Über journalistische Anfänge und einen Neustart
Von Karoline Richter
Meine ersten journalistischen Schritte machte ich bei der „Bild“-Zeitung in München. „Bild“ ist Deutschlands bekanntestes Boulevard-Blatt und auflagenstärkste Tageszeitung (7,62 Millionen Leserinnen und Leser täglich), berüchtigt für ihre freizügige Titelseite und ihre irren Schlagzeilen: „Wir sind Papst“, „Ufo-Sekte will jetzt Hitler klonen“ oder „Dummheit wird heilbar!“.
Glücklicherweise musste ich nicht in die Chefredaktion nach Berlin, die berüchtigt ist für Macho-Gehabe, Machtmissbrauch und Überstunden, sondern durfte beim Lokalteil in München anfangen. Das führte dazu, dass ich über urbayerische Themen berichtete, vorzugsweise solche, für die sich die etablierten Redakteure eher weniger interessierten: Darunter ein Schnupftabak-Wettbewerb in der oberbayerischen Provinz - fast ausschließlich bärtige Herren in Lederhosen -, ein Interview mit Herzog Franz von Bayern (der heimliche bayerische König) sowie ein Porträt über eine äußerst vitale Dame um die achtzig Jahre, die sich auf ihre Tour auf den Mount Everest vorbereitete. Tatsächlich lernte ich bei der „Bild“-Zeitung, auf alles zu achten, was vermeintlich wichtig ist. Ein wohlmeinender Redakteur riet mir gleich zu Anfang, Folgendes niemals zu vergessen: Welche Farbe haben die Socken Deines Interviewpartners? Wie alt ist er? Wie oft war er verheiratet?
Auch wenn ich später noch für anderen Tageszeitungen gearbeitet habe, so bin ich dem eigentlichen Journalismus im Laufe der Jahre untreu geworden. Lange habe ich politische Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Aber knackige Formulierungen und kritische Fragen sind ja auch im Politikgeschäft vonnöten, wie nicht nur der langjährige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) mehrfach anschaulich demonstriert hat. Bei einer Wahlkampfveranstaltung sagte er einmal: "Es muss zu schaffen sein, meine Damen und Herren. Wenn ich die CSU ansehe, die Repräsentanten dieser Partei - an der Spitze, in den Ländern, in den Kommunen, dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen, in die gludernde Lot, in die gludernde Flut, dass wir das schaffen können. Und deswegen in die lodernde Flut, wenn ich das sagen darf. (...)"
Dass ich nun in Buenos Aires, dem künstlerischen Zentrum Lateinamerikas, nach vielen Jahren Auszeit endlich wieder journalistisch tätig sein und dann auch noch über Kulturthemen berichten darf, erfüllt mich mit besonderem Eifer. Insbesondere nach vielen Monaten Covid-bedingter kultureller Abstinenz ist es mir eine Genugtuung, endlich wieder ohne Viren-Phobie ins Theater gehen, die Maske abnehmen, mich in den Sessel zurücklehnen und ausführlich darüber berichten zu können. Meine persönlichen Highlights in den vergangenen Wochen waren die Tosca-Aufführung im legendären Teatro Colón oder die Hommage an die deutsche Choreografin Pina Bausch im Teatro Cervantes in Buenos Aires, die mich nach einigen Jahren Theater-Entzug mit einem Schlag wieder in die dämonisch-avantgardistische Welt der zeitgenössischen Schauspielkunst katapultierte.
Liebe Leserinnen und Leser, darf ich Sie um einen Gefallen bitten? Da ich erst seit kurzem wieder journalistisch tätig bin, freue ich mich über all ihre Anregungen, die ich gerne in meine Artikel einfließen lassen werde. Es ist für uns Redakteure entscheidend, zu wissen, was Sie gerne lesen möchten. Oder, um es mit den Worten des britischen Verlegers Alfred Harmsworth zu sagen: „Mit Schlagzeilen erobert man Leser. Mit Informationen behält man sie.“ In diesem Sinne: Ich danke Ihnen für Ihr Interesse in den vergangenen Monaten und hoffe sehr, dass Sie dem Argentinischen Tageblatt auch 2023 eng verbunden bleiben werden.
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