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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Stromwirtschaft steht unter extremem finanziellen Druck

Von Juan E. Alemann

Argentinien hat in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Stromwirtschaft durch Privatisierungen viel effizienter gestaltet, mit hohen öffentlichen und privaten Investitionen, Verringerung der operativen Kosten und Einführung technologischer Fortschritte. So wurden z.B. die Wärmekraftwerke der Stadt Buenos Aires nach der Privatisierung sofort mit kombiniertem Zyklus ausgestattet, eine Technologie, die es schon lange gab, aber vom Staat nicht wahrgenommen wurde, obwohl sie die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke stark erhöht. Bei den Privatisierungen pflegt man, den privaten Kapitalbeitrag in den Vordergrund zu stellen; indessen ist der Effizienzfortschritt unverhältnismäßig wichtiger. Bei der Privatisierung des Stromsystems gab es relativ geringe Anfangsinvestitionen, aber einen Qualitätssprung bei der Betreibung, die viel effizienter wurde und auch technologische Fortschritte mit sich brachte.

Die Wirtschaft wurde dabei ausreichend mit Strom versorgt und der stark zunehmende Konsum wurde reibungslos gedeckt. In den letzten Jahren, besonders unter der Macri-Regierung, wurde auch eine bedeutende Zunahme des durch Wind- und Sonnenanlagen erzeugten Stromes erreicht, womit der Anteil der Wärmekraftwerke und der CO2-Ausstoss abnahm. Die Pannen bei der Stromversorgung sanken in Zahl und Dauer auf einen Bruchteil, und nehmen ständig weiter ab. Das System ist nicht ganz privat, da die großen Wasserkraftwerke Yacyretá und Salto Grande und auch andere, und auch Wärmekraftwerke, Fernleitungen und Verteilungssysteme im Landesinneren staatlich sind. In bestimmten Fällen kommen noch Genossenschaften hinzu, die sich mit Stromverteilung befassen. Doch die private Betreibung so vieler Unternehmen des Strombereiches hat auch eine Effizienzwirkung auf die staatlich betriebenen Unternehmen, da die Leitungsbeamten und Fachleute beider Bereiche Konktat unter sich pflegen und dabei ein Nachahmungseffekt entsteht.

Die Spielregeln, die unter der Menem-Regierung, mit Cavallo als Wirtschaftsminister, geschaffen wurden, die den Unternehmen erlaubten, ihre Kosten zu decken, Geld zu verdienen und zu investieren, wurden mit dem Ausbruch der Krise von 2001/02 nicht mehr eingehalten, und seither besteht eine recht chaotische Situation, mit Tarifen, die die Kosten immer weniger decken, jetzt laut Angaben der Unternehmen nur zu ca. 40%, mit zunehmenden Subventionen des Schatzamtes, aber auch mit verkappten Subventionen, die bei der Anhäufung einer Schuld von $ 130 Mrd. gegenüber dem staatlichen Stromverteilungsunternehmen CAMMESA entstanden sind, das den Strom von den Kraftwerken kauft und ihn an die Verteiler liefert. Dieses Unternehmen hat auch einen zunehmenden Schuldenberg gegenüber den Kraftwerkbetreibern angehäuft, die somit außer dem Tarifproblem ein Problem der Säumigkeit beim Stromverkauf haben.

Alle Unternehmen der Branche, also Kraftwerkbetreiber, der Betreiber der Ferntransportleitungen (Transener) und die Unternehmen, die den Strom an die Konsumenten liefern, hängen vom guten Willen der Regierung ab, und dabei besonders von dem der Beamten, die über dies entscheiden. Hier ergibt sich somit eine einfache Korruptionsmöglichkeit, da alle Unternehmen, die von staatlichen Zahlungen abhängen, bestimmt bereit sind, zu zahlen, um das Geld zu erhalten. Ob und wie weit diese Korruption effektiv besteht, wissen wir nicht. Doch wenn man in Argentinien die Korruption effektiv bekämpfen will, muss man die Korruptionsmöglichkeiten ausmerzen. Und dazu ist es in diesem Fall notwendig, dass es klare Regeln für alle Unternehmen der Branche gibt, die ihnen ein Bruttoeinkommen sichern, das ihnen erlaubt ohne Verlust zu wirtschaften, die Instandhaltung nicht zu vernachlässigen und Investitionen durchzuführen, um die bestehenden Anlagen zu verbessern und einen in Zukunft weiter steigenden Bedarf zu decken. Die Schaffung des Systems und der reibungslose Ablauf erfordern eine gute Beziehung der Unternehmer des Energiebereiches mit den zuständigen Regierungsbeamten, an erster Stelle der Energiesekretär und dann auch der Wirtschaftsminister, der Produktionsminister, und auch der Kabinettschef. Es muss alles sehr transparent sein, um politische Kurzschlüsse zu vermeiden. Gegenwärtig ist es so, dass der Subventionsbedarf wegen eingefrorener Tarife zunimmt, aber das Wirtschaftsministerium die Zuwendungen an die Unternehmen der Stromwirtschaft hemmt, weil es ohnehin schon zu hohe Ausgaben verkraften muss. Das führt zunächst dazu, dass die Instandhaltung stark verringert wird, was schließlich in mehr Stromausfällen zum Ausdruck kommt. Und außerdem werden Investitionen gestrichen, was die zukünftige Versorgung in Frage stellt.

Zunächst haben die 47 Stromverteiler (Edenor, Edesur und zahlreiche kleinere) auf die unhaltbare Lage hingewiesen, die durch die Einfrierung der Tarife entstanden ist. Edesur weist in 9 Monaten 2020 einen Verlust von $ 3,5 Mrd. aus, und Edenor einen von $ 1,9 Mrd. Finanziell ist das Problem noch schlimmer, weil infolge der Pandemie die Säumigkeit bei den Kunden stark zugenommen hat, auch weil die Unternehmen den Dienst nicht unterbrechen durften. Kurz danach haben auch die Kraftwerkbetreiber auf das Problem aufmerksam gemacht. Die Stromverteiler weisen darauf hin, dass die Inflation ab der letzten Tariferhöhung, die im März 2019 stattgefunden hat, ca. 80% betrage. Die Regierung hat bekanntgegeben, dass erst Mitte März 2021 eine Tariferhöhung genehmigt wird, so dass sich die Lage noch verschlimmern wird. Vom Tarif, den der Konsument zahlt, entfällt 29% auf den Stromverteiler, 41% auf Kraftwerke, den Ferntransport und den Grossisten CAMMESA, und 30% sind Steuern. Die Unternehmer warnen, dass diese Lage zu Problemen bei der Stromversorgung führen wird.

Als Anfang des Jahres Kabinettschef Santiago Cafiero auf Anweisung des Präsidenten begann, das Tarifproblem zu untersuchen, um die Tarife allgemein zu erhöhen, aber auch die Tarifstruktur zu verbessern oder sozialer zu gestalten (Mit niedrigen Tarifen bei geringem Konsum und progressiv steigenden bei höherem), hat Cristina Kirchner Präsident Alberto Fernández angerufen und ihm den Befehl erteilt, den Stromtarif unverändert zu lassen. Der Präsident hat gehorcht. Doch jetzt hat Wirtschaftsminister Martín Guzmán darauf aufmerksam gemacht, dass die Tarife doch erhöht werden müssen, weil sonst das Defizit auf einem Stand verbleibt, der nicht finanzierbar ist. Guzmán ist sich bewusst, dass es kaum Finanzierung mit Krediten gibt, und die Geldschöpfung verringert werden muss, um eine monetäre Katastrophe zu vermeiden. Angeblich soll auch Cristina unterrichtet worden sein. Sie stellt jedoch die Wahlen dieses Jahres in den Vordergrund und meint, dass Tariferhöhungen ihre Chancen verringern. Doch Guzmán soll ihr angeblich erklärt haben, dass eine Zunahme der Inflationsrate, wie sie bei hohem Staatsdefizit unvermeidlich ist, einen noch negativeren Einfluss auf die Wahlen haben würde. Deshalb wird jetzt an der Tarifstruktur gebastelt, um sie so zu gestalten, dass die Zunahme die Haushalte mit minimalem Konsum kaum betrifft. Doch der Tarifrückstand ist schon so groß geworden, dass eine spürbare allgemeine Erhöhung unvermeidbar ist.

Die Regierung sollte die Gelegenheit beim Schopf fassen, um von Notlösungen, mit denen die einzelnen Probleme entschärft werden, auf eine Gesamtlösung überzugehen, durch Schaffung einer legalen Rahmenordnung für die gesamte Stromwirtschaft, in der die Tarife so weit wie möglich an objektive Daten gebunden werden, und auch die Berechnung des Subventionsbetrages bestimmt wird. Dabei muss auch ein Bruttogewinn der Unternehmen eingeschlossen werden, der ihnen erlaubt, Investitionen zu finanzieren und Kredite für diesen Zweck aufzunehmen, und auch Dividenden zu zahlen. Die Stromwirtschaft erfordert eine langfristige Sicht und eine gute Planung. Sonst kommt es unvermeidlich zu Engpässen und Knappheit, die das wirtschaftliche Wachstum behindern.

Argentinien zählt über gute Fachleute auf diesem Gebiet, besonders die Gruppe ehemaliger Energiesekretäre, die seit über einem Jahrzehnt zusammenarbeitet. Die Arbeit könnte in einigen Monaten abgeschlossen werden, wobei die Experten auch Übergangslösungen vorschlagen könnten, mit denen die bestehende chaotische Lage überwunden wird.


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