Von Juan E. Alemann
Die Inflation, gemessen mit dem Index der Konsumentenpreise, erreichte im Februar 3,6%, leicht unter den 4% vom Januar, aber immer noch unzivilisiert hoch. Im ersten Bimester 2021 waren es 7,8% und in 12 Monaten zum Februar 40,7%. Für März rechnen private Ökonomen mit 4%. Um jetzt das Plansoll von 29% einzuhalten, eventuell mit einer kleinen Abweichung, auf dem der Staatshaushalt für 2021 aufgebaut wurde, müsste die Inflation ab jetzt unter 1,5% monatlich liegen, was kaum möglich ist. Allgemein wird mit über 50% gerechnet.
Im Februar wurde die Inflation künstlich niedrig gehalten. Die sogenannte Kerninflation, bei der staatlich regulierte und saisonbedingte Preise ausgeschlossen werden, lag im ersten Bimester bei 8,1% und betrug in 12 Monaten 43,7%. Die Tarife für Strom und Gas sind stark zurückgeblieben und müssten, auch ohne die Kosten voll zu decken, um mindestens 50% erhöht werden. Eine unmittelbare Erhöhung ist jetzt verfügt worden. Der Tarif für Personentransport im Raum von Groß-Buenos Aires ist ebenfalls stark zurückgeblieben, und wurde deshalb im März schon erhöht. Doch auch so deckt er nicht einmal die Hälfte der Kosten. Der Preis für Benzin und Dieselöl ist auch hinter den Kosten zurückgeblieben, die infolge des gestiegenen Weltmarktpreises für Rohöl in die Höhe gesprungen sind. Das wird jetzt aufgeholt. Die Erhöhung fand schließlich letzte Woche statt. Auch die Tarife für Telefonie, Kabelfernsehen und Internet sind zurückgeblieben. Und dann kommen noch zahlreiche Produkte des täglichen Konsums der Haushalte hinzu, die Höchstpreise haben, die auf Dauer nicht haltbar sind, weil sie die betroffenen Unternehmen nicht ertragen. Verlustbilanzen, auch bei Großunternehmen, sind keine Ausnahmen mehr. Schließlich kommen noch unzureichende Preiserhöhungen bei Privatschulen und privaten Gesundheitsinstituten (“prepagas”) hinzu. Bei echten Preisen, die für die Unternehmen zumindest kostendeckend sind und den Staat nicht mit einer untragbaren Subvention belasten, hätte die Preiszunahme im Februar bestimmt über 5% gelegen.
Von der monetären Seite gab es im ersten Bimester keinen Impuls vom Schatzamt, weil dieses keine Mittel von der ZB beanspruchte, die diese mit Geldschöpfung deckt. Die ZB musste somit nur zur Emission greifen, um Zinsen auf die Leliq-Bonds zu finanzieren. Gelegentlich wird das Inflationsproblem nur auf die Geldschöpfung konzentriert, mit dem Argument, dass ohne diese die Preise nicht steigen könnten. Ohne Defizit bei den Staatsfinanzen würde es somit keine Inflation geben. Doch in der Tat steigen die Preise auch ohne Geldschöpfung, aus dem einfachen Grund, dass die Kosten steigen. Einmal wirkt hier der Wechselkurs auf importierte Produkte und auch auf Produkte, die auch exportiert werden. Und dann werden die Kosten auch durch Löhne bestimmt.
Theoretisch geht es bei der jährlichen Lohndiskussion um eine Aufteilung des Gewinnes zwischen den Unternehmen und den Arbeitnehmern. In der Praxis ist es so, dass die Lohnerhöhungen sich an die vergangene Inflation halten, und von den Unternehmen auf die Preise abgewälzt werden, oder in bestimmte Fällen, wie öffentliche Dienste, höhere Subventionen vom Staat fordern. Solange die Theorie der Erhaltung des Reallohnes als Leitfaden für die Verhandlungen gilt, und nicht, wie es sein sollte, die Rentabilität der Unternehmen und die Produktivität der Arbeit, kommt es zu Preiserhöhungen, die nichts mit der monetären Emission zu tun haben.
Aus verständlichen politischen Gründen erwähnen weder die zuständigen Minister u.a. hohe Beamte, noch die Unternehmer, diesen inflationstreibenden Mechanismus. Es besteht allgemein eine kolossale Heuchelei. Aber alle Beteiligten sind sich über dies bewusst. Die Abnahme des Reallohnes, die in einer ärmer gewordenen Wirtschaft unvermeidlich ist, wird durch folgenden Trick vollzogen: die Lohnerhöhungen werden stufenweise gewährt, so dass die durchschnittliche Zunahme, bezogen auf den Lohn der ganzen 12-Monatsperiode, für die die Zulagen gedacht sind, unter der Inflation liegt. Das bedeutet jedoch, dass die Rechnung nur bei relativ hoher Inflation aufgeht, am besten, wenn diese viel höher als vorgesehen ausfällt. Das ist eine perverse Situation.
Stabilisierungen sind in Argentinien nur mit direkten oder verkappten Lohneinfrierungen gelungen. 1952, unter der Regierung von Perón und mit Alfredo Gómez Morales als Wirtschaftsminister, wurden die Löhne für zwei Jahre eingefroren, und die Inflation sank auf unter 2% im Jahr. 1967, unter Onganía als Präsident und Adalbert Krieger Vasena als Wirtschaftsminister, wurden die Löhne auch eingefroren, was aber nicht so strikt eingehalten wurde wie 1952. Die Inflation sank stark, ohne ein Stabilitätsniveau zu erreichen. 1991, mit Menem als Präsident und Domingo Cavallo als Wirtschaftsminister, gab es keine formelle Lohneinfrierung, sondern eine faktische, mit Druck auf die Gewerkschaften und Stützung der Unternehmen. Und die Preise stiegen dabei in einem Jahrzehnt sehr wenig.
Das Fazit dieser Erfahrungen ist, dass es ohne einen staatlichen Eingriff in die Lohnverhandlung keine Lösung gibt, und dieser inflationstreibende Faktor verbleibt. Wir haben an dieser Stelle vorgeschlagen, dass die Zweierverhandlung (Gewerkschaften und Unternehmerverbände) in eine Dreierverhandlung umgewandelt wird, bei der das Wirtschaftsministerium einen Vertreter mit Vetorecht stellt, der keine Lohnerhöhungen zulässt, die auf die Preise abgewälzt werden, und die Diskussion auf Rentabilität, Produktivität und Beschäftigung lenkt.
Würde man die Inflation nur von der monetären Seite bekämpfen, dann würde zunächst eine Vertiefung der Rezession eintreten, die politisch unhaltbar wäre. Das bedeutet, dass diese Politik nach einigen Monaten platzen würde, der Staat die ausgebliebene Geldschöpfung nachholen würde, und die vorherige Inflation wieder voll eintreten würde. In der Tat wurde die Geldschöpfung in den letzten Jahren durch Ausgabe von Staatstiteln (Lebac, Leliq) begrenzt, die jedoch im Grunde die Emission nur zeitlich verschieben. Gewiss muss die Geldschöpfung in Grenzen gehalten werden. Sie sollte theoretisch nur das Wachstum der Wirtschaft begleiten, das auch mehr Geld erfordert. Aber die Inflationsproblematik auf die Geldschöpfung zu beschränken, wie es hier oft zu hören ist, ist einfach irreal, und bedeutet im Grunde, dass man die Inflation nicht bekämpfen will.
Von einer Stabilisierungsstrategie ist weder in der Regierung, noch im Parlament, noch in der Opposition, noch bei privaten Wirtschaftern zu hören. Sie reden alle um den heißen Brei herum. Das Beste, das man dabei erwarten kann (mit viel Optimismus), ist, dass die Jahresinflation auf 20% zurückgeht. Das würde von der Gesellschaft als eine große Erleichterung empfunden, was die Gefahr mit sich bringt, dass man sich damit zufrieden gibt. Gewiss wird der wirtschaftliche Ablauf bei 20% Inflation viel weniger gestört als bei 50% und mehr, aber gelöst ist das Problem dabei gewiss nicht.
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