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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Umschuldungsverhandlung mit dem IWF hat begonnen

Von Juan E. Alemann

Das Gesetzesprojekt über den Staatshaushalt für 2021 wird voraussichtlich im Kongress unmittelbar verabschiedet werden. Es hat ohnehin eine sehr beschränkte Bedeutung, weil es auf irrealen Voraussetzungen fußt, und ohnehin im Laufe des Jahres vom Kabinettschef beliebig korrigiert werden kann. Ein seriöses Budget müsste in Werten von Ende 2020 aufgestellt und dann alle drei Monate indexiert werden. Dann könnte man sich ernsthaft mit der Ausgabenstruktur und der Ausgabensenkung befassen. Ohne dies planen die für die einzelnen Staatsbereiche Verantwortlichen eine Reserve ein, weil sie davon ausgehen, dass die Inflation schließlich höher ausfallen wird, als sie bei der Budgetberechnung vorgesehen ist. Wobei die Wirtschaftsführung sich dabei auch gezwungen sieht, eine irreal niedrige Inflation anzunehmen, weil sie sonst hohe Inflationserwartungen schafft, die die Unternehmer bei ihrer Kalkulation berücksichtigen, was die Inflation noch mehr anspornt.

Doch jetzt kommt eine seriöse Budgetdiskussion, nämlich mit dem Internationalen Währungsfonds. Eine Mission des IWF ist diese Woche in Buenos Aires eingetroffen und hat sofort das Gespräch mit Wirtschaftsminister Guzmán aufgenommen. Die bisher vorgesehene Amortisation der Schuld von u$s 44 Mrd. ist total irreal; 2021 sollen u$s 4 Mrd. gezahlt werden, 2022 u$s 20 Mrd. und 2023 weitere u$s 20 Mrd. Es ist klar, dass dieser Zahlungskalender 2019 im Hinblick auf eine neue Verhandlungsrunde mit der neuen Regierung aufgestellt wurde. Die finanzielle Lage hat sich inzwischen wegen Pandemie, einem geschätzten BIP-Rückgang von ca. 12% in diesem Jahr, niedrigen Exporten und hoher Kapitalflucht verschlechtert. All das weiß der IWF.

Der Fonds bemüht sich, mit den lokalen Behörden zusammenzuarbeiten, um ein realistisches Amortisationsprogramm auszuarbeiten. Die Schuld gegenüber dem IWF kann nur langfristig abgebaut werden, und im Rahmen des jetzt vorgesehenen Programmes (“extended facilities”) sollen es 10 Jahre sein, statt der 4 Jahre der normalen Hilfsprogramme des Fonds (“stand by”). Doch auch bei einer langfristigen Amortisation muss das Defizit verschwinden und ein Überschuss erwirtschaftet werden. Es sei denn, dass bestehende Schulden mit neuen Krediten gedeckt werden, was u.a. voraussetzt, dass die Kredite, die die Weltbank und die BID erteilen, über den Amortisationen liegen. Ein geringer Teil des Defizites kann auch mit Geldschöpfung gedeckt werden, die das BIP-Wachstum und die Inflation passiv begleitet. Doch die Geldschöpfung war dieses Jahr schon so anormal hoch, dass die Marge für weitere Zunahmen gering ist.

Der Fonds ist schließlich dazu da, den Ländern zu helfen, kritische Finanzlagen zu überwinden. Doch wie der Fonds handelt, wenn die argentinischen Behörden auf der Beibehaltung eines zu hohen Defizites beharren, weiß man nicht. Auf alle Fälle würde ein Dauerkonflikt mit dem IWF das Vertrauen in Argentinien noch mehr senken und die Überwindung der Krise noch schwieriger machen. Dies würde auch dazu führen, dass die Weltbank, und eventuell auch die BID, keine weiteren Kredite an Argentinien gewähren, was schlimme Folgen hätte.

In diesem Sinn fordert der IWF angeblich als erstes, dass das Defizit der Staatsfinanzen, das im Budget für 2021 auf 4,5% des BIP veranschlagt wurde, auf höchstens 3% gesenkt wird. Auch das ist eigentlich noch zu viel. In den folgenden Jahren soll das Defizit dann geringer sein. Dieses Jahr wird das Gesamtdefizit, richtig berechnet (u.a. ohne den ZB-Gewinn als echte Einnahme des Schatzamtes zu buchen) voraussichtlich über 8% des BIP liegen, so dass schon eine große Anstrengung notwendig ist, um es auf 4,5% zu senken, die in Wirklichkeit ohnehin über 5% sind. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsleistung 2021 wieder wächst (mindestens 4%) und die Steuereinnahmen dabei überproportional zunehmen. Doch das genügt nicht.

Auf der Ausgabenseite muss stark gespart werden. Und das ist in der Regierung nicht ganz verstanden worden. Die Ökonomin Cecilia Todesca, die einflussreiche Staatssekretärin im Amt des Kabinettschefs, die sich mit Wirtschaftsthemen befasst, erklärte, die Staatsausgaben würden real (also über die Inflation hinaus) um 8 Prozentpunkte des BID gegenüber 2020 zunehmen. Dabei präzisierte sie, dass die Staatsinvestitionen von 1,1% des BIP in diesem Jahr 2,2% 2021 verdoppelt würden. Sie hat offensichtlich nicht begriffen, um was es bei den Staatsausgaben geht. Diese Zunahme ist einfach nicht möglich. Auch sonst werden ständig neue Staatsausgaben geschaffen, die besonders das kommende Jahr belasten, während von Ausgabenkürzungen nicht die Rede ist. Die Justizreform, die vorläufig im Parlament gebremst wird, jedoch vom Präsidenten weiter befürwortet wird, bedeutet enorm hohe zusätzliche Ausgaben, die gewiss nicht notwendig sind. Streng genommen müssten auch die Justizausgaben gesamthaft gesenkt werden, was durchaus möglich ist. Präsident Alberto Fernández vermittelt den Eindruck, dass er in den Wolken schwebt und sich nicht bewusst ist, dass die Staatsausgaben untragbar sind und ein Defizit schaffen, für das es keine Finanzierung gibt.

Die Regierung meint, das Problem zu lösen, indem die Subventionsprogramme ATP (Subventionen für Lohnzahlungen kleiner und mittlerer Unternehmen in Krisensituation) und IFE (Notzahlungen an arme Familien) nicht weitergeführt werden. Doch die Regierung wird nicht umhin kommen, weiter finanzielle Hilfen zu vergeben und Streckungen bei Zahlung von Steuern und Sozialabgaben, sowie der Amortisation von Schulden zu dulden. Außerdem soll die Nahrungsmittelhilfe über die Karte AlimentAr und direkte Lebensmittelzufuhr an Schulen und die zahlreichen uneigennützigen Essanstalten, weitergeführt werden, und eventuell sogar ausgeweitet werden. Hohe Sozialausgaben sind jetzt nicht mehr wegzudenken. Wie hoch sie sein sollen und wie sie gestaltet werden, darüber kann man diskutieren. Der Staatshaushalt hat hier eine verbleibende strukturelle Änderung.

Grundsätzlich kann die reale Senkung der Staatsausgaben entweder durch schwierige Strukturreformen oder durch eine Senkung des Reallohnes der Staatsangestellten und der Pensionäre und Hinterbliebenenrentnern erreicht werden. Der IWF weiß, dass der politische Wille, strukturelle Reformen anzugehen, gering ist, so dass es schließlich auf die schlechte Lösung, mit einem konfliktiven Verlust an Realeinnahmen hinausläuft. Schon die Erhöhung der Tarife öffentlicher Dienste stößt auf Widerstand. Die Regierung ist sich inzwischen bewusst geworden, dass die Tarife für Strom, Gas und Wasser, und auch der Preis für Benzin und Dieselöl, erhöht werden müssen, um die Subventionen zu beschränken, will die Zunahmen jedoch beschränken, um eine Schockwirkung zu vermeiden. Der IWF dürfte auf alle Fälle mehr fordern.

Meistens gehen die Fonds-Fachleute nicht auf konkrete Strukturreformen ein, sondern überlassen sie den lokalen Beamten. Dabei geben sie bestenfalls Empfehlungen. Die unerlässliche Schließung des absurden Kohlenbergwerkes in Río Turbio, Provinz Santa Cruz, werden die Fondsbeamten bestimmt nicht empfehlen. Eine unerlässliche Einfrierung der freiwerdenden Stellen im Staat, wurde vom IWF bisher auch nicht erwähnt. Und wenn man die Staatsstruktur gründlich durchkämmt, tauchen überall Sparmöglichkeiten auf, die der IWF ignoriert.

Pensionen, Hinterbliebenenrenten, Kindergelder u.a. soziale Leistungen sind ab 2019 schon real bis zu 20% gesunken. Jetzt wird an einer neuen Indexierungsformel gearbeitet, wobei die Macri-Formel angeblich ungünstig für die Rentner war. Das Gesetz, dass nur provisorisch bis Ende 2020 außer Kraft gesetzt wurde, sieht eine Berichtigung von 70% mit dem Index der Konsumentenpreise und zu 30% mit dem Lohnindex des Arbeitsministeriums vor. Unter Cristina waren die Renten zum großen Teil an die Einnahmen des Systems (Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, plus Anteile an Steuererlösen) gebunden, was irrational war, da der Zuschuss zum System, der von den Steuereinnahmen abgezweigt wurde, willkürlich festgesetzt wurde, und der Umfang dabei dem Bedarf des Systems angepasst wurde, so dass alle Pensionen, Hinterbliebenen- und Gnadenrenten und Kindergelder bezahlt werden konnten. Jetzt will die Mehrheitsfraktion im Parlament jene Formel wieder einführen, was ein Rückschritt wäre. Die Politiker reden stets von der Notwendigkeit der realen Zunahme der Renten; aber die Wenigen, die sich effektiv mit dem Thema befassen, wissen genau, dass sie eine weitere reale Senkung hinnehmen müssen.

Die verpönte “Anpassung” (“ajuste”) kommt so oder so. Sie kann geordnet vollzogen werden, mit tragbaren sozialen Kosten, oder sie kommt ungeordnet und chaotisch auf uns zu, mit sehr hohen sozialen Kosten. Die Diskussion mit dem IWF erlaubt uns, den ersten Weg zu beschreiten und dem Fonds die Schuld für die sozialen Kosten zu geben. Beim anderen Weg gibt es keinen Sündenbock, und die Krise könnte so gewaltig ausfallen, dass die Regierung sie nicht übersteht.


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