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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Ein Krisenjahr wie nie zuvor

Von Juan E. Alemann

Die Regierung von Alberto Fernández und Cristina Kirchner schließt ihr erstes Jahr, das fast mit dem Kalenderjahr 2020 übereinstimmt, mit einer umfassenden Krise, wie sie nie vorher eingetreten ist. Halten wir fest: Das Bruttoinlandsprodukt liegt im Jahr 2020 um ca. 11% unter dem Vorjahr, was dadurch an negativer Bedeutung gewinnt, dass die Wirtschaft schon 2019 seit 10 Jahren nicht wächst. Die Inflation ist zwar gegenüber 2019 zurückgegangen, bleibt jedoch um die 40%, und die letzten Monate des Jahres zielen auf eine Jahresrate von 50% zu. Das hätte bei der tiefen Rezession, der Einfrierung der Tarife öffentlicher Dienste, Höchstpreisen für lebensnotwendige Produkte, und einer anormal hohen Arbeitslosigkeit nicht sein sollen. Die Arbeitslosigkeit wird zwar offiziell mit 13% angegeben, liegt jedoch in Wirklichkeit bei 30%, da zu denen, die eine Arbeit suchen, die vielen anderen hinzukommen, die keine bezahlte Beschäftigung haben und zu Hause bleiben, obwohl sie

arbeiten wollen. Kein Wunder, dass die Armut so stark zugenommen hat.

Die Regierung, die am 10.12.19 angetreten ist, begann mit einer geerbten Rezession. Und dann kam die Pandemie hinzu. Die Regierung vertritt die Auffassung, das sie dem Einhalt der Ausbreitung des Corona-Virus absolute Priorität gegeben hat, was schwere aber unvermeidbare negative wirtschaftliche Folgen gehabt hat. Indessen liegt der Fall so, dass Argentinien 900 Tote je Million Einwohner ausweist, wobei von 165 Ländern, über die Daten bestehen, nur 9 einen höheren Koeffizient ausweisen. Gut hat man somit in Argentinien die Pandemie nicht bekämpft. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass man sowohl mit weniger Toten wie mit einem viel geringeren BIP-Rückgang das Jahr 2020 hätte abschließen können.

Doch abgesehen von der Pandemie wurden wirtschaftspolitische Fehler begangen. Gewiss hat die Regierung prinzipiell richtig reagiert, als sie sich bemühte, die wirtschaftliche Tätigkeit in Gang zu halten und in diesem Sinn zu einer phänomenalen monetären Expansion griff. Das war weltweit so. Die Lohnsubvention im Rahmen des ATP-Programmes, die direkten Subventionen an arme Familien im Rahmen des IFE-Programms, die subventionierten Kredite an Unternehmen, das großzügige Moratorium für Steuern und Sozialabgaben und die Duldung von Säumigkeit der Zahlung derselben, und nicht zuletzt die direkte Nahrungsmittelhilfe über die Karte AlimentAr und die umfangreiche Versorgung von gemeinnützigen Essanstalten mit Nahrungsmitteln, all das hat eine viel tiefere soziale Krise verhindert, aber nicht den ausgeprägten BIP-Rückgang vermieden.

Außer der Pandemie wurde die Konjunktur durch eine Staatsverschuldung gestört, die einen neuen Default in Aussicht stellte. Die Umschuldung gegenüber privaten ausländischen Gläubigern gelang schließlich, mit einem hohen Zinsabschlag und einem minimalen beim Kapital. Doch die Verhandlung hat ein halbes Jahr gedauert, und während dieser Periode eine lähmende Wirkung gehabt. Man fragt sich, ob es nicht besser gewesen wäre, von Anfang an das zu bieten, was erst in der Schlussphase geboten wurde, und so die Umschuldung schon im März statt im Juni abzuschließen. Die Finanzwelt hält den Fall jedoch für nicht gelöst, wie es die hohe Landesrisikorate zeigt, die sich aus einer Rentabilität argentinischer Staatstitel, die in New York gehandelt werden, von ca. 15% bis 17%, ergibt. In einem internationalen Umfeld von niedrigen Zinsen fällt dies ganz aus der Reihe. Mexiko zahlt auf 10-jährige Staatspapiere 5,51%, Chile um die 3% und Peru 3,7%. Und Brasilien mit einem höher eingestuften Risiko liegt knapp über 7%. In Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Spanien, Großbritannien und auch Neuseeland, verschulden sich die Staaten zu Negativzinsen von unter einem Prozent jährlich. Auch auf dem lokalen Finanzmarkt werden jetzt Staatstitel in Dollar untergebracht, die auch eine Rendite von bis zu 17% ergeben. All das ist Wahnsinn und droht mit einem schlechten Ende.

Jetzt fehlt noch die Umschuldung mit dem Internationalen Währungsfonds, die schleppend vorangeht. Gewiss wird der Fonds keinen Default herbeiführen wollen. Aber er lässt die Umschuldung in der Schwebe, solange die argentinische Regierung nicht ein glaubwürdiges Programm über die Sanierung der Staatsfinanzen und das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz vorlegt. Das Defizit der Staatsfinanzen wird dieses Jahr gemäß der offiziellen Rechnung um die 8% des Bruttoinlandsproduktes liegen. In Wirklichkeit sind es jedoch über 10%. Denn einmal betrachtet die Regierung die Abhebung des ZB-Gewinnes als “echte Einnahme”, obwohl dieser Gewinn rein buchmäßig ist und in Wirklichkeit nicht besteht. Denn mit den Abwertungen nimmt der Pesobetrag der Reserven zu, und das wird als Gewinn betrachtet, obwohl es gewiss keiner ist. Zum zweiten müsste man zum Defizit noch die Verschuldung der ZB hinzuzählen, die schließlich auch ein Teil des Staates ist. Die finanzielle Lage des Staates ist wirklich so verfahren wie wohl nie zuvor. Und dem IWF kann man gewiss nichts vormachen. Er will keine gutgemeinten Versprechen, sondern Taten. Und diese fehlen nicht nur, sondern es werden am laufenden Band zusätzliche unnötige oder politisch bedingte Staatsausgaben geschaffen.

Die finanzielle Lage wäre noch schlimmer, wenn nicht eine starke Verringerung des Reallohnes der öffentlichen Angestellten und auch der Pensionen, Hinterbliebenenrenten und und anderer Renten und sozialen Subventionen stattgefunden hätte. Wenn Pensionen u.a. Renten wieder indexiert werden, um den realen Stand von 2017 wieder zu erreichen, unabhängig der Formel, die dabei angewendet wird, dann steigen diese Ausgaben sprunghaft und die Staatsfinanzen weisen ein noch höheres Defizit auf, das zum größten Teil mit Geldschöpfung finanziert wird. Doch diese gelangt bald an eine Grenze, wo die Blase platzt. Lies Hyperinflation und totaler Zusammenbruch.

Das Jahr 2021 beginnt mit einem konjunkturellen Tiefpunkt, der jedoch noch tiefer werden kann. Allgemein wird ein Besserung erwartet, einmal als Folge der Impfung, die dann nach und nach die Rückkehr zu einer normalen wirtschaftlichen Tätigkeit erlaubt. Und dann auch, weil es normale Reaktionen gibt, etwa wie bei einer Sprungfeder, die zusammengedrückt wird und bei einem gewissen Punkt den Druck überwindet und zu ihrer ursprünglichen Form zurückkehrt. Allein, diese Besserung, sofern sie eintritt, wäre auf alle Fälle beschränkt. Hinzu kommt dann noch die Wirkung der Effizienzfortschritte, die die Quarantäne herbeigeführt hat, was sich auf Ausweitung der Heimarbeit und des Internet-Handels und auch auf einzelne Aspekte der Kostenstruktur der Unternehmen bezieht. Doch das bedeutet Wachstum ohne zusätzliche Beschäftigung, eventuell sogar mit einer geringeren.

Auf der anderen Seite muss man jedoch berücksichtigen, dass die finanziellen Geschenke nicht mehr weitergeführt werden können, und der Staat, im Gegenteil, mehr Mittel von der Privatwirtschaft abschöpfen muss, um seine Finanzen in ein haltbares Gleichgewicht zu bringen. Hier stellt sich eine Quadratur des Kreises.



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