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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Wirtschaftspolitik steht vor einer grundsätzlichen Entscheidung

Von Juan E. Alemann

Guzmán
Wirtschaftsminister Martín Guzmán.

Wirtschaftsminister Martín Guzmán, der jetzt auch für den Energiebereich zuständig ist, der vorher vom Produktionsministerium abhing, hatte den Unterstaatssekretär Federico Basualdo angewiesen, den Stromtarif zu erhöhen und dabei auch ein Konzept auszuarbeiten, das in höheren differenzierten Tarifen je nach dem Einkommen der Verbraucher besteht. Das ist eine komplexe Arbeit, weil es nicht nur um die schon bestehende progressive Skala bei höherem Konsum geht. Doch Basualdo hat es bei einer allgemeinen Tariferhöhung von 9% bewenden lassen, mit der die Inflation nicht entfernt aufgeholt wird, die seit der Tarifeinfrierung von 2019 eingetreten ist. Der Minister wollte zunächst eine Erhöhung von 30%, eventuell in zwei Stufen von 15%. Dass sich jedoch Basualdo, lies Cristina, durchgesetzt hat, stellt nicht nur die Autorität von Guzmán in Frage, sondern sein wirtschaftspolitisches Konzept. Der Energiesekretär Darío Martínez, hat hier geschwiegen, was merkwürdig erscheint, nachdem Basualdo sein Untergebener ist. Er wollte offensichtlich kein Problem mit Cristina haben. In dieser Regierung haben oft hohe Beamte, die von Cristina ernannt wurden, mehr Macht als ihre Vorgesetzten, und das schafft zusätzliche Probleme.

Die Differenz zwischen Kosten und Tarifen fällt dem Staat zur Last, in Form stark erhöhter Subventionen, die untragbar sind. Guzmán macht sich Sorgen um die Geldschöpfung, ein Thema, das Cristina und ihre Leute kaum beunruhigt. Die Zunahme der Geldmenge (monetäre Basis) war schon letztes Jahr anormal hoch, und Guzmán befürchtet, das eine Grenze erreicht worden ist, deren Überschreitung die Inflation antreibt und die Gefahr der Hyperinflation in Aussicht stellt. Der Sprung von 50% jährlich auf 50% monatlich erfolgt erfahrungsgemäß sehr schnell.

Daraufhin hat Guzmán den Rücktritt von Basualdo gefordert. Normalerweise entscheidet ein Minister über die Beamten, die von ihm abhängen. Doch das ist jetzt anders. Basualdo gehört zur Truppe von Cristina, so dass er im Amt verblieb. Daraufhin hat Guzmán mit seinem Rücktritt gedroht. Doch Präsident Alberto Fernández überzeugte ihn, weiter im Amt zu bleiben, und stellte den Rücktritt von Basualdo zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht. Gleichzeitig beschloss er, bei seiner Europareise, die am 10. Mai beginnt und Spanien, Portugal, Frankreich und Italien umfasst, Guzmán mitzunehmen, was ein klares politisches Signal ist, dass er seinen Minister stützt. Dennoch ist der Konflikt mit Basualdo nicht gelöst. Präsident Fernández weiß, dass ein Rücktritt von Guzmán die Krise verschärfen würde, umso mehr, als er keinen Kandidaten von Format für diesen Posten hat. Der einzige, der zunächst in Frage käme, ist Emanuel Alvarez Agis, mit dem er persönlichen Kontakt hat. Er war 2015 unter Kicillof zweiter Mann im Wirtschaftsministerium, ist ein guter Ökonom (solider als Kicillof), ist aber kaum bekannt.

Hinter diesem Konflikt mit Basualdo verbirgt sich ein viel größerer, nämlich die Definition der Wirtschaftspolitik. Guzmán will die Umschuldung mit dem Internationalen Währungsfonds so bald wie möglich abschließen, wie es ihm bei seiner jüngsten Europareise überall empfohlen wurde. Zuerst muss die Lage mit dem Fonds geregelt werden, so dass die bevorstehenden Zahlungen hinausgeschoben werden, und erst dann kann mit dem Pariser Klub, sowie den Regierungen der fortgeschrittenen Staaten und der Finanzwelt gesprochen werden. Erst dann kann sich die Regierung bemühen, mehrere Investitionsprojekte in Gang zu setzen, die ausländische Firmen, besonders chinesische, befürworten, die auch mit Finanzierung zählen.

Guzmán hat schon Gespräche mit dem IWF eingeleitet. Dieser fordert als Erstes, sozusagen als konkretes Zeichen des Willens, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, eine Erhöhung der Stromtarife. Das hat Guzmán zur Kenntnis genommen, und wollte in diesem Sinn schon voranschreiten. Der Konflikt mit Basualdo stellt die ganze Verhandlung mit dem Fonds in Frage.

Cristina will jetzt kein Abkommen abschließen, sondern erst nach den Oktoberwahlen. Sie vertritt die Auffassung, das Tariferhöhungen bei öffentlichen Diensten u.a. Maßnahmen, die zur Verringerung des primären Staatsdefizits beitragen, die der Fonds fordern wird, sich negativ auf die Wähler auswirken. Sie ist sich bewusst, dass sie bei einem schlechten Wahlergebnis weniger Stimmen in der Deputiertenkammer haben wird, so dass sie mit den Justizreformen nicht weiterkommt, die sie dringend braucht, um die Prozesse zu behindern, die gegen sie laufen. Sie weiß, dass sie beim Prozess über offizielle Kartellierung und hohe Überpreise bei öffentlichen Bauten kurz vor einer Verurteilung steht, nachdem ohne jeden Zweifel nachgewiesen ist, dass sie diesen Raub am Staat geleitet hat, und an der Verteilung der Überpreise den Löwenanteil hatte.

Guzmán hat sich redlich bemüht, eine gute persönliche Beziehung zu Cristina herzustellen. Er ist sogar nach Calafate geflogen, um sie bei einem ihrer längeren Aufenthalten in jenem entlegenen Ort, der ihr besonders am Herzen liegt, über die wirtschaftliche Lage zu unterrichten und sie zu überzeugen, dass die Krise ohne Abkommen mit dem Fonds noch viel schlimmer wird, was das Wahlergebnis für sie auch beeinträchtigen würde. Mit einem Abkommen mit dem IWF könnte die Rezession hingegen gebremst werden, und die Wirtschaft könnte sich bis zu den Wahlen erholen. Ob ihre Partei dann die Wahlen gewinnt, ist eine andere Frage. Aber das Ergebnis wäre bestimmt besser als bei Vertiefung der Rezession. Doch das will sie offensichtlich nicht wahrhaben.

Allein, es geht im Grunde um mehr als das Umschuldungsabkommen mit dem IWF. Argentinien steht vor der grundsätzlichen Entscheidung, ob es den Weg von Venezuela beschreitet oder sich in Richtung eines modernen Kapitalismus bewegt, wie er in der fortgeschrittenen Welt besteht. Halten wir fest, dass Venezuela das gegenwärtige Schlamassel nicht bewusst provoziert hat, sondern unter Hugo Chávez als Präsident Schritt für Schritt das marktwirtschaftliche System zerstört wurde, mit Verstaatlichung von Großunternehmen am laufenden Band, die dann kaum noch tätig waren, weil der Staat unfähig war, sie zu verwalten, mit Politisierung des staatlichen Erdölunternehmens PDVSA (dessen Erdölförderung auf ca. ein Fünftel zurückging), Vernachlässigung der Landwirtschaft (so dass immer mehr Lebensmittel importiert werden mussten, die vorher im eigenen Land erzeugt wurden) und einer expansiven Geldpolitik, die die Inflation in die Höhe trieb und in einer Hyperinflation mündete, die jetzt seit Jahren schon besteht. “Der Weg in die Hölle ist gut gepflastert”, heisst es. In Argentinien ist dieser Weg schon eingeleitet worden, und in diesem Moment muss entschieden werden, ob weiter in diese Richtung gegangen wird, oder der Weg in die Vernunft und eine moderne Marktwirtschaft eingeleitet wird, der eben nicht so schön gepflastert ist.

Präsident Alberto Fernández ist sich über dies nicht klar bewusst. Doch intuitiv hat er die Vorstellung einer Marktwirtschaft, mit Privatunternehmern, die gut verwalten und investieren, und zum Wachstum beitragen, aber mit einem Staat, der stark interveniert. Dabei kommt es oft zu Kurzschlüssen. Doch Cristina hat eine andere Vorstellung, die sich eher mit der von Chávez und Maduro deckt, wobei die Katastrophe in Venezuela bisher keinen Eindruck auf sie gemacht hat. Denn es war ihre Entscheidung, der Puebla-Gruppe beizutreten, die sich für Venezuela einsetzt.

Sie steht unter dem ideologischen Druck vieler ihrer Anhänger, die besonders im Patria-Institut mitwirken, und besonders in der Cámpora-Gruppe vertreten sind, und die Ideologie der Montonero-Terroristen vertreten, die sich an das kommunistische Modell orientiert, dass Tito seinerzeit in Jugoslawien einführte, bei dem Großunternehmen staatlich und kleinere privat (aber mit starker staatlicher Regulierung) waren. Cristina müsste somit zunächst ihre Gedanken mit ihrer eigenen Gruppe klären, was ihr nicht leicht fällt, nachdem sie in ihrer Studienzeit eng mit den Montoneros verbunden war. Wie sie diese Ideologie mit ihrem persönlichem Reichtum vereinbart (sie ist eine der reichsten Personen des Landes) ist schwer zu verstehen.

Die Europareise des Präsidenten bietet beiläufig Guzmán die Gelegenheit, längere Gespräche mit Alberto Fernández zu führen. Es wäre wichtig, wenn er sich nicht nur auf die Problematik der Umschuldung und der Suche nach einem finanziellen Gleichgewicht beschränkt, sondern darüber hinaus, ein allgemeines Konzept über Wirtschaft und Wirtschaftspolitik bespricht. Guzmán hat sich bisher nicht als ein echter Wirtschaftsminister gezeigt, sondern bestenfalls als ein Finanzminister. Er hat jedoch eine gute wirtschaftliche Ausbildung, wie sie bei einem Dozenten der Columbia-Universität fast selbstverständlich ist. Doch auf der anderen Seite stand er unter dem Einfluss von Joseph Stiglitz, der von der orthodoxen Wirtschaftsauffassung abweicht und einer sozialistischen nahesteht. Wo steht Guzmán wirklich? Das muss sich jetzt zeigen. Und wenn er sich ideologisch irrt, dann ist sein Schicksal als Wirtschaftsminister besiegelt, dann gibt es vorerst auch für Argentinien kein Licht am Horizont.


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