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Im Blickfeld: Ein überfälliger Schritt

Von Marcus Christoph

Joachim Loew
Joachim Löw. (Foto: dpa)

Seinen größten Erfolg feierte er gegen Argentinien: Am 13. Juli 2014 hatte Joachim Löw nach dem 1:0-Finalsieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Messi & Co. im Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro den Trainer-Olymp erreicht. Am Dienstag erklärte der Schwarzwälder nun seinen Rücktritt nach der Europameisterschaft Mitte dieses Jahres. Sein Vertrag läuft eigentlich bis 2022. Der Zeitpunkt kam nun etwas überraschend, aber er war überfällig.

Längst schon war offenkundig, dass der 61-Jährige zusehends weniger in der Lage war, der Nationalmannschaft den nötigen Schwung einzuhauchen. Das historische Vorrunden-Aus bei der WM 2018 in Russland sowie das desaströse 0:6 Ende vorigen Jahres gegen Spanien in der Nations League waren traurige Wegmarken eines Niedergangs. Vielleicht hätte Löw dem Beispiel Franz Beckenbauers folgen soll, der 1990 nach dem WM-Triumph von Rom - ebenfalls 1:0 gegen Argentinien - seinen Rücktritt als Teamchef erklärte. Einen besseren Zeitpunkt gab es nicht.

Stattdessen ereilte Löw das gleiche Schicksal der anderen beiden Weltmeistertrainer Sepp Herberger und Helmut Schön, die nach ihren Titelgewinnen weitermachten und deren Amtszeiten nicht glanzvoll endeten. Sepp Herberger geriet nach der WM 1962 in Chile in die Kritik, bei der Deutschland im Viertelfinale ausgeschieden war. Nach einer Phase des Trotzes entschloss sich der legendäre WM-Trainer von 1954 schließlich Ende 1963 zum Rücktritt.

Sein Nachfolger Helmut Schön, der die DFB-Auswahl 1974 zum WM-Titel führte, hängte noch vier Jahre dran. Zwar hatte er bereits vor der WM 1978 in Argentinien angekündigt, nach dem Turnier zurücktreten zu wollen. Doch da das deutsche Abschneiden glanzlos war, endete die Ära Schön eher traurig bis peinlich, wenn man an die „Schmach von Córdoba“, der 2:3-Niederlage gegen die bereits ausgeschiedenen Österreicher, denkt.

Löw hat also den idealen Abgang aus dem Amt verpasst. Doch seine Verdienste sind unbestritten. Seine Karriere beim DFB begann 2004, als er als Co-Trainer an der Seite von Jürgen Klinsmann die Aufgabe zu meistern hatte, die deutsche Mannschaft auf die 2006 stattfindende WM im eigenen Land vorzubereiten. Die beiden Fußball-Strategen aus dem Südwesten übernahmen einen Scherbenhaufen, nachdem die DFB-Auswahl bei der EM in Portugal sang und klanglos in der Vorrunde ausgeschieden war. Sie schafften das „Sommermärchen“ mit einer fabulös aufspielenden Mannschaft, die sich im Viertelfinale nach einem Elfmeterkrimi gegen starke Argentinier durchsetzte und erst im Halbfinale am späteren Titelgewinner Italien scheiterte. Das Wichtigste aber war: Mit der frischen und offensiven Spielweise gelang es, ein ganzes Land in Begeisterung zu versetzen.

Nachdem Klinsmann im Anschluss an die Heim-WM erklärte, nicht weitermachen zu wollen, übernahm Löw hauptverantwortlich die Regie. Unter seiner Ägide kam die DFB-Elf 2008 bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz gleich bis ins Finale, hatte dort aber gegen Spanien mit 0:1 das Nachsehen. Mit dem gleichen Resultat war man den Iberern auch zwei Jahre später beim Halbfinale der WM in Südafrika unterlegen. Die dort gezeigten Leistungen von Löws junger Truppe aber begeisterten. Auf dem Weg ins Halbfinale waren England und das von keinem Geringeren als Diego Maradona trainierte Argentinien mit 4:1 bzw. 4:0 bezwungen worden.

Unter die letzten Vier kam die Löw-Elf auch bei der EM 2012 in der Ukraine und Polen, wo aber wieder der alte Angstgegner Italien Endstation war. In die Geschichtsbücher trug sich Löw schließlich bei der WM in Brasilien ein. Das 7:1 im Halbfinale gegen den Gastgeber und Rekordweltmeister wird allen Fußballfans auf ewig in Erinnerung bleiben. Der knappe Finalsieg gegen Argentinien war harte Arbeit. Aber Jogi Löw, der als Spieler seine größten Erfolge beim SC Freiburg in der 2. Liga gefeiert hatte, war am Ziel einer jahrelangen beständigen und erfolgreichen Arbeit.

Es war klar, dass es sehr schwer werden würde, auf diesem Niveau zu bleiben. Schon die EM in Frankreich zwei Jahre später zeigte einen Abwärtstrend. Gegen die Gastgeber hatten Löws Mannen im Halbfinale nicht viel zu bestellen. Das Vorrunden-Aus zwei Jahre später in Russland war der erste große Tiefpunkt. Jupp Derwall, Erich Ribbeck und Rudi Völler mussten nach Vorrunden-Scheitern bei Europameisterschaften ihren Hut nehmen.

Dass Löw trotzdem weitermachen konnte, ist mit seinen vorangegangenen Erfolgen zu erklären. Aber er fand den richtigen Weg nicht mehr. Wurde er in Russland kritisiert, zu sehr auf einstige Leistungsträger gesetzt und beispielsweise ein Riesentalent wie Leroy Sané nicht berücksichtigt zu haben, ging er nach dem WM-Debakel den anderen Weg: Er sortierte Routiniers wie Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels gnadenlos aus und zeigte sich als sehr unflexibel, als es angezeigt war, die junge, neu formierte Truppe durch erfahrene Leute zu stabilisieren. Vor allem seine Weigerung, den bei den Bayern wieder zu Höchstform auflaufenden Müller zu berücksichtigen, wirkte etwas starrköpfig. Erst kürzlich deutete Löw ein gewisses Umdenken an.

Ob Löw als „Lame Duck“ noch die richtige Besetzung ist, die deutsche Mannschaft zum EM-Turnier zu führen, wird sich zeigen. Zu gönnen wäre ihm ein glanzvoller Abschied allemal. Doch nach 15 Jahren ist es dann auch Zeit für einen personellen Neuanfang auf der Trainerbank.

Wer Löw dort beerben wird, ist eine sehr spannende Frage. Wunschkandidat vieler Deutscher wäre sicherlich Jürgen Klopp. Der charismatische Coach hat beim FC Liverpool mit der Champions League und der englischen Meisterschaft die wichtigsten Trophäen gewonnen, die es im Vereinsfußball zu gewinnen gibt. Gegenwärtig stecken Klopp und seine „Reds“ in der Krise. Von daher wäre der Zeitpunkt für eine neue Herausforderung eigentlich ideal.

Doch die Klopp-Anhänger mussten am Dienstag gleich eine Ernüchterung verkraften: Der 53-Jährige erklärte, als Löw-Nachfolger zur Mitte des Jahres nicht zur Verfügung zu stehen. Schließlich habe er bei den Engländern noch einen Vertrag bis 2024. Eigentlich schade. Einen Motivationskünstler wie Klopp könnte das DFB-Team gut gebrauchen, um zur WM 2022 in Katar zu kommen.

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