestimmung des Gesetzes legal beanstandet wird. Man hat den Eindruck, dass kein Steuerexperte über diese neue Steuer zu Rate gezogen wurde.
Es ist in den meiste Fällen schwer, den “unerwarteten Gewinn” zu bestimmen. Allein das stellt rein steuertechnisch ein kaum lösbares Problem dar. Auch müssten dann vom rein steuerlichen Standpunkt “unerwartete Verluste” nicht nur vom Gewinn abgezogen werden, wie es schon der Fall ist, sondern durch eine Subvention zum Teil ausgeglichen werden. Auch müssten die Fälle berücksichtigt werden, bei denen ein Unternehmen den Umsatz von einer Milliarde Pesos mit verschiedenen Tätigkeiten zusammenbringt, von denen eventuell nur eine von besonderen Umständen betroffen ist, die zu einem Sondergewinn führen. Vom rein steuerlichen Standpunkt raten die Fachleute, von zu komplizierten Steuern Abstand zu nehmen, weil sie oft schwer lösbare Probleme schaffen und die Steuerämter stark belasten. Abgesehen von den rein steuertechnischen Problemen tritt auch ein juristisches Problem auf. Denn eine Diskriminierung auf Grund der Unternehmensgröße ist nicht zulässig. Außerdem wäre dies ein weiteres Signal gegen Großunternehmen, die in vielen Fällen unerlässlich sind und in Argentinien faktisch nur mit Auslandsinvestitionen möglich sind.
Man kann somit davon ausgehen, dass dieses Steuerprojekt schließlich aufgegeben wird, womöglich schon bevor es in der Deputiertenkammer behandelt wird.
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