Michail Gorbatschow mit 91 Jahren gestorben
Moskau/Berlin (dpa) - Er galt als einer der Väter der Deutschen Einheit und als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges: Nun ist der russische Friedensnobelpreisträger und ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow nach schwerer und langer Krankheit am Dienstagabend im Alter von 91 Jahren in Moskau gestorben. Das teilte das Zentrale klinische Krankenhaus (ZKB) der russischen Hauptstadt mit. Weltweit trauerten Politikerinnen und Politiker um Gorbatschow und erinnerten an sein Vermächtnis.
Am Mittwoch gab es zunächst noch keine Entscheidung, ob ein Staatsbegräbnis vorgesehen ist, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut Nachrichtenagentur Interfax. Dies hänge auch von den Wünschen der Angehörigen und Freunde ab. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der größtenteils gekappten Flugverbindungen gilt es zudem als unklar, ob überhaupt internationale Gäste zu einer Beerdigung nach Moskau kommen würden.
Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte Gorbatschow als mutigen Reformer. "Deutschland verneigt sich vor ihm", schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. Seine Politik der Perestroika (Umbau) habe die Grundlage dafür gelegt, den Kalten Krieg zu überwinden, Grenzbäume wegzuräumen und Europa und Deutschland wieder zu vereinen. "Er stirbt in einer Zeit, in der Russland neue Gräben durch Europa und neue Grenzen ziehen will - und die Ukraine überfallen hat." Nach der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin fügte Scholz hinzu: "Ich hoffe, dass der russische Staat seinem früheren Staats- und Regierungschef die Ehre erweist, die ihm gebührt." Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bezeichnete Gorbatschow am Rande eines EU-Außenministertreffens in Prag als zentrale Person für die Geschichte Deutschlands.
Russlands Staatschef Wladimir Putin fand in einem vom Kreml veröffentlichten, kurz gehaltenen Beileidstelegramm an die Angehörige lobende Worte für Gorbatschows Reformanstrengungen und humanitären Einsatz. "Michail Gorbatschow war ein Politiker und Staatsmann, der gewaltigen Einfluss auf den Lauf der Weltgeschichte ausgeübt hat", schieb der Kremlchef. Gorbatschow hatte Putin mehrfach für die Einschränkungen von Freiheit und Demokratie in Russland kritisiert.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Gorbatschow einen "großen Staatsmann", der in den vergangenen Jahren darunter gelitten habe, dass sein Traum von Zusammenhalt und Frieden in Europa in immer weitere Ferne rückte. "Heute liegt der Traum in Trümmern, zerstört durch den brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine", betonte Steinmeier. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte auf ihrer Internet-Seite, sie habe die Nachricht von Gorbatschows Tod mit großer Trauer vernommen. Ohne dessen Bekenntnis "zu Glasnost und Perestroika, also zu Offenheit und Umbau, wäre auch die friedliche Revolution in der DDR nicht möglich gewesen".
Gorbatschow, im Nordkaukasus geboren, war der letzte Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Mit seiner Politik von Glasnost und Perestroika hatte er zuvor einen beispiellosen Reformprozess eingeleitet. Das brachte den Menschen in dem totalitären System der UdSSR bis dahin nie da gewesene Freiheiten. 1990 erhielt Gorbatschow für seine mutigen Reformen den Friedensnobelpreis. Der politische Prozess führte letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums. 1991 trat er als sowjetischer Präsident zurück, bevor sich der Staat wenig später selbst auflöste.
Der Politiker, der in den vergangenen Jahren immer wieder im Krankenhaus behandelt werden musste, wurde seither weltweit geschätzt: Unter seiner Führung hatte die Sowjetunion in den 1980er Jahren mit den USA auch wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle geschlossen.
Besonders die Ostdeutschen verehren "Gorbi", wie sie ihn nennen, bis heute als Staatsmann, der ihnen vor mehr als drei Jahrzehnten die Freiheit brachte. Ein Großteil der russischen Bevölkerung sah den früheren Partei- und Staatschef allerdings stets als Totengräber der Sowjetunion - und als einen Politiker ohne Machtinstinkt.
Putin bleibt Trauerfeier fern
Moskau (dpa) - Russlands Präsident Wladimir Putin wird der staatlichen Trauerfeier für den ehemaligen sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow am morgigen Samstag fernbleiben. Dies teilte Kremlsprecher Dmitri Peskow gestern in Moskau mit, wie die Nachrichtenagentur Interfax berichtete. Die Trauerfeier werde „Elemente eines Staatsbegräbnisses“ enthalten, beispielsweise eine Ehrenwache. Genauere Details nannte er nicht.
Peskow verwies zur Begründung für das Fehlen des Kremlchefs auf einen eng getakteten Zeitplan. Putins sei auf Dienstreise in Kaliningrad und könne deshalb nicht teilnehmen. Er wollte aber persönlich im Moskauer Zentralkrankenhaus von Gorbatschow Abschied nehmen. Dort war der letzte Präsident der Sowjetunion am Dienstag nach längerer Krankheit im Alter von 91 Jahren gestorben.
Empfang in Schottland
Balmoral (dpa) - Queen Elizabeth II. wird die neue britische Regierungschefin oder den neuen Regierungschef auf ihrem schottischen Landsitz in Balmoral empfangen. Die Monarchin werde am kommenden Dienstag zunächst den scheidenden Premier Boris Johnson zur Audienz begrüßen und dann dessen Nachfolgerin oder Nachfolger, meldete die britische Nachrichtenagentur PA am Mittwoch unter Berufung auf einen Sprecher des Buckingham-Palastes. Allen Umfragen zufolge dürfte dies die derzeitige Außenministerin Liz Truss sein. Am Montag soll das Ergebnis der Mitgliederabstimmung der konservativen Tory-Partei bekanntgegeben werden.
Truss hatte sich in ihrer Zeit als Nachwuchspolitikerin bei den Liberaldemokraten in einer Rede für die Abschaffung der Monarchie ausgesprochen. Mittlerweile gehört Truss zum erzkonservativen Flügel der Tories und ist selbsterklärte Verfechterin der Monarchie.
Dass die Audienz statt im Londoner Buckingham-Palast auf Schloss Balmoral in den schottischen Highlands stattfinden wird, wo die Queen derzeit ihren Sommerurlaub verbringt, ist äußerst ungewöhnlich. Die Entscheidung dürfte die Sorgen über den Gesundheitszustand der 96-Jährigen befeuern. Die Königin hatte zuletzt häufiger über Mobilitätsprobleme geklagt und ihre Teilnahme an öffentlichen Auftritten mehrfach abgesagt.
Die Entscheidung ist nach PA-Informationen bereits jetzt getroffen worden, um Planungssicherheit für die kommende Woche zu gewährleisten. Man wolle damit vermeiden, dass in letzter Minute Pläne geändert werden müssten, falls die Queen Probleme mit einer längeren Reise haben sollte.
Comments