Von Juan E. Alemann
Wirtschaftsminister Martín Guzmán setzt sich gegenüber Cristina langsam durch, und beschreitet, ohne es an die große Glocke zu hängen, den Weg zu einem Umschuldungsabkommen mit dem Internationalen Währungsfonds. Die neu ausgegeben Ziehungsrechte des IWF setzte er zunächst ein, um die verpflichteten Zinsen (am Montag der Vorwoche verfielen u$s 450 Mio.) zu zahlen, und nicht, wie es Cristina erklärt hatte, um die Wirtschaft anzuspornen, also für Investitionen. Die u$s 4,3 Mrd., die der Fonds bereitgestellt hat, reichen für weitere Zahlungen an den Fonds aus, so dass in den nächsten Monaten keine Defaultgefahr besteht, und eine Pause geschaffen wurde, während der verhandelt wird.
Im Juni waren schon u$s 439 Mio. an den Pariser Klub gezahlt worden, so dass jetzt eine Frist bis März besteht, um über eine Umschuldung zu verhandeln. Der Pariser Klub hatte dies von einem Abkommen mit dem IWF abhängig gemacht, das bis dahin abgeschlossen sein sollte. Auch hier gibt es somit keinen Default. Es ist besonders wichtig, keinen Konflikt mit dem Pariser Klub zu schaffen, weil Argentinien in Zukunft Kredite für Kapitalgüterfinanzierung benötigt, die ohne die politische Sicherung durch die verschiedenen staatlichen Institute (Hermes, Coface u.a.) nicht möglich sind. Die Schuld gegenüber dem Pariser Klub bezieht sich auf Kredite der genannten Art, die nicht bezahlt wurden und somit den staatlichen Instituten zur Last fielen, die keine neuen Versicherungen erteilen, wenn die alten Schulden nicht geregelt sind. Achtung!
Guzmán hat in Venedig mit Kristalina Georgiewa gesprochen, und danach dort auch Gespräche mit Fondsbeamten aufgenommen. Zwei Mitglieder des Wirtschaftsteams sind in der Vorwoche nach Washington gereist, um mit den Fachbeamten des Fonds das neue Abkommen zu besprechen. Voraussichtlich wird das Abkommen zwischen Januar und März 2022 unterzeichnet. Bei den Gesprächen geht es grundsätzlich um eine starke Verringerung, eventuell sogar totale Ausmerzung, des primären Defizites, wobei sich die Fondsbeamten bestimmt nicht mit allgemeinen Versprechen und globalen Zielen zufrieden geben werden, sondern konkrete Maßnahmen fordern dürften, die sehr konfliktiv sind. Doch gerade darum geht es, wenn man von den notwendigen strukturellen Reformen spricht.
Inzwischen hat Guzmán auch eine harte Anpassung (den sogenannten verpönten “ajuste”) eingeleitet, indem die Gehälter der Staatsangestellten und die Pensionen und Hinterbliebenenrenten hinter der Inflation zurückgeblieben sind, also real gefallen sind. Außerdem hat er die Sozialprogramme ATP (Subvention der Hälfte der Lohnsumme von Privatunternehmen) und IFE (Subvention von $ 10,000 a über 9.000 arme Familien) stark zusammengestrichen.Wenn jetzt Gehälter von Staatsangestellten und Pensionen so stark erhöht werden, dass sie den realen Verlust aufholen, dann muss besonders stark auf anderen Gebieten gespart werden. Das sollte Guzmán innerhalb der Regierung klarmachen, denn nicht alle haben dies verstanden. Denn wenn nicht bewusst gespart wird, dann muss die Inflation schließlich über den nominellen Erhöhungen von Gehältern der Staatsangestellten und Pensionen liegen, so dass die Inflation den Reallohn niedrig hält. Dass das Problem über eine hohe Inflation gelöst wird, ist gewiss eine schlechte Lösung.
Wo Guzmán jedoch nicht in diesem Sinn gehandelt hat, war bei den Subventionen für öffentliche Dienste und den Staatsinvestitionen. Bei den Subventionen, vor allem was den Stromtarif betrifft, konnte sich Guzmán gegenüber Cristina nicht durchsetzen. Aber seine Leute arbeiten inzwischen an einer neuen Tarifstruktur, die progressiver sein wird, so dass das technische Problem gelöst ist, wenn es irgendwann nach den Wahlen eine Erhöhung gibt. Guzmán sagte schon, die Stromsubvention begünstige vornehmlich wohlhabende Familien, womit er das soziale Problem bei Seite gelassen hat, das Cristina Sorge bereitet.
Bei Staatsinvestitionen musste Guzmán zunächst auch nachgeben, so dass sie stark erhöht wurden. Cristina meint, dass die vielen kleinen Investitionen, um die es hier geht, die sich auf Instandsetzung von Straßen, Erweiterung des Abwassersystems u.dgl. beziehen, Stimmen bringen, und vor allem, die Treue ihrer schon bestehenden Wähler erhält. Wie weit sich Guzmán bemüht, die Staatsinvestitionen durchzukämmen, um Ordnung zu schaffen und Prioritäten festzusetzen, so dass dann auch weniger, aber besser, investiert wird, ist nicht bekannt. Im Wirtschaftsministerium gibt es viele Ökonomen (eigentlich zu viele), so dass der Minister gewiss einige mit der Analyse der Staatsinvestitionen beauftragen könnte. Dann hätten sie etwas Nützliches zu tun. Guzmán würde sich dabei bestimmt wundern, wenn er erfährt, wie viel Geld bei öffentlichen Bauten zum Fenster hinausgeschmissen wird, und wie wenig die echten Prioritäten eingehalten werden.
Auf anderen Gebieten wurden schon Tariferhöhungen zugelassen, an erster Stelle bei den privaten Gesundheitsanstalten (“prepagas”). Hier wurde der Gedanke fallen gelassen, das ganze System zu verstaatlichen, das von extremen Kirchneristen befürwortet wurde. Cristina hatte dies auch in einer Ansprache angedeutet, bei der sie sagte, das System müsse revidiert werden. Doch das wurde fallen gelassen, wohl u.a. auch, weil es den Staat viel Geld kosten würde. Unlängst hat Cristina gesagt, sie sei auch einem privaten Gesundheitsdienst angeschlossen, und sei sehr zufrieden. Damit hat sie dieser Diskussion einen Schlusspunkt gesetzt. Auch bei anderen Verstaatlichungen, die harte Kirchneristen befürworten, regt sich nichts mehr. Im Wesen ist eben Sanierung der Staatsfinanzen mit Verstaatlichungen unvereinbar, weil diese den Staat immer Geld kosten.
Die notorische Besserung der Staatsfinanzen im ersten Halbjahr wurde auch durch höhere Steuereinnahmen erreicht, einmal durch die Sondersteuer auf hohe Privatvermögen, und dann durch den stark gestiegenen Erlös bei den Exportzöllen. Die Vermögenssteuer war einmalig, zumindest in diesem Jahr, und die Exportzölle dürften im zweiten Halbjahr weniger ergeben. Die Gefahr, das die Sondersteuer auf hohe Vermögen nächstes Jahr wiederholt wird, ist nicht auszuschließen. Es wäre jedoch ein besonders schlechtes Signal für die Wirtschaftswelt, das Investitionen beinträchtigt. Man sollte daher annehmen, dass die Regierung davon Abstand nimmt.
Gelegentlich wird die Möglichkeit erwähnt, die Einkommenssteuer (hier Gewinnsteuer benannt) zu erhöhen. Das sollte man jedoch ausschließen, weil sie schon sehr hoch ist. Die Sätze der Steuer gehören zu den höchsten der Welt, wobei die Inflation auch dazu führt, das reine Buchgewinne besteuert werden, was in anderen Ländern nicht der Fall ist. Bei dieser Steuer geht es darum, die anormal hohe Hinterziehung bei natürlichen Personen und Kleinunternehmen zu verringern, was jetzt durch die Folgen der Pandemie erschwert wird, die viele Kleinunternehmen in einer besonders schwierigen Lage hinterlassen hat, die nur überwunden werden kann, wenn das Steueramt ein Auge (oder beide) zudrückt.
Wenn bei den Einnahmen kein bedeutender Beitrag zur Senkung des Defizites erwartet werden kann, muss auf der Ausgabenseite mehr getan werden. Es genügt nicht mit der Erhöhung der Tarife öffentlicher Dienste und der Verringerung der Staatsinvestitionen. Es gibt viele Möglichkeiten um die Staatsausgaben zu verringern. Zunächst sollte des Kohlenbergwerk Río Turbio geschlossen werden, in das der verantwortliche Beamte, der ehemalige Kabinettschef Anibal Fernández, jetzt eine hohe Investition angekündigt hat, einmal um das Kraftwerk fertig zu stellen und dann um die Kohlenförderung in Gang zu setzen. Alles zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Wir könnten noch viele andere Bereiche nennen, in denen ähnliche Entscheidungen notwendig sind.
Das Abkommen mit dem IWF wird nicht einfach sein, und es dürfte viel interne Diskussion geben, wenn einzelne Rationalisierungsmaßnahmen bekannt werden. Und dabei ist auch zu erwarten, dass es innerhalb der Regierung Krach gibt.
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