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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Ein Leben im Wald

Von Marion Kaufmann

Manche Leute lieben Schmuck oder Autos; Luxuskleidung oder Kunst; ich liebe meine Hündin und meine zwei Bäume. Meine Hündin ist tiefschwarz und deshalb nenne ich sie Negrita. Meine Bäume sind riesig groß und zusammen mit Sträuchern verdecken sie die Straße. So kommt es, dass es kaum Geräusche gibt, und jetzt, bei all den Pandemieverboten, bei fast autolosem Verkehr, ist es so still, dass es mir vorkommt, als lebte ich in einem Wald.

Natürlich kann ich mich nicht vergleichen mit dem amerikanischen Schriftsteller Henry David Thoreau (1817-1862), denn erstens schrieb er viel besser als ich und zweitens hat er in einem wirklichen Wald gelebt, wo er sich im Jahr 1845 alleine und mit eigener Kraft ein Heim gebaut hat, mehr eine Hütte, denn ein Haus, das „tief war wie eine Höhle und wo man eine Fackel brauchte, um die Decke zu sehen“. Von einem Nachbarn hat er sich eine Axt geliehen und vier Monate später begann er sein neues Leben, das etwas mehr als zwei Jahre währte. Allerdings mit Unterbrechungen, denn ab und zu besuchte er seine Familie, die er nach einem kurzen Spaziergang im naheliegenden Dorf erreichte. Für den Weg nahm er sich immer etwas zum Essen mit, aber nie einen Fisch aus dem See oder ein Tier aus dem Wald. Die Hütte bestand aus einem einzigen Raum, der eine Küche beherbergte, den Schlafraum, das Arbeitszimmer und den Wohnraum. Ein großer Kamin spendete Wärme. Dort, am Waldensee, wollte er sich konzentrieren und in Ruhe schreiben. Er schilderte seinen Aufenthalt in Form eines Tagebuches. Seine wunderbare Beschreibung der Bäume, des Sees, der Tiere ist jedoch nur ein Teil des Buches, das er „Ziviler Ungehorsam“ nannte, in dem er nicht nur seinen Unmut ausdrückte, wenn ihm eine Regierungsmaßnahme nicht gefiel – und er zum Beispiel vorschlug, keine Steuern mehr zu zahlen – sondern wo er sich als Landvermesser, Naturalist, Vortragender, Übersetzer, Gärtner und Naturschützer sah.

Ein Verleger in Bahía Blanca namens Eric Schierloh, auch er ein Naturfreund und Schriftsteller, hat Thoreaus Waldentagebuch zum Teil übersetzt und vor ein paar Jahren ein reizendes, knapp 91 Seiten langes Buch darüber herausgegeben, das man immer wieder gerne liest.

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