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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Sorge um die Lebensmittelpreise

Von Juan E. Alemann

Es ist begreiflich, dass sich die Regierung Sorgen über die Lebensmittelpreise macht. Teure Nahrungsmittel führen zu Unterernährung und eventuell auch zu schlechter Ernährung. Dieser letzte Punkt wird von den zuständigen Regierungsstellen nie geklärt. Die menschliche Ernährung setzt sich grundsätzlich aus Kohlenhydraten, Protein, Fett, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien zusammen. Im Allgemeinen werden in Argentinien zu viele Kohlenhydrate gegessen, in Form von Teigwaren, Reis, Polenta und Brot, und zu wenig Obst und Gemüse, die mehr Vitamine und Mineralien, und auch Ballast liefern. Letzter ist notwendig, um eine gute Verdauung zu sichern. Protein wird meistens genügend gegessen. Mit 48 kg Rindfleisch pro Kopf im Jahr steht Argentinien immer noch weltweit an der Spitze. Doch diese Menge wird im Vergleich zu historischen Zahlen von über 80 kg, allgemein als unzureichende Nahrung hingestellt. Dabei wird meistens vergessen, dass es mit Huhn und Schweinefleisch über 120 kg sind, was mehr als ausreichend ist, umso mehr als eigentlich noch Schaffleisch (das in Patagonien viel konsumiert wird) und Fisch hinzukommt. Was Rindfleisch betrifft, so fällt auf, das Kutteln kaum konsumiert werden, obwohl das Kilogramm etwa halb so viel kostet wie bei anderen Fleischarten (und weniger als ein Drittel im Vergleich zu Lende) und genau so gut wie diese ernährt. Kutteln, die in Europa u.a. Ländern viel konsumiert werden, auch in solchen, die reicher als Argentinien sind, werden vorwiegend exportiert, und nicht einmal bei Gerichten eingesetzt, die die unentgeltlichen Essanstalten bieten.

Die Regierung, die Gewerkschaften und die sozialen Gruppen, die oft das Stadtzentrum füllen und heftig protestieren, weisen auf die sogenannten Preisbilder (“formadores de precios”) als Verantwortliche für die hohen Lebensmittelpreise hin. Dahinter steckt die Vorstellung, dass es keine Konkurrenz gibt, sondern wenige Großunternehmen den Markt beherrschen und die Preise festsetzen. Das stimmt jedoch in keiner Weise. Zahlreiche Unternehmen konkurrieren auf dem Markt verarbeiteter Lebensmittel. Bei Teigwaren gibt es viele verschiedene Marken, ebenso bei Reis und Speiseöl. Fleisch wird über unzählige Metzger verkauft, und Brot über viele Bäckereien, wobei die Supermärkte auch industriell erzeugtes Brot von Bimbo u.a. Marken bieten. Abgesehen davon weist die Bilanz von Molinos Río de la Plata, die größte Lebensmittelfirma, magere Gewinne auf, und bei Milch verzeichnet Mastellone (“Marke La Serenísima”) 2020 und 2021 Verluste auf, wobei das früher zweitgrößte Unternehmen, SanCor, so hohe Verluste hatte, dass es in eine tiefe Krise geriet, die zu einer gewaltigen Schrumpfung zwang.

Die Regierung nimmt jedoch die These von den zu hohen Gewinnen ernst und bemüht sich, ihr mit Höchstpreisen entgegenzuwirken, sei es, dass diese für bestimmte Produkte mit den Firmen vereinbart werden, oder auch nicht. Das hat eine sehr beschränkte Wirkung, und im Endeffekt gar keine, weil die Unternehmen mit diesen Preisen auf Dauer nicht bestehen können. Wir schlagen vor, dass die Regierung hier umgekehrt handelt und einfach Empfehlungen in den einzelnen Supermärkten und und selbstständigen Selbstbedienungsgeschäften über die preisgünstigsten Produkte macht, und dies den Kunden in großen Plakaten bekannt gibt. Bei Teigwaren z.B. sind die Preise der einzelnen Marken sehr differenziert. Rechtfertigt die unterschiedliche Qualität dies, oder nicht? Das solle die Regierung aufklären. Dies wäre ein völlig anderes, viel effektiveres Konzept, um der Bevölkerung zu helfen, ihren Bedarf billiger zu decken. Ohne innovatives Denken gibt es keine Lösung.

Allein, die Regierung befasst sich überhaupt nicht mit den Preisen frischer Lebensmittel. Bei Gemüse handelt es sich einmal um Kartoffeln, Süßkartoffeln, Zwiebeln, Artischocken, Spargeln u.a. Produkten, die an verschiedenen Stellen des Landes erzeugt werden, und dann um die üblichen Gemüsearten (Kohl, Blumenkohl, Tomaten, Spinat u.a.), die in der Nähe von Buenos Aires u.a. anderer Großstädte erzeugt werden. Hier ergibt sich die eigenartige Lage, dass der Preis, den der Konsument beim Gemüsehändler zahlt, über 5 Mal so hoch ist, wie der, den der Produzent erhält. Dies wird sogar periodisch veröffentlicht. Das erscheint auf Anhieb als übertrieben. Hier besteht ein Transport- und Verteilungsproblem. Doch damit befasst sich das Handelssekretariat nicht. Zumindest könnte die Lieferung zu billigeren Preisen für Schulen, unentgeltliche Essanstalten und eventuell auch andere zu niedrigeren Preisen organisiert werden. Das wäre eine interessante Aufgabe für das Handelssekretariat und das Sozialministerium.

Bei Obst schwanken die Preise aus saisonalen Gründen sehr stark. Bei Zitrusfrüchten funktioniert der Markt relativ gut. Bei Äpfeln aus dem Tal des Río Negro besteht eine große Differenz zwischen dem Preis, den der Konsument in Buenos Aires zahlt, und dem, den der Produzent in Río Negro erhält. Das beruht vornehmlich darauf, dass die Äpfel in Kühlkammern aufbewahrt werden. Es fällt auf, dass Äpfel nicht an Ort verarbeitet werden, zu Apfelmus und auch direkt zu Strudel und Apfelkuchen. Der Rohstoff für diese Produkte würde dabei einen Bruchteil kosten. Doch das Handelssekretariat befasst sich nicht mit diesen Dingen.

Was Gemüse betrifft, so besteht auch eine kaum ausgeschöpfte Möglichkeit der Eigenproduktion, in Gärten und auch auf Balkons der Appartementhäuser, wo es in vielen Fällen Blumentöpfe gibt. Die Regierung müsste hier den Bewohnern beistehen, um diese familiären Gemüsegärten zu errichten, die es nur ausnahmsweise gibt, gelegentlich auch auf Dächern der Appartementhäuser. Das Programm “Pro huerta” der Menem-Regierung, bei dem Besitzer von Gärten und auch Gemeinden geholfen wurde, Gemüse zu pflanzen, hat gut funktioniert, mit über 500.000 Gemüsegärten. Dies müsste jetzt auf andere Bereiche ausgeweitet werden.

Eine gute Versorgung mit frischem Gemüse würde gesamthaft die Qualität der Ernährung verbessern, und somit zur Gesundheit der Bevölkerung beitragen, Darüber sind sich die Ärzte, die sich mit dem Thema befassen, einig. Doch gleichzeitig könnte dabei die Versorgung mit Lebensmitteln verbilligt werden, so dass Familien mit niedrigem Einkommen ihren Lebensmittelbedarf ohne Schwierigkeiten decken können.

Das ganze Problem der Versorgung mit Lebensmitteln muss gründlich durchdacht und innovativ gelöst werden. Sonst kann man das Handelssekretariat einfach schließen und dem Staat einen Haufen Geld sparen. Denn, was gegenwärtig getan wird, nützt überhaupt nicht.



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