Von Juan E. Alemann
Spaniens Präsident Pedro Sánchez stattete Argentinien am Mittwoch der Vorwoche einen kurzen Staatsbesuch ab. Sánchez erklärte, Spanien habe ein Kredit- und/oder Investitionspaket von E 4,5 Mrd. für Lateinamerika bereitgestellt, und Argentinien habe dabei Priorität. Doch er gab keine konkreten Projekte bekannt. Das Gespräch von Pedro Sánchez mit Alberto Fernández, das im Fernsehen übertragen wurde, war im Wesen inhaltslos. Ob es noch hinter geschlossenen Türen Gespräche gab, weiß man nicht. Über Gespräche der Unternehmer, die Sánchez begleiteten, mit lokalen Unternehmern, wurde ebenfalls nichts bekannt. Doch gerade das hätte interessiert.
Spanien hat für Argentinien historisch gesehen eine große Bedeutung. Spanier kamen als erste in die Gegend und siedelten sich langsam an. Die Spanier Pedro de Mendoza zuerst und Juan de Garay viel später, gründeten zwei Mal die Stadt Buenos Aires. Argentinien war bei Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert ein dünn bevölkertes Land. Die Gesamtbevölkerung des Gebietes, das heute Argentinien umfasst, lag damals bei höchstens 300.000 Menschen, die verschiedenen Indianerstämmen angehörten. Weite Teile des Landes waren praktisch leer. Das erklärt auch, warum es sich eher um eine schlichte Landbesetzung und nicht eine blutige Eroberung gehandelt hat, wie in Mexiko und Peru. Die Araukaner, die sich heute Mapuches benennen, kamen erst lange nach den Spaniern nach Argentinien, nämlich als sich die Kühe und Pferde, die die Spanier gebracht hatten, explosiv vermehrt hatten und wild auf der ganzen Pampa-Gegend und noch weiter herumliefen. Das gab den Araukanern eine Existenzgrundlage, die sie den Spaniern verdanken. Die Araukaner wurden dabei zu hervorragenden Reitern, und verunsicherten die Pampa-Gegend mit ihren Angriffen auf angesiedelte Landwirte.
Über zwei Jahrhunderte lang bildeten Spanier fast die einzigen Immigranten, und sie prägten dem Land ihren kulturellen Stempel auf. Der größte Teil der Bevölkerung hat spanische Vorfahren. Die große Immigration aus Italien setzte erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, und Immigranten aus anderen europäischen Ländern, und auch aus Syrien und dem Libanon, kamen mehr gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist begreiflich, dass Spanien als das “Mutter-Vaterland” (madre patria) bezeichnet wurde. Nach der Unabhängigkeit Argentiniens, die 1810 begann und 1816 vollendet wurde, schrumpfte die wirtschaftliche Abhängigkeit von Spanien gewaltig, und Großbritannien trat als wichtigster Handelspartner, und später auch als Hauptinvestor, auf. Aber kulturell blieb Argentinien eng mit Spanien verbunden, auch wegen der gemeinsamen Sprache.
Die Beziehungen zwischen Spanien und Argentinien waren traditionell gut, wobei die Spanier besonders anerkennen, dass Argentinien im Jahr 1947, mit Perón als Präsident, eine große Menge Weizen sandte, die zur Überwindung der damaligen akuten Nahrungsmittelknappheit wesentlich war. Spanien hat diesen Weizen erst Jahrzehnte später stotternd bezahlt, in abgewerteter Währung. Der Diktator Francisco Franco betrachtete die Weizenlieferung als ein Geschenk (was es nicht war), also eine Gegenleistung für alles, was Spanien für Argentinien getan hat.
Ab 1990 wurden die Beziehungen stark ausgebaut. Die spanische Iberia übernahm Aerolíneas Argentinas, die später auf einen anderen spanischen Konzern übertragen wurde, Telefónica übernahm etwa die Hälfte der staatlichen Entel, und spanische Unternehmen stiegen bei der Übernahme von Stromunternehmen ein. Auch bei der Übernahme des Wasserunternehmens Obras Sanitarias, das in Aguas Argentinas umgenannt wurde, beteiligte sich ein spanisches Unternehmen als Minderheitsaktionär. 1998 übernahm die spanische Repsol das Erdölunternehmen YPF, das vorher privatisiert und saniert worden war, so dass es in diesem Fall keinen Grund für die Übertragung gab. Der Fall ist merkwürdig und stinkt. Unter der Regierung von Cristina Kirchner übernahm der Staat das Mehrheitspaket von YPF, das Repsol besaß. Es gab noch mehrere weitere spanische Beteiligungen am damaligen Privatisierungsprozess, so bei Straßenkonzessionen. Bei den Privatisierungen der 90er Jahre nahm Spanien mit Abstand die Spitzenposition ein. Somit bestehen bezüglich Privatisierungen und Rückverstaatlichungen gewiss viele Themen, die eine Diskussion Wert waren.
Unter den Kirchner-Regierungen wurden YFP, Aerolíneas Argentinas und Aguas Argentinas rückverstaatlicht, ohne die Interessen der spanischen Inhaber zu berücksichtigen, die dabei großen Schaden erlitten, und die Unternehmen der Stromwirtschaft wurden durch offenen Bruch der Konzessionsverträge sehr geschädigt. Haben die Spanier all dies vergessen? Bestimmt nicht. Es fällt auf, dass bei diesem Staatsbesuch nichts über die ungelösten Probleme gesagt wurde, die noch bestehen.
Ganz am Rande wurde auch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur gestreift. Wie üblich, gab es von beiden Seiten ein Bekenntnis zu diesem Abkommen, an das im Grunde niemand glaubt. Denn es stößt auf beiden Seiten, auch in Spanien, auf großen Widerstand. Sowohl die EU-Landwirte wie die Industrieunternehmer von Brasilien und Argentinien sind prinzipiell gegen freien Handel. Und die bestehende argentinische Devisenbewirtschaftung, mit Beschränkung von gewissen Importen über eine Genehmigungspflicht und Verzögerung der Überweisungen durch die Zentralbank, ist mit freiem Handel unvereinbar.
Wenn Sánchez sagte, dass er Argentinien bei den Verhandlungen mit dem IWF und dem Pariser Klub unterstützen werde, so dürfte das heißen, dass diese Verhandlungen zunächst zu Ende geführt werden müssen, bevor von neuen Krediten und Investitionen die Rede ist, was auch diejenigen umfasst, die Sánchez jetzt in Aussicht gestellt hat.
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