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Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Vertrauenskrise verbleibt nach dem IWF-Abkommen

Von Juan E. Alemann

Die parlamentarische Zustimmung zum Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds hat die Finanzwelt beruhigt. Es gibt jetzt keinen Default mit dem Fonds, und Argentinien wird auf Jahre hinaus dem Fonds keine Amortisationsquote, sondern nur Zinsen, zahlen müssen. Mit dem neuen Abkommen wurden nicht nur die fälligen Zahlungen umgeschuldet, sondern der Fonds trägt mit über u$s 5 Mrd. an frischem Geld bei, damit Argentinien über die Runden kommt. Der Fonds war wirklich großzügig, und hat eine Hilfsbereitschaft wie nie zuvor gezeigt. Dass das Parlament schließlich nur dem finanziellen Teil des Abkommens zugestimmt hat, bedeutet, dass die Regierung jetzt für die Maßnahmen, zu denen das Abkommen verpflichtet, allein verantwortlich ist. Und das ist gut so, denn dabei wird die Verhandlung entpolitisiert, was die Voraussetzung für eine seriöse Behandlung des Themas ist.

Die Tatsache, dass die Regierungsfraktion mehrheitlich gegen das Abkommen gestimmt hat, also einen Default mit dem Fonds wollte, stellt einen dunklen Schatten für Argentinien dar. Die Frage, die sich jetzt stellt ist die, ob Investitionsprojekte in Gang gesetzt werden, die mit Finanzierung der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank u.a. Banken, auch der chinesischen Förderungsbank, zählen. Geben die Kreditgeber sich mit dem Abkommen zufrieden, oder verbleibt das Misstrauen? Die Regierung müsste auf alle Fälle Kontakt mit den Verantwortlichen der einzelnen Projekte aufnehmen, und die Entscheidung beschleunigen. Dabei muss sich die Regierung auch darum kümmern, bürokratische Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Es bestehen mindestens zehn größere Investitionsprojekte, deren Durchführung die Wirtschaft ankurbeln würde.

Wenn diese Investitionen effektiv beginnen, dann wirkt sich das zunächst auf die Zahlungsbilanz positiv aus, und dann auch auf die Staatsfinanzen, da dies eine Teilfinanzierung für Staatsinvestitionen bedeutet, so dass das primäre Defizit, das mit Neuverschuldung oder Geldschöpfung finanziert werden muss, abnimmt. Es wäre wichtig, wenn die Regierung sich bemüht, ein oder zwei Projekte so bald wie möglich in Gang zu setzen. Denn das wirkt auf andere, bei denen die Entscheidung noch fehlt.

Der Bruch zwischen Alberto Fernández und Cristina Kirchner, der jetzt offen aufgetreten ist, gibt dem Präsidenten die Möglichkeit, effektiv zu regieren und Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie Cristina missfallen. Cristina flößt dem finanziellen Establishment Schrecken ein, so dass eine Distanzierung zu ihr dem Präsidenten zugute kommt. Er müsste es verstehen, dies hervorzuheben und zu nutzen. Frage: Ist er dazu fähig? Es bestehen berechtigte Zweifel in dieser Hinsicht.

Er müsste jetzt sofort Entscheidungen treffen, die ihn von einer anderen Seite zeigen, auch wenn sie Cristina missfallen. Das bezieht sich als erstes auf die Tarife öffentlicher Dienste, angefangen mit dem Stromtarif, dessen starke Erhöhung unerlässlich ist, um das primäre Defizit zu senken. Das Problem mit den Tarifen für Strom und Gas, und auch dem Preis für Benzin und Dieselöl, ist jetzt als Folge des Sprunges beim internationalen Preis für Erdöl und (noch mehr) für Gas noch akuter geworden. Die Tarifzunahme muss höher sein, als sie vorher gedacht war. Wirtschaftsminister Martín Guzmán, Produktionsminister Matías Kulfas u.a. Mitarbeiter könnten gewiss ein Katalog von Maßnahmen vorlegen, um das Defizit zu senken und die Konjunktur anzukurbeln. Je mehr wichtige Entscheidungen Präsident Fernández kurzfristig trifft, umso schneller wird das Misstrauen schwinden.

Gleichzeitig mit der parlamentarischen Diskussion ist auch das Verbleiben von Guzmán als Wirtschaftsminister aufgekommen. Christina und ihre Leute fordern schon seit langem seinen Rücktritt, während der Präsident ihn stützt. In der Tat wäre es nicht vernünftig, den Hauptunterhändler mit dem IWF, der die Einzelheiten der Diskussion gut kennt, durch einen anderen Beamten zu ersetzen, der sich erst in die Thematik einarbeiten muss. Denn Guzmán weiß, wie die Fondsbeamten denken, und um was es jetzt geht. Die parlamentarische Genehmigung des finanziellen Aspektes eines neuen Abkommens, löst nur einen Teil des Problems. Die konkrete Verhandlung dauert an, wobei eine dreimonatliche Revision vorgesehen ist, bei der der Fonds traditionell seine Haltung verhärtet, und weitere Maßnahmen fordert, um die gesetzten Ziele bezüglich Defizitverringerung und Begrenzung der Geldschöpfung zu erfüllen.

Doch Guzmán war eben kein wirklicher Wirtschaftsmister, und das wird ihm jetzt vorgeworfen. Er war ein Finanzminister, und eigentlich nur ein Umschuldungsminister. Allein, für eine echte Wirtschaftspolitik, die auch konfliktive Reformen enthält, braucht ein Wirtschaftsminister politische Rückendeckung, wie sie seinerzeit Präsident Menem seinem Wirtschaftsminister Cavallo erteilt hat. Ein wirtschaftliches Programm war bisher nicht möglich, weil Präsident Fernández keine klare Vorstellung in diesem Sinn hatte, und Cristina ganz anders dachte und störend wirkte.

Schließlich wird Guzmán auch vorgeworfen, dass er das Abkommen mit dem Fonds viel zu spät abgeschlossen habe. Denn schon im Dezember 2019 wusste man, dass ein neues Abkommen mit dem IWF abgeschlossen werden müsste, da das bestehende unmögliche Zahlungen im Jahr 2022 vorsah. Das Abkommen von 2018 war eben unter Zeitdruck abgeschlossen worden, und die grundsätzliche Diskussion wurde hinausgeschoben. Guzmán hätte sich somit bemühen müssen, das neue Abkommen sofort abzuschließen. Das hätte die Wirtschaftswelt beruhigt, und die lähmende Ungewissheit dieser letzten zwei Jahre wäre eventuell nicht gewesen, oder zumindest nicht so dramatisch.

Bei der Frage über den Rücktritt von Guzmán kam sofort das Rätselraten über den Nachfolger auf. Einen Kandidaten, der schon ein Prestige mitbringt, das ihm die Tätigkeit erleichtert, gibt es offensichtlich nicht. Es kamen mehrere Namen auf, die der Öffentlichkeit wenig bekannt sind, an erster Stelle Emanuel Alvarez Agis, der eine gute Beziehung zum Präsidenten hat und Staatssekretär für Wirtschaftspolitik unter Axel Kicillof als Wirtschaftsminister war. Er ist jedoch viel vernünftiger und orthodoxer als sein damaliger Chef, was er in Vorträgen vor Unternehmern zum Ausdruck gebrach hat. Erwähnt wurde auch Martín Redrado, ehemaliger ZB-Präsident unter Néstor und Cristina Kirchner, und ganz am Rande Augusto Costa, ehemaliger Handelssekretär und heute Mitarbeiter von Kicillof in der Provinz Buenos Aires.

Es ist ständig davon die Rede, dass die Regierung, oder konkret Guzmán, ein Wirtschaftsprogramm vorlegen muss. Doch genau dass sollte er nicht tun. Er muss wissen, welche Ziele er verfolgt, und dann die entsprechenden Maßnahmen treffen, und zwar eine gleich nach der anderen, so dass die Diskussion über die einzelnen Maßnahmen durch die nächsten Maßnahmen entkräftet wird. Denn was jetzt auf die argentinische Gesellschaft hinzukommt, ist nicht einfach zu verkraften. Die Erhöhung der Energiepreise bedeutet eine Verringerung des realen Einkommens der Bevölkerung, und wirkt rezessiv. Das muss durch positive Konjunkturimpulse ausgeglichen werden.

Das schließt auch eine Verringerung des Reallohnes ein, gegen die die Gewerkschaften meutern werden, was dann in höheren Lohnforderungen zum Ausdruck kommt, die auf die Preise abgewälzt werden und die Inflation in die Höhe treiben. Der Präsident selber hat mehrmals versprochen, den Reallohn zu erhalten, und auch den bisherigen Verlust aufzuholen. Und genau das kann er nicht erfüllen. Wenn die Lohnerhöhungen, die in den einzelnen Abkommen vereinbart werden, unter diesen Umständen so hoch sind, dass sie den bisherigen Reallohnverlust aufholen, dann tritt danach eine höhere Inflation ein, die dies wieder rückgängig macht.

Die von Cristina und ihrer Mannschaft verpönte “Anpassung” (“ajuste”) kommt so oder so. Sie kann vernünftig und geordnet durchgeführt werden, wie es u.a. der Fonds befürwortet, oder sie kommt unordentlich und mit hohen sozialen Kosten. Die Alternative, die Cristina stellt, also Anpassung als Folge des Fondsabkommens, und keine Anpassung ohne Abkommen, existiert einfach nicht. Doch weder der Präsident noch sein Wirtschaftsminister erklären dies. Man muss das Bewusstsein einer Krisensituation schaffen, damit Maßnahmen zur Überwindung der Krise allgemein als notwendig hingenommen werden.



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