Von Juan E. Alemann
Die zentrale Gegend Argentiniens, die als “feuchte Pampa” benannt wird, und auch umgebende Gebiete, konzentrieren die Produktion von Getreide, Ölsaaten und Rindfleisch, die mit ihren verarbeiteten Produkten (Speiseöl, Sojamehl u.a.) über zwei Drittel der Exporte ausmachen und die Nahrungsgrundlage der Bevölkerung bieten. Auf diese Gegend entfällt auch der allergrößte Teil der Produktion von Milch und Gemüse, zu dem in geringerem Umfang noch Obst (an erster Stelle Orangen) hinzukommen. Hinzu kommt jetzt zunehmend die Schweinezucht. In früheren Zeiten gab es hier auch viele Schafe, die Wolle (die in hohem Umfang exportiert wurde) und auch Fleisch lieferten. Doch seit längerer Zeit schon hat sich die Schafzucht auf Patagonien verlagert, und die Wollproduktion ist unbedeutend geworden.
Im Landwirtschaftszyklus 2020/21, ist eine schwere Dürre eingetreten, aber gleichzeitig eine Zunahme der Preise von Sojabohne, Mais, Weizen und auch anderen Arten. Gesamthaft wird dabei mit einem höheren Exporterlös gerechnet als im Vorjahr. Es dürften über u$s 10 Mrd. mehr sein. Das bedeutet auch, dass die Landwirte eine ungleiche Einkommensentwicklung haben. Diejenigen, die wenig von der Dürre betroffen wurden, werden ein viel höheres Nettoeinkommen haben, während die stark betroffenen eventuell einen totalen Verlust erleiden und kein Einkommen haben. Die Lage ist sehr differenziert. Die Regierung, die unter normalen Umständen bei stark gestiegenen internationalen Preisen versuchen würde, einen Teil durch höhere Exportzölle abzuschöpfen, muss jetzt in dieser Beziehung vorsichtig sein, weil viele Landwirte mit ihrer knappen Ernte auch bei höheren Preisen kaum oder gar nicht auskommen.
Was die Dürre betrifft, so sei bemerkt, dass sie dank direkter Aussaat, und auch wegen Düngung und Einsatz von Samen, die widerstandsfähiger gegen Dürre sind, eine beschränkte Wirkung hat. Schließlich wird die Gesamternte von Getreide und Ölsaat immer noch über 110 Mio. Tonnen liegen, und wenn es noch regnet, auch über 120 Mio. Man muss sich vor Augen halten, dass die Gesamternten in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts noch unter 30 Mio. Jato lagen, und in den 90er Jahren unter 60 Mio. Jato. Über 100 Mio. Tonnen sind es erst seit einigen Jahren. Die Ernte 2018/19 erreichte einen Rekord von 145 Tonnen, und die von 2019/20 lag um die 135 Mio. Die Berechnung der Ernte ist sehr ungenau und beruht zum großen Teil auf Schätzungen. Am besten ist die Berechnung des US-Landwirtschaftsdepartements auf Grund von Satelittenvideos, die von Experten ausgewertet werden. Es ist nicht bekannt, ob die Regierung über diese Daten verfügt, für die sie eine Gebühr zahlen muss. Gut wäre es auf alle Fälle, denn sonst tappen wir im Dunkeln.
Die Dürre hängt mit dem Phänomen “La niña” zusammen. Es handelt sich um eine warme Meeresströmung im pazifischen Ozean, die sich gelegentlich der südamerikanischen Küste nähert, dabei mehr Wasserverdunstung erzeugt, die der Wind über die Andenkordilleren nach Argentinien bringt, wo sie zu Regen führt. Da dieses Phänomen zum Jahresende eintritt, wird es mit Weihnachten und der Geburt von Jesus Christus in Beziehung gebracht, und “el niño” (Jesus) genannt. Jetzt war es umgekehrt; die Strömung hat sich von der Küste Südamerikas entfernt, und dann spricht man von “La niña”, um den Gegensatz auszudrücken. Im Laufe dieses Jahres sollte sich die Lage verändern, und eventuell umkehren.
Zu diesem Phänomen kommt noch der weltweite Klimawandel hinzu, der sich auch auf Argentinien auswirkt, obwohl er in dieser Beziehung bisher wenig studiert worden ist. Auf alle Fälle haben die extremen Klimabedingungen eine direkte Beziehung zum Klimawandel, der mit ungewohnt hohen Regenfällen und Überschwemmungen in einigen Gegenden, auch in solchen, in den es sonst kaum regnet, und mit extremer Trockenheit und ausgedehnten Waldbränden in anderen aufgetreten ist. Hierzu sei bemerkt, dass Argentinien ohnehin wenig zum weltweit hohen CO2-Ausstoss beiträgt, und ihn durch direkte Aussaat und auch durch den intensiven Ausbau von sauberen Energiequellen (Wasser, Wind und Sonne) verringert hat. Kohle, der größte Umweltsünder, wird bei Kraftwerken nicht verwendet. Es fehlt nur die Schließung des absurden Kohlenbergwerkes in Río Turbio, was auch ein Beitrag zum Klimaschutz wäre. Wenn ein weltweites System eingeführt würde, bei dem ein hoher Ausstoß von Kohlendioxi mit einer Steuer bestraft und der niedrige subventioniert wird, würde Argentinien zu den Subventionsbeziehern gehören.
Zurück zum Landwirtschaftsproblem. Der Preis für Sojabohne ist in den letzten Wochen um über 50% gestiegen und hat am Dienstag schon die Schwelle von u$s 500 pro Tonne überschritten, ein Preis, der zum letzten Mal im Jahr 2014 erzielt wurde. Aber auch der Preis von Mais und Weizen ist stark gestiegen. Das ist eine direkte Folge der Erholung der chinesischen Wirtschaft, die die pandemiebedingte Rezession überwunden hat, und seit Wochen wieder wächst. Bei höheren Einkommen essen die Chinesen mehr tierische Proteine, und diese werden mit Mästung auf Grund von Sojamehl und Mais erzeugt. Auch andere Länder Asiens, die zu großen Kunden für argentinisches Getreide und Ölsaat aufgestiegen sind, geht es besser.
Diese Hausse bei Getreide und Ölsaat hat auch interne Folgen. Der höhere Weizenpreis wirkt sich auf den von Brot und Teigwaren aus, der von Sojabohne und Mais, die als Nahrungsmittel für Geflügel, Schweine und auch Rinder eingesetzt werden, wirkt sich auf die Kosten dieser Fleischarten und der Milch aus, die dann auf die Preise von Geflügelfleisch, Schweinefleisch, Rindfleisch und Milch abgewälzt werden. Schließlich findet dabei eine Einkommensverschiebung vom städtischen Konsumenten auf Landwirte statt. Und gerade das, will diese Regierung nicht, besonders Cristina nicht, weil dies ihre Wählerschaft in den armen Bezirken der Umgebung der Bundeshauptstadt direkt trifft. Aber im Grunde kann die Regierung dieses Mal wenig tun, um diese Einkommensübertragung zu vermeiden, wobei ohnehin eine Exportzunahme bitter notwendig ist.
Beim Mais hat die Regierung jetzt eingegriffen, und ein Exportverbot verhängt, so dass der Restbestand der Ernte 2020/21 für die Ernährung von Geflügel, Schweinen und Rindern (auch Milchkühen) gesichert wird. Es bestand die Gefahr, dass Knappheit aufkam, und der Preis dann stark in die Höhe springen würde. Denn von der Gesamternte von 38,50 Mio. Tonnen wurden schon 34,23 Mio. für den Export verpflichtet, so dass nur 4,27 Mio. Tonne verbleiben. Das Problem, das hier besteht, liegt vornehmlich im fehlenden Kreditsystem. Normalerweise sichern sich die lokalen Käufer von Mais die notwendige Menge, indem sie einen Bankkredit aufnehmen und mit diesem zahlen. In früheren Zeiten hat die Getreidejunta (die 1934 geschaffen und 1982 aufgelöst wurde) Mais und Weizen für den lokalen Konsum rechtzeitig gekauft und dann im Laufe des Jahres an die Mühlen u.a. Konsumenten geliefert. Das heißt, dass der Staat die Finanzierung übernahm. Diese Rolle entfällt jetzt auf die Banco Nación u.a. staatliche Banken. Dann wäre die Exportsperre nicht notwendig, die sofort den Protest der Landwirte herbeigeführt hat. Sie befürchten, dass es zu weiteren Maßnahmen dieser Art kommt, um die Preise ihrer Produkte künstlich zu senken.
Unter der Regierung von Cristina Kirchner hat Handelssekretär Guillermo Moreno systematisch in diesem Sinn gehandelt, und das vergessen die Landwirte nicht. Zum Maisproblem kommt noch der Umstand hinzu, dass die Landwirte vom hohen Preis für Sojabohne nur zum Teil profitieren, da Sojabohne, bei Berücksichtigung des Exportzolls, zu einem Kurs von ca. $ 52 pro Dollar verrechnet wird, also unter dem Drittel des freien Kurses. Die landwirtschaftlichen Verbände haben daraufhin zu einer Aufhebung der Tätigkeit (was einem Streik entspricht) für drei Tage ab Montag aufgerufen. Das hat vorerst nur symbolische Bedeutung, wirkt jedoch politisch negativ für die Regierung. Denn dabei ist sofort die Erinnerung an den Konflikt von 2008 wegen des Beschlusses 125 aufgekommen.
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