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Ein Oscar für den Schläger

Ein Kommentar von Catharina Luisa Deege

Smith
Will Smith mit seiner Ehefrau Jada Pankett Smith bei den 94. Academy Awards. (Foto: dpa)

Buenos Aires/Los Angeles (AT) - Es sollte ein Abend im Zeichen der Inklusion und Gleichberechtigung sein, der zu einem theatralischen Kräftemessen zweier Gewalttäter wurde; die Rede ist von Chris Rock und Will Smith. Erster Akt: Ein ungeheuer geschmackloser Witz des Comedian Chris Rock über die Glatze von Jada Pankett Smith, die an der Autoimmunerkrankung Alopecia leidet. Zweiter Akt (beinhaltet Klimax): Schauspieler Will Smith erklimmt die Bühne, schlägt Rock ins Gesicht und schreit: „Lass den Namen meiner Frau aus Deinem verdammten Mund!“ Dritter Akt: Will Smith gewinnt den Preis als bester Hauptdarsteller und hält seine Dankesrede unter Tränen.

Es war ein filmreifer Auftritt, durch den die diesjährigen Academy Awards wohl besonders vielen Menschen in Erinnerung bleiben werden. Kurz nach dem Vorfall stellten Journalisten und Journalistinnen die Echtheit der dargebotenen Szene infrage, bis kurz darauf feststand, dass die Ohrfeige nicht geskriptet war. Der grobe Humor des US-amerikanischen Komikers und besonders der darauf folgende Gewaltakt hätten im vergangenen Jahrhundert fast ein natürlicheres Bild abgegeben; zum Glück befinden wir uns jedoch in einer Zeit, in der toxische Männlichkeit nicht ohne Weiteres akzeptiert wird. Seinen (ersten) Oscar erhielt Smith zwar trotzdem etwa zwanzig Minuten nach der Aktion, die sozialen Medien liefen jedoch heiß - seine weiße Weste ist nun befleckt, und zwar mit fiesem Rotwein.

Gewalt als Lösung eines verbalen Angriffs zu wählen, in einer Zeit, in der international Zeichen gesetzt werden gegen Krieg und sich (zurecht) das Maul über einen russischen Tyrann zerrissen wird, ist verquer. Ganz abgesehen davon, dass niemand von Smith erwartete, seine Frau zu „verteidigen“. Die 50-jährige Jada Pinkett Smith hat einen eigenen Mund und einen eigenen Twitter-Account, in dem sie ein starkes Statement gegen den geschmacklosen Witz des Komikers abgeben hätte können.

Sie sollte im eigentlichen Zentrum des Trubels stehen; doch diskutiert die breite Masse nur darüber, ob ihr Ehemann Held oder Bösewicht ist. Jada Pinkett Smith ist Opfer. Sie leidet unter einer Krankheit, die kreisrunden Haarausfall auslöst. Die noch schlimmere Krankheit unter der sie leidet, ist ihr Partner. Wer vor 13,73 Millionen Zuschauern und Zuschauerinnen keine Scheu davor hat, die Hand gegen jemanden zu erheben, dem dürfte es in trauter Zweisamkeit noch weniger schwerfallen.

In der Rede zur Oscar-Annahme für seine Rolle in „King Richard“ sagte Smith: „Kunst imitiert das Leben, und ich wirke wie der verrückte Vater (...) aber Liebe lässt einen verrückte Dinge machen.“ Ja, diese verdammte Liebe, die einen durchdrehen lässt. Diese Begründung hat man schon oft gehört - es ist eine Standard-Rechtfertigung derjeniger, die sich für sexualisierte Gewaltverbrechen verantworten müssen.

Mittlerweile hat sich Will Smith auf seinem Instagram-Account für seinen emotionalen Ausbruch entschuldigt. In einem Posting heißt es: „Ich möchte mich öffentlich bei Dir entschuldigen, Chris. Ich habe mich daneben benommen und war im Unrecht. Es ist mir peinlich, und meine Handlungen waren nicht bezeichnend für den Mann, der ich sein möchte. Es gibt keinen Platz für Gewalt in einer Welt der Liebe und Güte.“ Seinen Oscar soll Smith behalten dürfen. Anderweitige Konsequenzen wird es für den 53-Jährigen trotzdem geben, so The Academy. Ganz schön inkonsequent.


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