Von Juan E. Alemann
Gemäß offiziellen Schätzungen liegt der Anteil der Schwarzwirtschaft bei etwa 40% der Wirtschaftsleistung. Dies beruht auf verschiedenen Indizien, wie die Erhebungen des INDEC über Beschäftigung, die auch Schwarzarbeiter erfasst, der Hinterziehung bei der Mehrwertsteuer u.a. Allein, ob der Anteil “nur” 30% beträgt oder eher bei 45% liegt, ist von zweitrangiger Bedeutung. Auf alle Fälle muss die Schwarzwirtschaft bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik berücksichtigt werden. Denn sonst wird die Überwindung der gegenwärtig extrem kritischen Lage noch schwieriger. Dieses Problem haben die fortgeschrittenen Staaten nicht. Auch wenn dort eine minimale Schwarzwirtschaft besteht, kann man diese bei der Wirtschaftspolitik vergessen.
An erster Stelle sei bemerkt, dass die Schwarzwirtschaft einen großen Teil der Spartätigkeit und des gebildeten Sparkapitals umfasst. Der Betrag von über u$s 50 Mrd., den Personen, die in Argentinien wohnhaft sind, laut Schätzung der Federal Reserve halten, zum größten Teil in Dollarscheinen, die zu Hause oder in einem Bankfach aufbewahrt werden, ist schwarz. Und Bankguthaben im Ausland sind es zum großen Teil auch. Insgesamt wird gelegentlich von einem Vermögen von Personen gesprochen, die in Argentinien wohnhaft sind, von über u$s 300 Mrd. Das ist übertrieben; aber auch wenn es die Hälfte sind, lässt sich viel damit machen.
Bei dieser Konstellation gehören periodische Weißwaschungen zum System. Denn ohne diese, bleiben diese Ersparnisse brach liegen oder flüchten ins Ausland. Die argentinische Wirtschaft, die unter Kapitalmangel leidet, kann nicht auf diese Mittel verzichten. Doch allgemeine Weißwaschungen können nicht in kurzen Abständen vollzogen werden, weil sie dann die Hinterziehung fördern. Eine pragmatische Lösung für dieses Problem besteht in gezielten Weißwaschungen für bestimmte Zwecke.
In diesem Sinn wurde in der Vorwoche das Gesetz verabschiedet, dass die Weißwaschung von Beträgen erlaubt, die für Bauprojekte eingesetzt werden. Es ist zu erwarten, dass das Gesetz kurzfristig reglementiert wird, so dass juristische Sicherheit für Zweifelsfälle geschaffen wird.
Da die Beträge, um die es dabei geht, in der Regel in Dollar gehalten werden, ist anzunehmen, dass dies großen Druck auf den freien Devisenmarkt übt, sei es den Schwarzmarkt oder den Markt, der sich über Kauf und Verkauf von Staatstiteln in Dollar ergibt. Das dürfte dazu führen, dass die Marge zwischen offiziellem und schwarzem Kurs stark sinkt, was eine positive Wirkung auf die Wirtschaft hat. Dabei verschwindet der Anreiz der Unterfakturierung bei Exporten und Überfakturierung bei Importen. Bei diesen macht der Zollsatz an einem gewissen Punkt das Geschäft mit der Angabe von überhöhten Importpreisen uninteressant. Außerdem verschwindet dann der psychologische Druck auf den offiziellen Devisenmarkt. Denn ein hoher Schwarzkurs wird weitgehend dahingehend gedeutet, dass der offizielle Kurs zu niedrig ist und gelegentlich ein Abwertungssprung bevorsteht. Die Kurspflege, die die ZB betreibt, wird bei einer geringen Marge gegenüber dem freien Kurs einfacher.
Die Investitionen in Wohnungsbauten sind gegenwärtig besonders interessant. Denn die Baukosten sind, gemessen in freien Dollar, sehr niedrig, so dass angenommen wird, dass die Preise beim Verkauf, die normalerweise in Dollar bemessen werden, auch relativ niedrig sein werden, um potentielle Käufer zu interessieren. Wer eine Wohnungen zuerst fertigstellt, profitiert voraussichtlich mehr von dieser Lage. In Argentinien wird die Anlage in Wohnungen ohnehin als eine Alternative zum Dollar gesehen.
Das Gesetz ist so verfasst, dass es die unmittelbare Umwandlung von schwarzen Sparguthaben in Beträge fördert, die dann für den Bau investiert werden. Denn für eine Periode von 60 Tagen beträgt die Sondersteuer, die auf diese Weißwaschungen erhoben wird, nur 5%. Außerdem wird erlaubt, den Betrag in Staatstiteln anzulegen, auch solchen mit Wertberichtigung gemäss CER-Index oder Dollarkurs. Der CER-Index hält sich an den Index der Konsumentenpreise, und dieser wird gemäß der neuen Politik, die Minister Guzmán jetzt eingeleitet hat, stärker zunehmen als der offizielle Wechselkurs. Das kurzfristige Geschäft erscheint somit sehr anziehend, und das sollte der Bautätigkeit einen großen Impuls geben. Die Stadt Buenos Aires ist voll von halbfertigen Bauten, die entweder stillliegen oder nur langsam voranschreiten. In der Vororten und im Landesinneren ist es nicht viel anders. Den Bauherren gibt sich jetzt eine besonders gute Gelegenheit, die Bauten fertigzustellen, mit eigenem “schwarzen” Geld, oder mit solchem von Partnern, und dann die Wohnungen zu verkaufen und ein gutes Geschäft zu machen.
In einer zweiten Etappe, die von 60 bis 90 Tagen ab Gesetz geht, beträgt der Steuersatz 10%, und in der dritten und letzten, die bis 120 Tage reicht, 20%. Das dürfte dazu führen, dass die Wirkung der Weißwaschung abflaut. Zusätzlich werden Steuervergünstigungen erteilt. Bis Ende 2022 wird die Anlage, die bei der Weißwaschung erfolgt, von der Vermögenssteuer (Steuer auf persönliche Güter) ausgeschlossen.
Die Opposition im Kongress trat für eine ausgedehntere Weißwaschung ein, bei der auch Anlagen in anderen Bereichen berücksichtigt werden. Es ist indessen besser, wenn sich diese Weißwaschung auf Bauten beschränkt. Denn sonst könnte es zu viel auf einmal sein, und Probleme schaffen. Theoretisch sollten in bestimmten Abständen (von einem halben Jahr?) Weißwaschungen für andere Zwecke eingeführt werden, so für Arbeitskapital und auch für Investitionen verschiedener Art. Mit diesem Konzept würde ein großer Teil der schwarzen Ersparnisse schrittweise in den legalen Kreislauf eingegliedert und der Wirtschaft einen Impuls verleihen.
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