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  • Foto del escritorArgentinisches Tageblatt

Die Sorge der Regierung um die Lebensmittelpreise

Von Juan E. Alemann

Die Inflation beginnt das Jahr 2021 mit einem Sprung, und das macht der Regierung besondere Sorgen. Die privaten Consulting-Firmen, die auch Preiserhebungen durchführen, gelangen für Januar auf eine Zunahme von über 4%, und in einigen Fällen sogar über 5%. Der erfahrene Wirtschaftsjournalist Nestor Scibona, der wöchentlich in der Zeitung La Nación eine Wirtschaftsanalyse veröffentlicht, macht jede Woche eine Erhebung der Preise der gleichen 30 Produkte des täglichen Haushaltskonsums im gleichen Supermarkt, und hat dabei für Januar 2021 eine monatliche Zunahme von 10,8% und eine interannuelle von 50,8% ermittelt.

In Wirklichkeit liegt der Fall noch schlimmer, weil die Tarife öffentlicher Dienste eingefroren waren, und die Preise vieler Produkte auch künstlich niedrige Preise hatten. Somit lag die Preiszunahme beim Rest des Warenkorbes über dem Durchschnitt, und das betrifft an erster Stelle Lebensmittel. Für die Haushalte mit niedrigem Einkommen, bei denen diese eine stärkere Wägung in ihrem Konsumkorb haben, war die Inflation somit noch höher. Und das macht der Regierung große Sorgen, besonders weil es störend auf das globale Schema wirkt, mit dem die Inflation in Grenzen gehalten werden soll.

Die Regierung hat in letzter Zeit die Initiative der Schaffung eines Wirtschaftsrates, mit Beteiligung von Vertretern der Regierung, der Gewerkschaften, der Unternehmerverbände u.a. Organisationen, den Präsident Alberto Fernández während der Wahlkampagne angekündigt hatte, wieder aufgefrischt. Doch als erstes soll es angeblich ein Abkommen über Preise und Löhne geben, das die Lohnerhöhungen, die sich bei den paritätischen Lohnverhandlungen ergeben, auf maximal 30% für das ganze Jahr beschränkt. Dieser Prozentsatz ergibt sich aus der Preiszunahme von 29%, auf der das Budget für 2021 aufgebaut wurde. Doch das klingt jetzt als Phantasie, wobei die privaten Ökonomen allgemein für ganz 2021 mit einer Inflation von über 50% rechnen. Die Unternehmer müssten sich somit verpflichten, ab jetzt die Preise kaum noch zu erhöhen. Doch sie entscheiden nicht über die Preise importierter Produkte und auch nicht über den Wechselkurs. Bisher hat die ZB den Wechselkurs leicht über der internen Inflation abgewertet. Wird der Kurs jetzt wieder zurückbleiben, wie es bei vergangenen Stabilisierungen immer der Fall war? Das wäre bei der gegenwärtigen Konstellation gewiss nicht vernünftig.


Die Abkoppelung der lokalen Preise von den internationalen

Die Regierung bemüht sich intensiv, die Preise der Lebensmittel niedrig zu halten. Eigentlich haben sich die argentinischen Regierungen fast immer schon um dies bemüht. Es handelt sich dabei als erstes um Abkoppelung der lokalen Preise von Lebensmitteln, die auch exportiert werden, von den internationalen, und dann auch um direkte und indirekte Beeinflussung von Fabrikpreisen und Handelsmargen. Das Problem ist in letzter Zeit akut geworden, weil der Preis für Sojabohne und auch von Sonnenblumenöl stark gestiegen ist, aber auch, wenn weniger, der von Weizen, Mais u.a. Getreidearten.

Argentinien exportiert hauptsächlich Produkte, die direkt oder indirekt als Lebensmittel eingesetzt werden. Das bezieht sich vornehmlich auf Rindfleisch, Sojabohne, Weizen, Mais, Sonnenblume, Roggen und Gerste. Bei Sojabohne ist die Wirkung beim Sojaöl direkt und beim Sojamehl, das als Spaltprodukt bei der Erzeugung gewonnen wird, indirekt, da es als Futter von Hühnern und Schweinen, und in Feed-lots bei Rindern eingesetzt wird. Bei Mais ist die Wirkung ähnlich, da der direkte menschliche Konsum beschränkt ist, der sich auf Maismehl (“polenta”) bezieht.

Die Abkoppelung der Weltmarktpreise von den lokalen Preisen erfolgt durch die Verwaltung des offiziellen Wechselkurses, und durch die Exportzölle, die nicht nur als Fiskaleinnahmen angesehen werden müssen, sondern als ein Mittel der Einkommenspolitik. In diesem Sinn müssten sich die Exportzölle an das Niveau der internationalen Preise und den “realen” Wechselkurs halten (der objektiv schwer zu ermitteln ist). Doch dabei muss auch die Rentabilität der Landwirte berücksichtigt werden. Und hier stellt sich das Problem, dass die Kosten für ein und dieselbe Art von Getreide und Ölsaat in den verschiedenen Gegenden des Landes unterschiedlich sind, und gelegentlich die Einheitskosten auch bei intensiver Düngung höher sind, obwohl die Erträge pro Hektar dabei stark steigen. Da man den Preis nicht gemäß den Kosten differenzieren kann, einmal weil dies faktisch unmöglich ist, und dann weil es illegal ist, muss man oft in Kauf nehmen, dass Landwirte mit Rekordernten (weil die klimatischen Bedingungen günstig waren, und/ oder weil sie technologisch sehr erfolgreich waren) viel verdienen. Dann müssen sie auch mehr an Gewinnsteuer zahlen, so dass das Thema auf eine gute Steuerkontrolle hinausläuft, die bei Landwirten nicht so schwierig sein sollte.

Die Exportzölle für landwirtschaftliche Produkte liegen bei 12%, bei Sojabohne jedoch bei 33%. Diese Differenzierung, die damit begründet wird, dass das übermäßige Vordringen der Sojabohne verhindert werden soll (warum?), hat wirtschaftlich keinen Sinn. Die Landwirte sollten entscheiden, was sie säen. Bei gleichen Exportzöllen für alle Arten von Getreide und Ölsaat würden sie dann die Arten wählen, die den höchsten Dollarertrag pro Hektar ergeben. Und das liegt im Interesse des Landes. Der hohe Exportzoll bei Sojabohne verbilligt das Sojamehl für Tierzucht, was sich vornehmlich auf den Preis für Hühner-und Schweinefleisch auswirkt. Doch Sojaöl wird auch zu Biodieselöl verarbeitet, und dieser Brennstoff wird exportiert. In den Vereinigten Staaten wird wird diese Verbilligung der Kosten, die der Exportzoll für Sojabohne herbeiführt, als Dumping betrachtet, so dass ein besonderer Schutzzoll eingeführt wurde. In der Tat haben Preise, die durch Exportzölle beeinflusst werden, prinzipiell den Charakter von Dumpingpreisen. Argentinien sollte international für die Abschaffung von Exportzöllen eintreten, aber auch von differenzierten Importzöllen der Importländer, die Rohstoffe gegenüber den aus diesen erzeugen Industrieprodukten diskriminieren.

Unter der Regierung von Cristina Kirchner hatte Handelssekretär Guillermo Moreno die Abkoppelung der internen Preise von den internationalen ins Extrem getrieben. Es gab damals Exportkontingente für Rindfleisch und für Weizen. Das drückte den lokalen Rindfleischpreis, führte dann aber zu einer Abnahme des Rinderbestandes um 12,5 Mio. Rinder, gleich 20% des Bestandes, die für die Zukunft eine geringere Produktion (und höhere Preise) in Aussicht stellte. Der Rindfleischpreis nahm schon unter der Regierung von Cristina, im Jahr 2014 stark zu. Bei Weizen drückte die Exporthemmung auf den Preis und führte zu einer bedeutenden Verringerung der gesäten Fläche. Beim Weizen weisen die Landwirte darauf hin, dass der Weizenpreis nur ca. 15% des Endpreises vom Brot ausmacht, was die Preispolitik von Moreno noch unvernünftiger macht.

Gegenwärtig weist Argentinien eine kritische Zahlungsbilanzlage auf, deren Überwindung auf alle Fälle eine starke Exportzunahme erfordert. Man exportiert nicht, was man will, sondern das, was andere Länder kaufen. In diesem Sinn hat Argentinien die Möglichkeit mehr Sojabohne (auch mehr Sojaöl und -mehl), mehr Sonnenblumensamen, und mehr Getreide zu exportieren. Dieses Ziel hat gegenwärtig absolute Priorität vor dem der internen Preispolitik. Die Preise für Getreide, Ölsaat und Rindfleisch müssen real zunehmen (also über die allgemeine Inflation), und das muss der lokale Konsument verkraften. Doch gerade das will die Regierung vermeiden, so dass sie vor einem Problem steht, das als erstes eine politische Strategie erfordert.


Obst und Gemüse

Doch die Preispolitik geht weit über dieses Problem hinaus. Bei Gemüse und Obst spielt der Export nur in wenigen Fällen ein Rolle, die auch beschränkt ist. Bei Gemüse besteht das Problem im Handel, da der Preis, den der Landwirt erhält, nur ca. 20% des Preises beträgt, den der Konsument beim Gemüsehändler zahlt. Es wird mehr Gemüse erzeugt, als konsumiert wird. Ein Teil wird direkt auf dem Land liegen gelassen, und ein anderer Teil verdirbt, weil er nicht rechtzeitig verkauft werden kann. Die Gemüseproduktion passt sich sehr schnell der Nachfrage an. Die Preissprünge bei Obst und Gemüse, die in den letzten Wochen stattgefunden haben, sind bei einem Markt mit strukturellem Überangebot in einer Periode mit gedrückter Nachfrage schwer zu erklären.

Das Problem ist seit Langem bekannt, aber bisher hat keine Regierung eine Lösung gefunden. Dennoch sollte die Regierung nicht aufgeben, und als Erstes eine konkrete Studie durch ein Wirtschaftsforschungsinstitut über den Fall beauftragen. Auch sollte man wissen, wie der Fall in den USA, der EU u.a. Ländern aussieht. Uns fällt nur ein, dass ein direkter Kauf von einer staatlichen Stelle organisiert werden könnte, die das Gemüse bei Landwirten abholt oder am Zentralmarkt direkt kauft, in beiden Fällen zum geltenden Grossistenpreis oder leicht darunter, und es dann mit Lastwagen an Schulen und Essanstalten unentgeltlich verteilt. Das würde bestimmte Bevölkerungsgruppen besser versorgen, aber nicht den Preis bei den Einzelhandelshändlern senken.


Industrielle Lebensmittel

Bei verarbeiteten Lebensmitteln spielen die Rohstoffe meistens eine beschränkte Rolle. Hier besteht eine harte Konkurrenz, wobei die Supermärkte auch die Preise drücken, da ihr Geschäft auf der vekauften Menge beruht, und sie außerdem scharf unter sich und mit den selbstständigen kleineren Supermärkten konkurrieren, die meistens von Chinesen oder Koreanern betrieben werden. Die Regierung bemüht sich, mit den Fabrikanten und den Supermärkten um künstlich niedrigere Preise (sogenannte “gepflegte Preise” oder direkt “Höchstpreise”), was jedoch einen mäßigen Erfolg hat. Die Regierungssprecher, und auch viele andere, weisen stets auf “preisbildende Unternehmen” hin, ohne jedoch konkrete Fälle nennen zu können. Bei Teigwaren, Reis, Milch und Milchprodukten, und vielen anderen Waren, besteht harte Konkurrenz, wobei die Preise bei verschiedenen Marken oft sehr unterschiedlich sind, ohne das Qualitätsunterschiede dies rechtfertigen. Das Problem besteht darin, dass die Konsumenten sich zu stark von der Werbung beeinflussen lassen. Konsumenten, die sich wirklich bemühen, billiger zu kaufen, kaufen in der Tat zu viel niedrigeren Preisen als die, die sich an bekannte Marken halten, die in der Regel teurer sind.


Rindfleisch

Was Rindfleisch betrifft, das eine hohe Wägung beim Konsum hat und auch den Preis von Hühnerfleisch und Schweinefleisch beeinflusst, so will die Regierung jetzt das System der Lieferungen von den Schlachthäusern und den Grossisten (“matarifes”) an die Metzger und die Supermärkte ändern. Gegenwärtig wird das Fleisch in Form von halben Rinderleiben geliefert, und die Metzger zerschneiden es dann in die einzelnen Teile, die dem Konsumenten geboten werden. Das führt jedoch dazu, dass Metzger in ärmeren Gegenden zu viel teure Schnitte, besonders Lende (auf spanisch Lomo), und zu wenig billige erhalten. Bei Metzgern in wohlhabenden Gegenden ist es dann umgekehrt. Das führt angeblich zu Preisverzerrungen. Würden die Schlachthäuser den Rinderleib aufteilen und den Metzgern direkt die Teile liefern, dann wäre dieser Mangel behoben. Angeblich könnten dann die billigen Teile verbilligt werden. Ob so etwas funktioniert, sei vorerst dahingestellt. Denn die Gewohnheiten sind auch beim Fleischhandel schwer zu ändern. Auf alle Fälle hat die Regierung mit dem Verband der Schlachthöfe vereinbart, dass 10 Teile des Rinderleibes, die sich auf die billigeren Schnitte beziehen, mit einem Preisnachlass von 30% geliefert werden. Das setzt voraus, dass der Rinderleib vom Schlachthof zerschnitten wird. Kenner der Materie haben berechnet, dass dies nur 6.000 Tonnen monatlich umfasst, 3,2% des gesamten Rindfleischkonsums. Diese Verbilligung ist somit mehr Propaganda als Realität. Zu diesem Thema sei noch bemerkt, dass die Marge, die zwischen dem Preis, den der Konsument für Rindfleisch bezahlt, und dem, den der Landwirt als Lebendgewicht der Rinder erhält, in Argentinien viel höher als in den USA und vielen anderen Staaten ist. Etwas stimmt hier nicht, aber man weiß nicht genau was.

Beim gesamten Fleischkonsum hat Geflügel- und Schweinefleisch in den letzten Jahren Rindfleisch weitgehend verdrängt. Der Rindfleischkonsum ist von 80 kg, gelegentlich sogar über 90 kg pro Kopf und Jahr, die bis in die 90 Jahre normal waren, auf jetzt 50 kg zurückgegangen, und der Konsum von Geflügel und Schweinefleisch ist entsprechend gestiegen. Diese Entwicklung wurde durch die verbilligten Futtermittel (Sojamehl und Maismehl) gefördert, hängt aber auch mit einer effizienteren Produktion zusammen. Beim Schweinefleisch sind in den letzten 30 Jahren einige große Produzenten aufgekommen, die die beste Technologie einsetzen und die Schweinezüchter verdrängt haben, die die Schweine auf Mullhalden mästeten. Die Qualität des Schweinefleisches ist dabei unverhältnismäßig besser geworden, und der Preis ist real gefallen. Daraufhin wurde auch viel mehr konsumiert.

Ohnehin ist der Preis für Rindfleischschnitte in Argentinien viel niedriger als in den fortgeschrittenen Staaten. Was Präsident Alberto Fernández sagte, dass der Preis in Argentinien gleichhoch wie in Deutschland sei, ist einfach grundfalsch. Er liegt weit unter der Hälfte. Argentinien hat die Möglichkeit, die Rindfleischproduktion stark zu erhöhen. Einmal kann der Rinderbestand erhöht werden, dann kann erreicht werden, dass die Geburten im Verhältnis zu den Kühen zunehmen, und schließlich können die Rinder auf ein höheres Gewicht gebracht werden. Doch all das erfordert einen Preis für Rindfleisch, der eben nicht so niedrig sein kann, wie ihn sich der Präsident u.a. Politiker vorstellen.

Das Rindfleischproblem ist ohnehin durch das Auftreten eines hohen Angebots von Geflügel- und Schweinefleisch zu angemessenen Preis entschärft worden. Der Konsument hat heute eine Alternative, die er früher nicht hatte. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, dass mehr Fisch konsumiert wird. Ein doppelt oder drei Mal so hoher Konsum wie er jetzt besteht, wäre überhaupt kein Problem. Fisch wird zum größten Teil exportiert, und es könnte gewiss mehr gefischt werden.

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