Von Juan E. Alemann
Die Inflation verbleibt weiter auf einem gefährlich hohen Stand. Eine Zunahme des Indices der Konsumentenpreise des INDEC von 3,4% im April ist weniger als die von 4,7% vom März, und liegt auch unter den Erwartungen der privaten Ökonomen, die auf über 4% tippten. Die ersten 4 Monate 2019 verzeichnen jetzt eine Zunahme von 15,94%, und in 12 Monaten zum April waren es 55,8%. Was im April positiv ist, ist dass die Zunahme bei Lebensmitteln nur 2,5% betrug. Dass die Rubrik Bekleidung und Schuhe um 6,2% zunahm hängt mit dem Saisonwechsel zusammen, wobei hier die angestaute Inflation eines Jahres zum Ausdruck kommt. In seiner Struktur ist die April-Zunahme somit besser als im Gesamtergebnis.
Für Mai wird mit etwas weniger gerechnet, wobei jedoch die Zunahme von 5% bei Brennstoffen, 27% beim Wassertarif, 4% beim Strom und 33% bei den Mautgebühren, und auch die Wirkung des letzten Abwertungssprunges darauf hinweisen, dass es voraussichtlich nicht unter 3% sein wird, was auch zu hoch ist. Erst wenn die monatlichen Raten ohne Unterbrechung unter 2% liegen, empfindet die Gesellschaft, dass die Lage sich normalisiert hat. Mit einer Inflation von 20% bis 25% jährlich ist man in Argentinien jahrelang einigermaßen ausgekommen, mit einer viel höheren nicht.
Da gleichzeitig die Rezession andauert, und die milden Erholungszeichen, die in den Vormonaten aufgekommen waren, nicht in einer neuen Aufschwungphase mündeten, wird die Inflation noch negativer vernommen. Denn eine hohe Inflation als Preis für eine gute Konjunktur ist etwas anderes. Vor einem halben Jahrhundert wurde in Argentinien die These verfochten, dass die Inflation eben der Preis für Wachstum sei. Das hat sich jedoch an Hand der Erfahrung als falsch erwiesen, und jetzt ist viel krasser zum Ausdruck gekommen, dass Inflation wachstumshemmend ist, und auch zu Krisen führt.
Die strenge Fiskalpolitik, mit einem großen Erfolg bei der Überwindung des primären Defizits, und auch die harte Geldpolitik, haben offensichtlich als Stabilisierungsinstrumente versagt, aber gleichzeitig rezessiv gewirkt. Es handelt sich bei der gegenwärtigen Lage um eine sogenannte “Stagflation”, und das ist die schlimmste Möglichkeit, die man sich denken kann.
Der Aufschwung, der auf Grund der Rekordernte von Getreide und Ölsaaten erwartet wurde, war kaum spürbar. Jetzt ist der Preis für Sojabohne stark zurückgegangen, und auch bei Getreide liegen die Preise unter Druck, so dass der Erlös der Ernte nur wenig über dem Vorjahr liegen dürfte. Die normale Erholung, die erwartet wurde, wurde von der monetären Politik abgewürgt. Die Diskussion dreht sich jetzt darum, ob die Talsohle der Rezession schon überwunden wurde oder noch bevorsteht.
Die absurd hohen Pesozinsen, die das Schatzamt bezahlt, die das ganze Zinsgefüge in die Höhe treiben, haben eine verheerende Wirkung und ersticken die Wachstumsimpulse im Keim. Die Ausgabe von Leliq-Schatzscheinen zu Zinsen von über 70% (die bei Kumulierung auf Jahresbasis noch höher liegen) führen zu einer ständigen Zunahme des Bestandes, der schon über einer Billion Pesos liegt. Bei den Lebac, die die ZB vorher ausgab, hatte der Bestand $ 1,2 Bio. erreicht, als der Währungsfonds einsprang und sie schrittweise abgeschafft wurden. Wie der Fall jetzt endet, weiß man nicht. Die einzige Lösung, die wir sehen und an dieser Stelle empfohlen haben, besteht darin, dass die Leliq bei Verfall nicht erneuert werden und das Schatzamt sich in Dollar verschuldet. Schatzscheine in Dollar konnten unlängst zu 5,5% untergebracht werden, und vorher zu 4%, und das ist etwas ganz anderes als Pesozinsen von über 70%, die nur mit einer Inflation von dieser Größenordnung vereinbar sind. Und eine so hohe Inflation wäre untragbar und würde alles über den Haufen werfen, wobei der Weg zur Hyperinflation (die mit etwa 50% und mehr in einem Monat definiert wird) dann sehr kurz wäre.
Die Senkung der Inflationsrate ist bei einer gleichzeitigen brutalen Änderung der relativen Preise, wie sie in den letzten Jahren vollzogen wurde, sehr schwierig. Wenn die Tarife öffentlicher Dienste und die Preise von Importgütern und auch solchen, die auch exportiert werden, im Verhältnis zu den anderen Preisen zunehmen, dann steigt das allgemeine Preisniveau, weil es keinen Ausgleich durch Preise anderer Güter gibt, die abnehmen. Wenn jetzt zusätzlich noch Löhne erhöht werden, wie es am laufenden Band geschieht, dann erhalten die Preise auch von dieser Seite einen Impuls.
Bei einer Änderung der relativen Preise ist es unvermeidlich, dass der Reallohn abnimmt. Das war in letzter Zeit schon der Fall, wobei der Rückgang in den letzten drei Jahren auf etwa 15% berechnet wird. Das wäre jedoch ein Durchschnitt, bei dem die einzelnen Branchen und Unternehmen große Unterschiede aufweisen. Die Erdölarbeiter, die für ein Jahr zum März 2019 eine Zunahme von fast 60% erhalten haben, auf der Grundlage von Löhnen, die schon vorher weit über den allgemeingültigen lagen, erlitten keinen Reallohnverlust. Hingegen gab es bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die schon vorher weniger zahlten, einen Reallohnverlust von über 20% und auch 30%. Die hohen unbegründeten Lohndifferenzen, die bei dieser Entwicklung entstehen, führen zu einem starken Druck der Zurückgebliebenen und stellen das Arbeitssekretariat vor ein Problem. Es fehlen eben allgemeine Richtlinien, die bindend sein müssen. Doch das steht nicht einmal zur Diskussion. Es gibt keine echte Lohnpolitik, und das ist verhängnisvoll.
Wenn Produktions- und Arbeitsminister Dante Sica jetzt erklärt, dass die Regierung sich um die Erhaltung des Reallohnes bemühen werde, mit Arbeitsabkommen, die eine Indexierungsklausel enthalten, dann hat er das Problem nicht verstanden. Denn dann wird die hohe Inflation weiter andauern, es sei denn, die Tarife öffentlicher Dienste und der Wechselkurs bleiben hinter der Inflation stark zurück. Und dann wäre der primäre Überschuss bei den Staatsfinanzen sofort weg, und auch der Leistungsbilanzüberschuss bei der Zahlungsbilanz würde schwinden, was noch gefährlicher ist. Es sei denn, es wird noch drastischer gespart, der Unfug mit den Leliq hört auf, die Importe werden gebremst und die Kapitalflucht wird eingedämmt. Doch das wäre eine grundsätzliche Wende bei der Wirtschaftspolitik.
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