Von Juan E. Alemann
Als Argentinien im 20. Jahrhundert politisch organisiert wurde, wurde die Stadt Buenos Aires, die zur gleichnamigen Provinz gehörte, zur Bundeshauptstadt erklärt und danach La Plata als Provinzhauptstadt gegründet. Buenos Aires war formell eine Gemeinde, deren Bürgermeister vom Präsidenten ernannt wurde, hatte keine eigene Justiz noch eigene Polizei, war aber rein wirtschaftlich eine Provinz mehr, und zwar eine besonders reiche.
Die Verfassungsreform von 1994 erteilte der Stadt eine neuen Status, mit einem gewählten Stadtchef als Oberhaupt, und eigener Justiz und Polizei, wobei dies noch nicht ganz erfüllt wurde. Es ist eine wichtige Provinz, nicht nur weil dort die Bundesregierung ihren Sitz hat, sondern wegen ihres wirtschaftlichen Reichtums. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist in der Stadt Buenos Aires gut drei Mal so hoch wie der landesweite Durchschnitt, und noch viel mehr im Vergleich zu armen Provinzen. Das INDEC gibt an, dass die Stadt seit 70 Jahren um die drei Millionen Einwohner hat, was bei den vielen Appartement-Häusern, die in dieser Periode gebaut wurden, einfach nicht stimmen kann.
Seit vielen Jahren schon ist der Gedanke aufgekommen, die Bundeshauptstadt ins Landesinnere zu verlegen. Meistens waren es intellektuelle Spielereien, wobei angegeben wurde, dass dies zu einer besseren geographischen Einkommensverteilung führen würde. Denn der Reichtum der Stadt wurde nicht mit ihrer historischen Entwicklung begründet, also den vielen unternehmerischen Initiativen und der Entwicklung zum Finanzzentrum des Landes, sondern mit der Tatsache, dass sie Bundeshauptstadt war.
Raul Alfonsín, Präsident von Dezember 1983 bis Juli 1989, nahm diese intellektuellen Spielereien ernst und kündigte eines Tages überraschend an, die Bundeshauptstadt nach Viedma, der Hauptstadt der Provinz Rio Negro am Atlantik, zu verlegen. Ein Dorf im Vergleich zu Buenos Aires. Welchen Sinn dies hatte, erklärte er nie. Und woher er das viele Geld nehmen würde, das diese Verlegung kostete, noch weniger. Denn es ging dabei zunächst um einen unmittelbaren Betrag von über 20 Milliarden Dollar, zu dem noch viel mehr hinzukommen müsste. Der Staat verfügte nicht über dieses Geld, sondern kämpfte mühsam, um seine hohen Schulden zu strecken. Und wenn das Geld vorhanden gewesen wäre, hätte es gewiss viel bessere Bestimmungen dafür gegeben. Im Parlament wurde die Initiative ohne Diskussion angenommen. Unbegreiflich.
Die Initiative versandete danach, obwohl zunächst schon viel in das Projekt investiert wurde, was eine gigantische Vergeudung öffentlicher Gelder war. Man sollte meinen, diese Erfahrung hat Vorschläge dieser Art begraben. Doch Dummheiten pflegen von Dauer zu sein.
Jetzt hat Präsident Alberto Fernández beiläufig gesagt, er wünsche, dass die Bundeshauptstadt nach Norden verlegt werde. Wo genau hin, gab er nicht preis. Die Verlegung der Bundeshauptstadt ist heute komplizierter als unter Alfonsín, weil die Stadt inzwischen Provinzcharakter hat. Doch auch wenn dieses Problem gelöst wird, ist die Initiative sinnlos und gehört zu dem vielen Unfug, den Alberto Fernández von sich gibt, wenn er unvorbereitet den Mund öffnet. Geld ist für diese Initiative noch weniger als zur Zeit von Alfonsín vorhanden. In einem Moment, in dem die Staatsausgaben drastisch gekürzt werden müssen, damit die Rechnung mit den Staatsfinanzen aufgeht und Argentinien nicht in Default und eventuell sogar in eine neue Hyperinflation gerät, will der Präsident unnötige Ausgaben von gut 100 Milliarden Dollar hinzufügen. Was hat der Mann im Kopf? Buenos Aires ist eine schöne Weltstadt, und unzählige Provinzeinwohner freuen sich, sie periodisch zu besuchen, nicht nur um Probleme mit der Bundesregierung zu erledigen.
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