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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die verdrängte Inflation

Von Juan E. Alemann

Der Index der Konsumentenpreise, mit dem die Inflation gemessen wird, weist für Mai eine Zunahme von 1,5% aus, die im Juni und Juli unter 2%, eventuell auch unter 1,5% liegen dürfte. Diese Inflation wird in Argentinien als normal angesehen, und wirkt beruhigend auf die Gemüter. Das erlaubt auch den Gewerkschaftern, ihre Forderungen zu mäßigen und eventuell eine Ruhepause ohne Protest anzunehmen. Die hohe Geldschöpfung, die gegenwärtig stattfindet, hätte dann bei geringen Preiszunahmen eine direkte Wirkung auf die Nachfrage, mit mehr gekauften Gütern und schließlich auch mit mehr Produktion. Damit wäre die tiefe Rezession zwar nicht überwunden, wohl aber stark gemildert, und das ist gegenwärtig sehr viel.

Allein, wenn man den Fall genauer prüft, so beruht diese Beruhigung auf der Preisfront weitgehend auf allerlei Preiseinfrierungen, die die Regierung verfügt hat. Halten wir folgende fest:

  • Die Tarife von Strom und Gas sind seit 14 Monaten unverändert geblieben, und der Wassertarif seit 13 Monaten.

  • Die Tarife für den Personentransport (Omnibus, Eisenbahn und U-Bahn) in der Bundeshauptstadt und den Bezirken der Umgebung (was zusammen als Groß-Buenos Aires bezeichnet wird) sind seit 13 Monaten eingefroren.

  • Der Preis für Benzin und Dieselöl bleibt seit 6 Monaten unverändert.

  • Ab Mitte Mai wurden auch die Tarife für den Telefondienst (feste Linien und Mobiltelefon), für Internet und Kabelfernsehen bis Ende August eingefroren

  • Die Tarife der privaten Gesundheitsdienste (“prepagas”) bleiben zunächst unverändert.

  • Das Programm der “gepflegten Preise”, das sich auf 311 Produkte des täglichen Konsums bezieht, blieb seit Januar unverändert. Für Juli soll es mäßige Preiserhöhungen geben, die dann bis Ende Jahr gelten.

  • Für weitere 2.300 Produkte hat die Regierung bei Verhängung der Quarantäne bestimmt, das die am 6. März geltenden Preise nicht erhöht werden dürfen.

Hinzu kommt noch, dass der Dollarkurs, den die ZB durch strenge Kurspflege festsetzt, in diesem Jahr knapp über dem Index der Konsumentenprise gestiegen ist, ohne Sprünge, was auch eine beruhigende Wirkung hat. Ebenfalls ist die Nachfrage nach allerlei Gütern und Dienstleistungen wegen der Quarantäne, der Schließung sehr vieler Einzelhandelsgeschäfte und des allgemeinen Einkommensverlustes gefallen, was auf die Preise drückt. Auch Mieten sind in vielen Fällen verringert oder zumindest nicht mit der Inflation erhöht worden. Viele Preisnachlässe, die durch die Rezession bedingt sind, kommen im Index der Konsumentenpreise nicht zum Ausdruck, so dass, streng genommen, die Zunahme in Wirklichkeit noch geringer ist, als sie das INDEC angibt. Ebenfalls ist nicht klar, wie die zahlreichen Mengen- oder Sonderrabatte, die die Supermärkte bieten, bei der Erhebung der Preise berücksichtigt werden. Außerdem sind die Preise für bestimmte Güter oft in verschiedenen Geschäften sehr unterschiedlich. Für den Verbraucher, der Preise vergleicht und dabei die Produkte dort kauft, wo sie billiger sind, ist das Preisniveau somit niedriger.

Was man sich frägt, ist, wie lange diese Preispolitik fortgesetzt werden kann. Bei öffentlichen Diensten entsteht dabei ein zunehmender Subventionsbedarf, der für die Staatsfinanzen schwer zu verkraften ist und die Geldschöpfung auf einem hohen Niveau hält.

Kurzfristig mag das Schema der gigantischen Geldschöpfung keine bedeutende inflationäre Wirkung haben. Einmal nimmt bei niedrigen Inflationsraten die Haltung von Bargeld und Bankdepositen zu, weil dies bequemer ist. Das bedeutet, dass die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes abnimmt. Und zweitens steht dieser künstlich geschaffenen Nachfrage ein hohes Angebot gegenüber, so dass zunächst mengenmäßig mehr verkauft werden muss, bis an Preiserhöhungen gedacht wird.

Doch wenn die Geldschöpfung weitergeht, kommt der Moment, in den sich dies auf die Preise auswirkt. Dann gibt es eine echte Nachfrageinflation. Vorläufig besteht jedoch keine Möglichkeit, die Geldschöpfung zu verringern. Die hohen Sozialausgaben können wenig verringert werden, und die Sparmöglichkeiten des Staates sind begrenzt, sofern nicht strukturelle Reformen angegangen werden, die objektiv schwierig und politisch konfliktiv sind. Außerdem wird es eine Weile dauern, bis sich die Steuereinnahmen erholen, weil die Wirkung der Rezession andauert, die Unternehmen weniger verkaufen und verdienen, und außerdem unter finanziellem Druck stehen. Was schließlich geschehen dürfte, ist, dass der Reallohn der Staatsangestellten sinkt. Und das wird auch im privaten Bereich unumgänglich sein, nachdem ein allgemeiner realer Einkommensverlust eingetreten ist, der auch Unternehmensgewinne u.a. Einkommen betrifft. Wir sind eben ärmer geworden.

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