Von Juan E. Alemann
Die argentinische Wirtschaft steht vor drei kritischen Problemen: die Zahlungsbilanz, die Inflation und die interne Staatsverschuldung. Die ersten zwei Probleme können mit Hilfe einer Rezession zumindest gemildert werden, das dritte jedoch nicht. Bei Rezession wird automatisch viel weniger importiert, und es wird versucht, mehr zu exportieren, vor allem bei nicht traditionellen Exporten. Eine Rezession wirkt sich auch auf die Preise aus, und wirkt gegen Erhöhungen. Doch bei der internen Staatsverschuldung hat die Rezession keinen Einfluss.
Die Inflation hat sich auf ein Niveau um die 6% monatlich eingependelt, und Wirtschaftsminister Massa will sie auf 4% drücken. Das kann ihm gelingen, aber nicht weil die Unternehmen die in diesem Sinn abgeschlossene Abmachung einhalten, sondern weil ihnen der Markt nur beschränkte Preiserhöhungen erlaubt. Die Rezession bremst auch die Macht der Gewerkschaften, um übertriebene Lohnerhöhungen durchzusetzen, weil die Unternehmer bei der Verhandlung eine härtere Stellung einnehmen und mit Entlassungen drohen, was die Gewerkschafter auf alle Fälle nicht wollen. Trotz Geldschöpfung (die laut IWF-Abkommen jetzt viel geringer sein soll) kann die Inflation auf dem gegenwärtigen Niveau verbleiben. Die Gefahr der Hyperinflation erscheint zunächst gebannt. Normalerweise steht ein Land mit über 100% Jahresinflation kurz vor dem Sprung zur Hyperinflation. Aber bei starker Rezession ist es eben nicht so. Die argentinische Wirtschaft verkraftet die hohe bestehende Inflation relativ gut, auf alle Fälle viel besser, als es die orthodoxe Wirtschaftstheorie vorsieht.
Die Rezession, die jetzt zunehmend auf Argentinien zukommt, muss die Regierung durchhalten, und das ist politisch nicht einfach. Ein „antizyklische“ Politik, wie sie normalerweise empfohlen wird, ist hier kaum möglich. Denn dann würden die Hemmungen verschwinden, die eine Zahlungsbilanzkrise und einen Inflationssprung mit ungewissem Ende verhindern oder zumindest hinausschieben.. Die Rezession, die auf die argentinische Wirtschaft zukommt, ist keine Kleinigkeit, und in einem Wahljahr ein politisches Riesenproblem.
Das dritte Problem, die interne Staatsverschuldung, stellt ein großes Fragezeichen. Monatlich verfallen 2023 Staatstitel für über eine Billion Pesos. Insgesamt sind es im ganzen Jahr $ 16,4 Bio. Doch von diesem Betrag entfallen nur $ 6,2 Bio. auf den Privatsektor, also fast gesamthaft auf die Banken. Die restlichen ca. $ 10 Bio. entfallen auf die ZB, den ANSES-Fonds, die Banco Nación u.a. staatliche Stellen. Es ist an der Zeit, dass die Staatskasse vereinheitlicht wird, so dass diese Schulden gestrichen werden, weil Gläubiger und Schuldner der gleiche Staat sind. Doch bei diesem Konzept taucht dann die Verschuldung der ZB von über $ 9 Bio auf, die aus Leliq und passiven Swpas besteht. Und damit lieg die Gesamtschuld wieder in der Nähe der $ 16 Bio.
Das Problem wurde bisher durch die Erhöhung der Zinsen auf über die Inflation gelöst. Die Ledes-Schatzscheine wurden im September zu 109% verzinst, und jetzt sind es 118%. Auch bei den Leliq fand eine ähnliche Zunahme statt, so dass die ZB und nicht die Banken den Inflationsverlust trägt. Doch bei diesen Zinsen, die dann mit Ausgabe weiterer Leliq gezahlt werden, verdoppelt sich der Leliq-Bestand in weniger als einem Jahr. Irgendwann platzt dann diese Blase.
Beiläufig hatte dies die Wirkung, dass die Banken ihre Depositen für Darlehen an den Staat einsetzen, und dem privaten Bereich entsprechend weniger Kredite erteilten. Der Umfang der Bankkredite liegt unter 10% des Bruttoinlandsproduktes, während es in einem Land wie Argentinien mindestens 50% sein müssten. Der fehlende Bankkredit ist eine große Hemmung für die normale Entwicklung der Wirtschaft, und auch für das Wachstum. Kleine und mittlere Unternehmen greifen ohnehin schon zum Kreditsystem, das außerhalb der Banken besteht, das sehr effizient, aber unverschämt teuer ist. Jetzt kommt zunehmend die Finanzierung durch Unterbringung von Dollarwechseln an der Börse hinzu, die den Unternehmen erlaubt, sich zu niedrigen Zinsen in Dollar zu verschulden. Bei Anlagen in Dollar gibt es auch Sparer. Nach und nach bildet sich hier ein Kreditsystem auf Dollarbasis.
Zurück zum Problem der anormal hohen Pesoverschuldung des Staates. Die Finanzwelt geht davon aus, dass zwei Lösungen, und nur zwei, bestehen, die auch gleichzeitig für Teile der Gesamtschuld eingesetzt werden können. Einmal denkt man an eine obligatorische Streckung der Staatsschulden, was es schon am Ende der Macri-Regierung gegeben hat und „Neuprofilierung“ (reperfilamiento) genannt wurde. Vom juristischen Standpunkt ist dies fragwürdig. Aber es wird davon ausgegangen, dass keine Bank sich traut, einen Prozess gegen die Regierung anzustrengen. Banken und Staat bilden hier eine Einheit.
Die zweite Lösung besteht in einem Bonex-Plan, wie der von 1990. Die Pesoschulden werden dabei in langfristige und niedrig verzinste Dollartitel umgewandelt. Das hat 1990 und danach gut funktioniert, aber eben in einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld, mit Stabilität und einer stark wachsenden Wirtschaft. Jetzt sieht der Fall anders aus.
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