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Die Taliban an der Macht

Chaos rund um Kabuler Flughafen / Bundeswehr fliegt weiter aus

Kabul
Der Kabuler Flughafen ist voller Menschen, die den Taliban entkommen wollen. (Foto: dpa)

Kabul/Washington (dpa) - Rund um den Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul herrscht weiter Chaos. Einheimische Helfer deutscher Organisationen berichteten gestern von verstopften und teils unpassierbaren Straßen. US-Soldaten ließen sie bei den Eingängen nicht vor, berichteten zwei Ortskräfte der Deutschen Presse-Agentur. Die CNN-Journalistin Clarissa Ward, die als eine von wenigen ausländischen Journalistin noch vor Ort ist, sprach von einem "Tornado des Wahnsinns". Ihr zufolge warfen Menschen Babys über den Zaun, um sie in Sicherheit zu bringen. Die Taliban seien mit Peitschen und Waffen unterwegs, um die Menschen zurückzuhalten.

US-Präsident Joe Biden betonte, das Chaos beim Abzug der US-amerikanischen Truppen sei unvermeidbar gewesen - wegen des Zusammenbruchs der afghanischen Regierung, des Militärs und der schnellen Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban. Biden versicherte im Fernsehsender ABC, die US-Soldaten am Flughafen könnten notfalls auch über den geplanten Abzugstermin am 31. August hinaus bleiben. "Wenn dort noch amerikanische Bürger sind, werden wir bleiben, bis wir sie alle rausgeholt haben."

Auf die Frage, ob die US-Regierung Fehler gemacht habe oder ob man besser mit der Lage hätte umgehen können, entgegnete Biden: "Nein. Ich glaube nicht, dass wir es auf eine Weise managen konnten (...), um ohne Chaos rauszukommen. Ich weiß nicht, wie das gehen soll."

Nach ihrem Eroberungszug haben die Taliban am Sonntag die Macht im Land übernommen. Viele Afghanen befürchten eine Rückkehr der Schreckensherrschaft der Islamisten der 1990er-Jahre, während der etwa Frauen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen waren und die Vorstellungen der Islamisten mit barbarischen Strafen durchgesetzt wurden. Viele Menschen wollen deshalb das Land verlassen. Deutschland, die USA und andere Staaten fliegen derzeit eigene Staatsangehörige und afghanische Helfer aus.

Doch Biden räumte Probleme mit Blick auf das Vorgehen der Taliban bei der Evakuierung von Afghanen ein. Zwar würden die Islamisten "kooperieren" und US-Bürger und Botschaftsmitarbeiter ausreisen lassen. Mit Blick auf die Evakuierung der früheren afghanischen Mitarbeiter der US-Behörden und Streitkräfte gebe es jedoch "ein bisschen mehr Schwierigkeiten", sie rauszubekommen. Biden räumte ein, dass es rund um den Flughafen weiter chaotisch zugehe, "aber es wird momentan niemand getötet".

Ein ehemaliger Helfer von ausländischen Stellen sagte der dpa gestern hingegen: "Die amerikanischen Soldaten lassen nur ihre Leute durch." Eine andere Ortskraft berichtete, sie habe von 20 Uhr abends bis 2 Uhr morgens versucht, in den Flughafen zu gelangen. Ein US-Soldat habe gesagt, jemand müsse herkommen und überprüfen, ob er wirklich eine Ortskraft der Deutschen sei. Immer wieder seien Schüsse in die Luft gefeuert worden. Auch Tränengas sei eingesetzt worden. Das US-Verteidigungsministerium bestätigte am Mittwoch, das Soldaten auch in die Luft geschossen hätten, um die Menge vor dem Flughafen im Zaum zu halten.

Am Flughafengelände von Kabul gibt es verschiedene Eingänge. Viele Menschen befinden sich beim Zugang zum zivilen Teil, der am südlichen Ende des Flughafens liegt. Von dort aus werden kommerzielle Flüge abgewickelt, die allerdings aktuell eingestellt sind. Am nördlichen Ende gibt es einen Zugang zum militärischen Teil. Ein weiterer Eingang liegt rund ein Kilometer östlich vom Eingang zum zivilen Teil. Rund um diese Eingänge - aber auch entlang der Sprengschutzwände, die das Gelände umgeben - harren Tausende Menschen aus oder versuchen irgendwie, auf das Gelände zu gelangen.

International ist die Sorge groß. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach von einer "Katastrophe für die Werte und die Glaubwürdigkeit des Westens". Man habe dabei versagt, das Land auf seinem Weg zu einen modernen Staat zu begleiten.


Führende Männer der Taliban

Kabul (dpa) - Nach dem Abzug der westlichen Truppen haben die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan die Macht übernommen. Wer sind die wichtigsten Männer?

Haibatullah Achundsada: Nachdem Vorgänger Mullah Mansur 2016 bei einem US-Angriff getötet wurde, trifft Achundsada als "Anführer der Gläubigen" die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban. Der religiöse Hardliner gehört zur Gründergeneration der Bewegung. Inzwischen ist er etwa 60 Jahre alt.

Siradschuddin Hakkani: Das einflussreiche Oberhaupt des Hakkani-Netzwerkes ist einer von Achundsadas Stellvertretern. Das Netzwerk, das Washington unter anderem wegen Angriffen auf US-Bürger und Verbindungen zu Al-Kaida als Terrororganisation einstuft, wird für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht. Hakkani soll Mitte 40 sein. Die USA haben ein Kopfgeld in siebenstelliger Höhe auf ihn ausgesetzt.

Mullah Jakub: Der älteste Sohn des langjährigen, verstorbenen Taliban-Chefs Mullah Omar ist ein weiterer Stellvertreter. Mit ihm soll der Mythos Omars als identitätsstiftendes Bindeglied am Leben gehalten werden. Er soll etwa Mitte 30 sein und die Milizen steuern.

 

Erinnerung an Mauerbau

Berlin (dpa) - Der deutsche Staatspräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Bau der Berliner Mauer vor 60 Jahren als "Zeugnis eines hoffnungslosen Scheiterns" bezeichnet und an die Opfer der jahrzehntelangen Teilung erinnert.

Am 13. August 1961 hatte die sozialistische DDR mit dem Bau begonnen und damit die deutsche Teilung bis zum Fall der Mauer 1989 besiegelt. "Die Mauer war das unübersehbare Zeichen eines Unrechtsstaates, der in den Augen seiner eigenen Bürgerinnen und Bürger weder souverän noch legitim war. Im Grunde der Anfang vom Ende - das allerdings noch allzu lange auf sich warten ließ", sagte Steinmeier am Freitag beim zentralen Gedenken in Berlin. "Der 13. August 1961 war ein Schicksalstag für uns Deutsche und für die Welt - und ein Tag, der Träume und Hoffnungen zerstörte, der Kinder von Eltern, Enkel von Großeltern trennte, der schmerzlich und leidvoll in das Leben ungezählter einzelner Menschen eingriff".

Die Mauer bildete ein rund 155 Kilometer langes Bollwerk und umschloss den Westteil Berlins. 45 Kilometer lang verlief sie quer durch die Stadt. Erst nach mehr als 28 Jahren ging die Teilung mit dem Mauerfall am 9. November 1989 zu Ende. Allein in Berlin starben nach dem Mauerbau nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mindestens 140 Menschen durch das DDR-Grenzregime. An der stark gesicherten und von DDR-Seite aus bewachten innerdeutschen Grenze waren laut Bundesregierung mindestens 260 Todesopfer zu beklagen.

Steinmeier erinnerte an den Satz "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" des damaligen DDR-Staats- und SED-Parteichefs Walter Ulbricht im Juni 1961. Dieser sei "als eine der dreistesten Lügen in die deutsche Geschichte eingegangen".


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