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Eine neue Wirtschaftsministerin in einem schwierigen Umfeld

Von Juan E. Alemann

Silvina Batakis
Silvina Batakis. (Foto: Telam)

Die neue Wirtschaftsministerin Silvina Batakis, unter Freunden “die Griechin” benannt, hat in La Plata Wirtschaft studiert, wie ihr Vorgänger Guzmán, und dann in York, Großbritannien, einen Fortbildungskurs abgeschlossen, und weist somit eine sehr komplette Ausbildung auf ihrem Fachgebiet aus. Sie kennt sich in der Routine des Wirtschaftsministeriums bestimmt gut aus, nachdem sie eine mehrjährige Erfahrung als Wirtschaftsministerin in der Provinz Buenos Aires, unter Daniel Scioli als Gouverneur (der jetzt ihr Kollege im Wirtschaftskabinett ist) mit sich bringt, und sich im Wesentlichen um die Provinzfinanzen gekümmert hat. Die wirklichen Wirtschaftsentscheidungen entfallen auf den Nationalstaat, so dass sie mehr eine Finanzministerin war. Ideologisch liegt sie, gemäß früheren Veröffentlichungen, ziemlich weit links. In der Privatwirtschaft hat sie nie gearbeitet.

Die Wirtschaftswelt, und die Gesellschaft allgemein, haben sie mit einem Misstrauensvotum empfangen: der freie Dollarkurs sprang am Montag in die Höhe, die ZB musste erneut zur Geldschöpfung greifen, um Staatstitel für $ 400 Mrd. zu kaufen, um eine starke Baisse zu verhindern, und viele Preise wurden erhöht, so dass jetzt mit einer Zunahme des Indices der Konsumentenpreise von über 5% im Juni und bis zu 10% im Juli gerechnet wird.

In letzter Zeit war Batakis im Innenministerium, unter Minister Eduardo “Wado” de Pedro tätig, der zur Truppe von Cristina gehört. Dort hat sie sich um die Überweisungen an die Provinzen gekümmert. Die Provinzen erhalten außer ihrer Beteiligung an den Bundessteuern auch zusätzliche hohe Beträge, die im Wesen eine Beteiligung an der Geldschöpfung darstellen, mit der der Bundesstaat einen Teil seiner Ausgaben deckt, bei der es jedoch keine automatische Aufteilung des Betrages zwischen Bundesstaat und den einzelnen Provinzen gibt. Diese Aufteilung ist stark politisch bedingt, Frau Batakis hat dabei den Anweisungen von Cristina Kirchner gehorcht und die Provinz Buenos Aires bevorzugt, die Cristina als ihre Hochburg betrachtet, obwohl sich dies eigentlich nur auf arme Bezirke, wie “La Matanza”, bezieht. Hat sie Cristina deshalb mit dem Wirtschaftsministerium belohnt?

Man fragt sich jetzt, ob die Griechin nur eine kurzfristige Übergangsministerin sein wird, oder es schafft, bis zum 10. Dezember 2023 zu gelangen, also die bisherige Strategie der Regierung weiterzuführen, die Probleme immer wieder zu verschieben, ohne sie zu lösen. Wenn sie platzen, soll es unter der nächsten Regierung sein, die voraussichtlich auf die Opposition übergeht. Die Wirtschaftswelt ist überzeugt, dass die gegenwärtige Megakrise einen Wirtschaftsminister von Format erfordert, mit starker Persönlichkeit, viel Mut und Überzeugung, der von vornherein mit Vollmachten ausgestattet ist und von Alberto und Cristina nicht behindert wird. So ein Wirtschaftsminister wäre das genaue Gegenteil von Silvina Batakis.

Die Strategie der Regierung, die Frau Batakis angeblich fortführen will, wird immer schwieriger, so dass die Möglichkeit zunimmt, dass es vorher zu einem Zusammenbruch kommt. Was man von vornherein ausschließt, ist, dass Frau Batakis als eine Wirtschaftsministerin von Format auftritt, die echte Lösungen für die Probleme in Angriff nimmt, und dabei auch die politischen Kosten trägt. Dabei müsste sie sich auch mit Cristina streiten, was sie gewiss vermeiden will. Und auch der weiche Alberto würde sie nur halbherzig unterstützen. Frau Batakis müsste beide unter Druck setzen und mit ihrem Rücktritt drohen, was sie jedoch bestimmt nicht tun wird.

Das erste Problem, das unmittelbar auf sie zukommt, besteht in der internen Staatsverschuldung. Es ist in letzter Zeit für das Schatzamt schwierig geworden, Staatstitel im Umfang der Amortisationen bestehender Titel, und noch darüber hinaus, unterzubringen. Guzmán musste vor zwei Wochen großen Druck auf die Bänker ausüben, damit sie ihm erlaubten, einen Teil der Titel, die unmittelbar verfielen, zu strecken, so dass er das Gleichgewicht zwischen Ausgabe neuer Titel und Verfall der alten erhalten konnte.

Die Möglichkeit der Unterbringung neuer Titel ist heute sehr beschränkt, was u.a. in der hohen Geldschöpfung zum Ausdruck kommt, mit der die ZB dem Schatzamt kurzfristige Mittel überträgt. Wenn die Banken und der Finanzmarkt allgemein keine Staatspapiere mehr aufnehmen, dann steigt die Geldschöpfung in gefährlichem Ausmaß, und dann rückt die Hyperinflation in die Nähe. In einem Jahr hat sich die monetäre Basis (Banknoten plus Bankdepositen bei der ZB) fast verdoppelt, und liegt jetzt über 3,5 Bio. Achtung!

Zentralbanken nehmen normalerweise keine eigenen Schulden auf. Sie handeln dabei im Auftrag des Schatzamtes (was die argentinische auch tut) verschulden sich aber selber nicht. Die argentinische ZB hat hingegen eine Schuld in Form von Leliq und passiven Swaps, die hoch verzinst werden, so dass der Betrag ständig wächst. Dies wird nicht als Staatsdefizit betrachtet, und auch bei der Staatsschuld nicht berücksichtigt, obwohl es eindeutig in diese Kategorien gehört. Der Betrag der Leliq ist auf über 6,5 Bio. angewachsen, fast doppelt so viel wie ein Jahr zuvor, und steigt wegen der hohen Zinsen, die mit neuen Leliq beglichen werden, ständig weiter.

Die einzige mögliche Lösung, die hier in Betracht kommt, ist eine Art Bonex-Plan, wie der von 1990, bei dem die Leliq in langfristige Dollartitel umgewandelt werden, die niedrig verzinst werden. Das schafft ein Problem bei den Banken, die den Löwenanteil dieser Leliq halten. Was sie auf ihre Pflichtreserven anrechnen stellt kein Problem dar, wohl aber der Rest. Die ZB muss dann eben sehen, wie sie mit den Banken auskommt, damit sie nicht zusammenbrechen. Auch dieses wirtschaftlich und politisch äußerst schwierige Problem kommt auf Frau Batakis zu, ob sie will oder nicht, und sie muss eine Lösung finden. Lange vor Dezember 2023 platzt sonst dieser Teufelskreis.

Im direktem Zusammenhang mit der Staatsverschuldung steht das Defizit der Staatsfinanzen, Frau Batalis steht somit vor der Aufgabe, es zu verringern, und das ist für sie noch schwieriger als für Guzmán. Denn sie will bestimmt keinen Konflikt mit Cristina haben. Und diese hat nicht den geringsten Sinn für Sparmaßnahmen. Sie stützt, im Gegenteil, die Forderungen ihre Leute, die mehr Geld für soziale Zwecke wollen, sich gegen eine angemessene Erhöhung des Stromtarifs und auch anderer Tarife öffentlicher Dienste stemmen, und ständig zusätzliches Personal einstellen. Die Staatsausgaben lagen real, also ohne die Inflation zu berücksichtigen, im ersten Halbjahr 2022 um 12,8% über dem Vorjahr. Schlimm!

Der K-Verein “La Cámpora”, geleitet von Máximo Kirchner und “cuervo” Larroque, ist im Wesen eine Stellenvermittlungsagentur im staatlichen Bereich. Ohne dies würde er viel weniger Mitglieder haben. Frau Batakis muss Schluss damit machen, mit einem Dekret, dass zusätzliche Beamteneinstellungen verbietet und die freiwerdenden Stellen einfriert. Und sie müsste erreichen, dass sich auch Provinzen und Gemeinden sich dieser Norm anschließen. In den letzten 12 Monaten ist die Wirtschaft noch gewachsen, und hat viele zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Das hat jetzt aufgehört, und es besteht die Aussicht auf eine höhere Arbeitslosigkeit, wenn die Wirtschaft in eine Rezessionsphase gerät, wie es sehr wahrscheinlich ist. Und dann nimmt der Druck auf den Staat zu, dass er mehr Menschen anstellt.

Die starke Verringerung des Defizites, wie sie der IWF fordert, sie aber auch ohne Fonds unerlässlich ist, erfordert noch härtere Maßnahmen. Die ganze Staatsstruktur muss durchkämmt werden, und unzählige Ämter, sogar ganze Ministerien, müssen abgeschafft werden. Unlängst (nach der Unterzeichnung des Abkommens mit dem IWF!) wurde das Ministerium der Frau geschaffen, von dem man nicht weiß, was es zu tun hat. Jetzt fehlt nur noch ein Ministerium für die Männer, und dann für die Schwulen! Wenn man es wirklich ernst meint, muss man auch an heiße Eisen herangehen, wie das Kohlenbergwerk in Río Turbio, Provinz Santa Cruz, das hohe Mittel vom Schatzamt erfordert, einen hohen Verlust aufweist (der bei höherer Produktion zunimmt!) aber nicht den geringsten Sinn hat. Die Welt steigt aus der Kohle aus, und Argentinien steigt ein!

Ein weiteres Problem, wenn nicht das politisch wichtigste, vor dem die Ministerin steht, ist die hohe und zunehmende Inflation. Auch wenn ihr das Wunder gelingt, das Defizit der Staatsfinanzen zu verringern verbleibt die Inflation, es sei den, es tritt eine tiefe Rezession ein. Die Inflation muss gleichzeitig mit anderen Mitteln bekämpft werden, und dabei kommt man nicht darum herum, die Lohnerhöhungen stark zu begrenzen und zunächst einen Verlust des Reallohnes hinzunehmen. Es müssen entweder Richtlinien über Lohnerhöhungen festgesetzt werden, die den paritätischen Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern Grenzen setzen, oder es muss verfügt werden, dass ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums bei den Verhandlungen mitmacht, mit Stimme und Vetorecht, der Lohnerhöhungen nicht zulässt, die auf die Preise abgewälzt werden. Die Verhandlung muss sich auf die Verteilung des Gewinnes und der Produktivitätsfortschritte zwischen Unternehmen und ihrer Belegschaft begrenzen, so dass der Konsument nicht die Zeche bezahlt. Ist sich die Ministerin bewusst, dass auch dieses Problem auf sie zukommt?

Wenn die Inflation weiter zunimmt, und es gelegentlich zur Hyperinflation kommt, dann kann sich die Ministerin eine andere Arbeit suchen. Sie wäre gut beraten, wenn sie dem Inflationsproblem die Bedeutung gibt, die es hat, und nicht erst wartet, bis es zur Hyperinflation kommt. Dann ist alles einfacher, weil die Gewerkschaften, die Unternehmer und die Politiker einen so tiefen Schrecken haben, dass sie Maßnahmen dulden, bei denen sie sonst Zeter und Mordio geschrien hätten und auch gewalttätig vorgegangen wären. Aber der Gesellschaft wird dabei ein unnötig großes Opfer auferlegt.

Haben wir ein zu pessimistisches Bild aufgestellt? Vielleicht. Oder eben doch nicht, denn es kann noch viel schlimmer kommen.


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